Die Bühne als Plattform für Veränderung

Eine Gedenktafel erinnert an den Schwarzen Schauspieler und Aktivisten Louis Brody, der den zweiten Weltkrieg in Deutschland erlebte

  • Darius Ossami
  • Lesedauer: 6 Min.
Familienangehörige des Schauspielers und Aktivisten Louis Brody
Familienangehörige des Schauspielers und Aktivisten Louis Brody

Rund 50 Menschen versammeln sich im sonst sehr ruhigen Innenhof eines Hauses. Es ist Donnerstagvormittag, im Komplex in der Kurfürstenstraße ist Feierlaune. In diesem Haus lebte 1918 der in Kamerun geborene Schauspieler und Aktivist Ludwig M’bebe Mpessa (1892–1951), der in der Weimarer Zeit unter dem Namen Louis Brody in Deutschland bekannt wurde. Brody spielte von 1915 bis zu seinem Tod in über 80 Filmen und engagierte sich zudem für die Rechte der Schwarzen in Deutschland.

Entsprechend widmet die Berliner Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt Brody nun eine Gedenktafel. Staatssekretär Oliver Friederici bezeichnet die Einweihung der Tafel als wichtigen Beitrag zu einer notwendigen Erinnerungs- und Stadtkultur. Neben einigen Anwohner*innen sind auch sieben Angehörige Brodys anwesend, die Rede hält der schottische Historiker und Professor Robbie Aitken, der viel zur Geschichte der Schwarzen Communitys in Europa forscht. »1918 lebte Brody hier in diesem Haus in der Kurfürstenstraße«, sagt Aitken.

Geboren wurde Louis Brody allerdings 1892 in Kamerun in der Küstenstadt Douala, zur Zeit der deutschen Kolonialherrschaft. Um 1912 kam er schließlich als junger Mann nach Berlin. Brodys erste nachweisbare Schauspielrolle hatte er 1915 in dem Stummfilm »Das Gesetz der Mine«.

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Im Nachkriegsdeutschland, als die Beschäftigungsmöglichkeiten für die zunehmend marginalisierte Schwarze Bevölkerung sehr eingeschränkt waren, verdiente Brody wie die meisten seiner Landsleute seinen Lebensunterhalt als Künstler, erzählt Historiker Aitken. »Es war der Beginn einer langen, erfolgreichen Karriere als Film- und Bühnenschauspieler, Musiker, Sänger und Ringer.« Er sei zweifellos ein begabter Performer und im Deutschland der Zwischenkriegszeit der mit Abstand erfolgreichste aller Schwarzen Unterhaltungskünstler gewesen, schwärmt Aitken.

So übernahm Brody Hauptrollen in Filmen wie »Die Verschwörung zu Genua« (1921) und »Knock-out!« (1924), außerdem besetzte er eine Nebenrolle im Filmklassiker »Metropolis« (1927). Er arbeitete mit prominenten Regisseuren wie Fritz Lang und Alfred Hitchcock sowie Schauspieler*innen wie Hans Albers, Lil Dagover und Peter Lorre zusammen.

Darüber hinaus engagierte sich Brody auch politisch gegen Rassismus und für Gleichberechtigung. Er zählte zu den Gründungsmitgliedern des 1918 enstandenen Afrikanischen Hilfsvereins, der ersten politischen und sozialen Organisation Schwarzer Menschen in Deutschland. 1818 unterschrieb er als einer von 18 Männern eine Petition an die Nationalversammlung in Weimar. Darin forderten sie eine radikale Neuverhandlung der Beziehungen zwischen Deutschland und Kamerun.

1921 schrieb Brody im Namen des Hilfsvereins einen offenen Brief an die deutsche Öffentlichkeit, um gegen die rassistische Propagandakampagne »Schwarze Schmach« zu protestieren. Er wandte sich gegen rassistischen Darstellungen von Schwarzen und forderte von der deutschen Öffentlichkeit, Schwarzen mit Respekt statt mit Verachtung zu begegnen. Später wurde Brody Mitglied der 1929 gegründeten deutschen Sektion der französischen Bürgerrechtsorganisation Schwarzer Menschen namens Ligue de Défense de la Race Nègre, kurz LzVN. Die deutsche Sektion wandte sich gegen verschärfende ökonomische Schwierigkeiten und rassistische Vorurteile.

1938 heiratete Brody Erika Diek, eine der beiden Töchter von Mandenga Diek, der ebenfalls Kameruner war und als erster Schwarzer die deutsche Staatsbürgerschaft erhielt. Im Jahr darauf kam ihre Tochter Beryl Adomako zur Welt.

Auch Beryl Adomako ist auf der Gedenkveranstaltung anwesend, gemeinsam mit ihren Enkel*innen sowie ihrer Tochter Abenaa und ihrem Sohn Roy. Beide Kinder sind heute ebenfalls Aktivist*innen und halten eine kurze Rede. Roy Adomako würdigt seinen Großvater als »herausragende Persönlichkeit«. Dieser sei ein »leidenschaftlicher Aktivist« gewesen, »der in einer Zeit, als das Klima von Rassismus und Diskriminierung geprägt war, den Mut aufbrachte, die Bühne als Plattform für Veränderung zu nutzen«. Anschließend trägt er eine lyrische Erinnerung an Brodys Theaterrevue vor, um »den Mut und die Vision von Louis Brody und seinen Mitstreiter*innen« ins Gedächtnis zu rufen.

