Geräusche werden Musik

Es lebe das Skizzenhafte! »Kenne Keine Töne«, das zweite Album von Conny Frischauf aus Wien

  • Luca Glenzer
  • Lesedauer: 3 Min.
Wo ziehen die Wolken hin? Conny Frischauf 2021 auf dem Berliner Festival Pop-Kultur.
Wo ziehen die Wolken hin? Conny Frischauf 2021 auf dem Berliner Festival Pop-Kultur.

»Kenne Keine Töne« – was soll, was möchte uns ein Album dieses Titels sagen? Ist es eine Aufforderung oder eine Zustandsbeschreibung? Beides ist möglich, so wie ohnehin viel möglich ist auf diesem Album, nach »Die Drift« das nunmehr zweite Solowerk der Wiener Klangkünstlerin Conny Frischauf.

Darauf bewegt sie sich erneut zwischen poppiger Leichtigkeit und elektronischer Experimentierlust. Stimmlich erinnern die Songs wiederholt an die Kölner Sängerin Stefanie Schrank, die kürzlich mit »Schlachtrufe BRD« eine neue EP veröffentlicht hat. Soundästhetisch hingegen weist Frischaufs Ansatz weit darüber hinaus und erweckt in seiner Weitläufigkeit eher Erinnerungen an Kraut- und Ambient-Pioniere der 1970er Jahre wie Cluster, Brian Eno oder Tangerine Dream. Wo Schrank mit beiden Beinen fest in den Niederungen des Alltags verankert ist, schwebt Frischauf mit ihrem künstlerischen Ansatz gewissermaßen über den Dingen. Ihr Bezugsrahmen ist der Traum, der per Definition jeden Bezugsrahmen sprengt. Mal braucht sie dafür Worte, mal nur ein leises Summen, oft auch gar keine Stimme. »Ich liebe es, nach Klängen zu suchen«, hat sie jüngst gesagt. So gesehen ist »Kenne Keine Töne« ihre persönliche Expedition.

Töne und Geräusche bilden dabei einen dichten Soundkosmos, der eigene Bedeutungseben produziert. Bei geschlossenen Augen vermag das Album einen wahnwitzigen Film hervorzurufen, der nicht der strengen Linearität des Realismus verpflichtet ist. »Wo ziehen die Wolken hin/ Habens eilig oder was/ Fliegen hurtig nach drüben/ Kann ich hier auch nicht verübeln/ Also schau ich ihnen zu/ Und setze mich gleich drauf«, heißt es auf geradezu beglückend-infantile Weise sodann im Eröffnungstrack »Düfte«.

Plattenbau

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Mit seiner elegischen Atmosphäre verweist der Song dabei auf den Sophisticated Pop der britischen Band Talk Talk um Sänger und Frontmann Mark Hollis in den mittleren 1980er Jahren. Damals hatte man sich bereits ein gutes Stück entfernt vom gefälligen Mainstream-Sound der frühen Jahre, war zugleich aber noch nicht so sperrig unterwegs wie auf »Laughing Stock« im Jahr 1991. In diesem Zwischenraum zwischen Artifizialität und Zugänglichkeit bewegt auch Frischauf sich auf »Kenne Keine Töne« wiederholt.

Dazu passt nicht zuletzt auch das in der Mitte des Albums platzierte Stück »Zwei Minuten«, das mit seiner durchgehenden Stille als Hommage an John Cages bahnbrechendes Werk »4’33’’« aus dem Jahr 1952 verstanden werden kann, ohne dabei zu Konzeptkunst zu verkommen: Vielmehr kommt es einem willkommenen Freiraum gleich, der es erlaubt, die Akustik der eigenen Umwelt einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Geräusche, denen man normalerweise keine weitere Beachtung schenken würde, werden durch den besonderen Fokus so für einen flüchtigen Moment zu Musik, bevor kurz darauf ein beschwingendes Saxophon in »Adieu Araneus« die zweite Hälfte des Albums einläutet.

Hits sind in diesem eng verwobenen Klangteppich keine auszumachen, doch darauf – so ist anzunehmen – hat Frischauf es ohnehin nicht abgesehen. Vielmehr überzeugen die 16 Stücke gerade durch ihre Unabgeschlossenheit, das Skizzenhafte. Sie eröffnen so einen Kosmos, dessen Mehrdimensionalität und Weitläufigkeit jegliche Form von Einfältigkeit untergräbt.

Conny Frischauf: »Kenne Keine Töne« (Bureau B)

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