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Notarztpraxen in Berliner Krankenhäusern werden stärker genutzt
Die notorisch überlasteten Rettungsstellen werden durch das Angebot merklich entlastet
Krankheiten kommen immer ungelegen, manchmal aber plötzlich, und wenn es besonders unglücklich läuft, außerhalb der regulären Öffnungszeiten von niedergelassenen Ärzt*innen. In solchen Situationen – die Kassenärztliche Vereinigung (KV) nennt zum Beispiel Grippe, Fieber oder Erbrechen – kann und soll man den ärztlichen Bereitschaftsdienst anrufen, der rund um die Uhr erreichbar ist. Falls von vorneherein klar ist, dass ein Telefonat nicht ausreichen wird, gibt es in Berlin am Wochenende zudem elf Notarztpraxen in Krankenhäusern. »Versicherte können sich in Notfällen an diese Praxen wenden und damit auch die Rettungsstellen der Krankenhäuser entlasten«, informiert die KV.
Und diese werden immer mehr genutzt. Das geht aus einer schriftlichen Anfrage der SPD-Abgeordneten Bettina König an die Gesundheitsverwaltung hervor. Wie der Senat mitteilt, suchten 2022 63 272 Patient*innen dieses Angebot auf. Im Jahr darauf, 2023, waren es schon 73 157. Und auch für das Jahr 2024 zeigt sich, dass die Zahl der Erkrankten, die Notarztpraxen aufsuchen, weiter steigt: Allein im ersten Halbjahr nutzten 28 913 Versicherte das Angebot.
Die von der Abgeordneten König erfragten Daten deuten darauf hin, dass das erklärte Ziel, die notorisch überlasteten Rettungsstellen zu entlasten, funktioniert. Zahlen aus dem Unfallkrankenhaus Berlin in Marzahn zeigen, dass an Samstagen und Sonntagen – wenn die Einrichtung von morgens bis abends geöffnet ist – eine Notarztpraxis der Rettungsstelle viele Fälle abnehmen kann. Dadurch muss die dortige Rettungsstelle am Wochenende sogar weniger Patient*innen behandeln als unter der Woche und kann sich den schwereren Fällen widmen.
Die Sprecherin der Klinik, Angela Kijewski, kann das bestätigen. Die Notarztpraxis sei eine »spürbare Entlastung der Rettungsstelle«. Auch für die Patient*innen ist das Modell von Vorteil. Im Unfallkrankenhaus werden besonders schwere Fälle behandelt. Für Patient*innen, deren Problem nicht so schwerwiegend ist, führt das in der Rettungsstelle zu langen Wartezeiten. »Unter mehreren Stunden ist das oft nicht möglich«, sagt Kijewski zu »nd«. In der Notarztpraxis sei eine Behandlung oft innerhalb einer halben Stunde möglich. »Aus unserer Sicht macht diese Einrichtung Sinn.«
Wird das Modell also ausgeweitet? »Derzeit sind keine Anpassungen der Öffnungszeiten der KV-Notdienstpraxen vorgesehen«, teilt die KV mit. Sie beklagt eine »unzureichende Vergütung der Notfallversorgung«, die zu einem Defizit von rund 100 000 Euro pro Jahr und Notdienstpraxis führe.
Einer Erweiterung der Öffnungszeiten steht auch ein Mangel an Ärzt*innen entgegen. Wie die KV schreibt, seien in den Notdienstpraxen niedergelassene Vertragsärzt*innen tätig, die währenddessen nicht für die Regelversorgung zur Verfügung stünden. Auch sogenannte »Poolärzt*innen« können nicht zum Einsatz kommen. Als solche werden Mediziner*innen bezeichnet, die keine Kassenzulassung haben, also zum Beispiel kurz vor der Facharztanerkennung stehen oder bereits im Ruhestand sind. Das Bundessozialgericht hatte vergangenes Jahr entschieden, dass diese nicht auf Honorarbasis beschäftigt werden können.
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