Einer der erfolgreichsten Schwarzen Schauspieler seiner Zeit: Louis Brody
Einer der erfolgreichsten Schwarzen Schauspieler seiner Zeit: Louis Brody

Die von Brody entwickelte Revue »Sonnenaufgang im Morgenland« war ein Höhepunkt Schwarzer Kultur in der Weimarer Zeit. Das für die damalige Zeit einzigartige Stück wurde im Dezember 1930 in Kliems Festsälen an der Hasenheide uraufgeführt. »Brodys Revue kann als Ausdruck einer sich entwickelnden Diaspora und Schwarzen Identität in Deutschland gesehen werden«, erklärt Historiker Aitken. Zugleich waren sie Ausdruck seiner Auflehnung: »Ein Widerstand gegen vorherrschende rassistische Vorurteile und rechtsextreme Einstellungen«, resümiert der Historiker.

Auch für Roy Adomako war die Revue »eine kraftvolle Antwort auf koloniale und rassistische Klischees«. So nutzte Brody laut Adomako die Bühne, um eine Botschaft der Würde, der Gerechtigkeit, des Empowerments und der Widerstandskraft zu vermitteln, die Adomako für Brodys Zeit als »außergewöhnlich mutig« bezeichnet.

Mit der NS-Zeit brachen auch für Brody schwerere Zeiten an. Afrikaner*innen aus den ehemaligen deutschen Kolonien galten als staatenlos, doch über das französische Konsulat erhielt Brody Ausweispapiere. Als etablierter Schauspieler fand er zudem weiterhin gut bezahlte Rollen. Für einen Großteil der Nazi-Zeit war das Filmset ein sicherer Ort für Schwarze Deutsche wie Brody. Allerdings musste er nun in NS-Propagandafilmen wie »Jud Süß« spielen oder rassistische Rollen annehmen, etwa die eines afrikanischen Diktators oder als »Medizinmann« im Durchhaltefilm »Quax in Afrika« mit Heinz Rühmann.

»Die Mitwirkung an »staatspolitisch wertvollen« Filmen (war) für Schwarze Deutsche eine Überlebenschance«, schreibt der Filmhistoriker Tobias Nagl in »Fantasien in Schwarzweiß – Schwarze Deutsche, deutsches Kino« für die Bundeszentrale für politische Bildung. »Kleinste ›rassenpolitische‹ Fehltritte jedoch reichten aus, um vom Drehort ins Konzentrationslager verschleppt zu werden.« Auch Familie Brody wurde ausgegrenzt, entrechtet und war rassistischer Benachteiligung durch Öffentlichkeit und Behörden ausgeliefert. Dennoch überlebte sie das Nazi-Regime und die Bombardierung Berlins.

»Wir können versuchen, durch Kunst und Engagement eine positive Veränderung herbeizuführen, auch in schwierigen Zeiten.«

Roy Adomako
Enkelkind des Schauspielers und Aktivisten Louis Brody

Nach dem Krieg arbeitete Brody bis 1951 weiterhin als Schauspieler. Zusätzlich trat er als Sänger und Schlagzeuger auf und war zeitweise Teil der Mc Allan Band, die regelmäßig in der »Pinguin-Bar« in der Bülowstraße 6 spielte. Er starb am 11. Februar 1951 im Alter von 58 Jahren in Berlin.

Neben der nun eingeweihten Gedenktafel erinnern seit 2023 auch zwei Stolpersteine in der Gaudystraße an Brody und seine Frau Erika Diek, wo sie zum Ende der Nazi-Zeit lebten. Vor über 100 Jahren schrieb Brody einen offenen Brief an die deutsche Öffentlichkeit: »Wir möchten auch noch ganz besonders erwähnen, dass wir nicht die unmoralische und unkultivierte Rasse sind, wie in Deutschland jetzt allzu allgemein behauptet wird.«

Roy Adomako, der seinen Großvater nie kennengelernt hat, erzählt, wie er als Kind mit seiner Großmutter am Sonntagnachmittag auf dem Sofa Filme von Brody gesehen hat. Er sei begeistert gewesen, »den eigenen Opa im Fernsehen zu sehen«. Der Enkel erklärt zudem, wie relevant er den Aktivismus von Brody noch heute findet: »Die Themen, für die er gekämpft hat – Gerechtigkeit, kulturelle Anerkennung und die Bekämpfung von Rassismus –, sind nach wie vor aktuell.« So biete Brodys Erbe in einer Zeit von zunehmender Hetze und Hass eine Quelle der Inspiration. Die Botschaft seines Großvaters erinnere ihn daran, »dass wir versuchen können, durch Kunst und Engagement eine positive Veränderung herbeizuführen, auch in schwierigen Zeiten«, so der Enkel Roy Adomako.

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