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Verbotenes »Compact«-Magazin erscheint als »Näncy«
Anwälte des extrem rechten Magazins hoffen auf schnelle Entscheidung gegen Verbot
Um die Veranstaltung, die an diesem Mittwochabend im Musikschulsaal im brandenburgischen Falkensee stattfand, hatte es schon im Vorfeld Kontroversen gegeben. Die lokale AfD hatte ihn bei der Stadt für eine Pressekonferenz angemietet. Eine Pressekonferenz sollte es tatsächlich auch geben, aber nicht von der AfD, sondern vom Chefredakteur des vor zwei Wochen verbotenen Compact-Magazins Jürgen Elsässer und seinen Anwälten. Die AfD bewarb die Veranstaltung als Bürgerdialog. Die Stadt Falkensee reagierte, untersagte eine andere Nutzung als eine Pressekonferenz der Partei selbst. Formal hielt sich die Partei dann daran, auf dem Podium in Falkensee saßen nur AfD-Politiker. Der interessante Teil der Veranstaltung wurde vor den Saal verlegt und zur Spontandemonstration erklärt.
Dort ergriffen die Protagonisten des »Demokratischen Widerstands« das Wort. Der »Demokratische Widerstand« ist eine Zeitung, die aus der Querdenkerbewegung hervorgegangen ist. Die Chefs der Zeitung, Anselm Lenz und Hendrik Sodenkamp, organisierten in Berlin zahlreiche Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen. Schon dabei scheuten sie die Zusammenarbeit mit Rechten nicht. Vor dem Musikschulsaal in Falkensee sprach Anselm Lenz, der vor seinem Einsatz in der Querdenkerszene als Theatermacher aktiv war und für »Taz« und »Junge Welt« schrieb, dann vom mutigen Einsatz Jürgen Elsässers und einem staatlichen »Auslöschungsversuch« gegen »Compact«.
Nach Falkensee hatten Lenz und Sodenkamp auch eine echte Überraschung mitgebracht und die heißt »Näncy«. »Näncy« ist ein Online-Magazin, das 10 Euro kostet und beim »Demokratischen Widerstand« heruntergeladen werden kann. Auf dem Cover befindet sich, bei dem Namen wenig verwunderlich, Bundesinnenministerin Nancy Faeser. Hinter Faeser brennt es, am Arm trägt sie, im Stil einer Hakenkreuz-Binde, die One-Love-Binde, um die es bei der Fußballweltmeisterschaft in Katar 2022 Streit gab. In der »Näncy« soll es »Enthüllungen« geben, wie das Land »ruiniert« werde. Die Inhalte des Magazins sind nach Angaben von Lenz die Artikel, die eigentlich in der August-Ausgabe von »Compact« erscheinen sollten. Darüber zeigte sich in Falkensee auch Jürgen Elsässer erfreut. Er dankte Sodenkamp und Lenz und betonte sehr deutlich, dass er nichts mit der Produktion des Hefts zu tun habe. Er wolle jetzt erst mal eine Pause machen.
Im Bundesinnenministerium wird man sich die »Näncy« nicht nur, weil die Chefin auf dem Cover ist, ganz genau anschauen. Die dortigen Jurist*innen werden vermutlich beraten, ob es sich dabei um eine Weiterführung des verbotenen Compact-Magazins handelt. Dass die Macher damit werben, alle Compact-Inhalte übernommen zu haben, spricht dafür, das Online-Heft als Ersatz für »Compact« zu betrachten. Allerdings haben Lenz und Sodenkamp offengelassen, ob ihr neues Magazin fortgeführt werden soll oder ob sie es als einmaligen Akt und politisches Zeichen gegen das Compact-Verbot produzieren.
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Während die »Näncy« zum Fall für Jurist*innen werden könnte, ist es »Compact« schon. Und um die juristische Auseinandersetzung sollte es ja eigentlich gehen. So viel hatten die beiden Anwälte des Magazins, Gerhard Vierfuß und Ralf Ludwig, dann aber gar nicht zu erzählen. Sie vertreten »Compact« bei zwei Klagen gegen das Verbot. Zu ihrer juristischen Argumentation wollten die beiden Anwälte genauso wenig sagen, wie dazu, wer alles zum angeblich zehnköpfigen Anwaltsteam von »Compact« gehört. Das Verbot selbst halten beide natürlich für falsch. Am wichtigsten, so erklärte Vierfuß, sei das Eilverfahren. Ein Magazin könne schon aus wirtschaftlichen Gründen nicht länger als einen Monat nicht erscheinen. Dies müsse auch den Richter*innen am Bundesverwaltungsgericht klar sein. Das Ziel der Anwälte: »Compact« soll wieder erscheinen, bis im Hauptverfahren entschieden wird. Für das Bundesverwaltungsgericht geht es letztendlich um eine Abwägung. Ist es schädlicher, wenn »Compact« weiter erscheint, obwohl das Verbot am Ende rechtmäßig ist, oder ist es schädlicher, wenn »Compact« nicht mehr erscheinen kann, aber sich das Verbot als nicht rechtmäßig herausstellt? Bis das Gericht entscheidet, dürfte es nicht mehr allzu lange dauern. Nach Angaben der Compact-Anwälte hat das Bundesinnenministerium bis Montag Zeit, um beim Bundesverwaltungsgericht eine Stellungnahme zur Klage einzureichen. Eine Entscheidung im Eilverfahren könnte dann schon wenige Tage später erfolgen.
Bei der AfD will man das Compact-Verbot im Parlament begleiten. Das versicherten die beiden Bundestagsabgeordneten Götz Frömming und Steffen Kotré bei der Pressekonferenz in Falkensee. Ansonsten erzählten sie wenig, was nicht zu erwarten war. Die Meinungsfreiheit sei gefährdet, Regierung und Systemmedien agierten zusammen, um die Wirklichkeit zu verschleiern und echte Demokraten gäbe es nur in der AfD. Interessant daran war vor allem die Doppelstrategie der Partei. Einerseits präsentierte man sich als Hüter der Pressefreiheit, die Bundestagsabgeordneten erwähnten sogar, dass sie sich gegen die Verfassungsschutzbeobachtung der »Jungen Welt« aussprechen. Andererseits solidarisierten sich die beiden AfD-Abgeordneten ganz offen mit dem extrem rechten Compact-Magazin. Letzteres dürfte für die AfD wichtiger sein. Die Solidarität mit »Compact« sagt dem publizistischen Umfeld der AfD, wir stehen an eurer Seite.
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