Ukraine: Mögliche Friedenslösung mit Russland

Um Moskau an den Verhandlungstisch zu bekommen, spricht Kiew von Zugeständnissen

  • Daniel Säwert
  • Lesedauer: 3 Min.
Schäden in einem Wohngebiet im Stadtzentrum von Charkiw, das von einer russischen Lenkbombe getroffen wurde.
Schäden in einem Wohngebiet im Stadtzentrum von Charkiw, das von einer russischen Lenkbombe getroffen wurde.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat sich im Gespräch mit der Zeitung »Le Monde« und anderen französischen Medien zu Gebietsabtretungen im Zuge einer möglichen Friedenslösung mit Russland geäußert und angedeutet, dass diese nur nach einem Referendum möglich seien.

»Die Ukraine wird niemals auf ihre Gebiete verzichten. Die Machthaber haben offiziell nicht das Recht, auf ihre Gebiete zu verzichten. Dazu muss das ukrainische Volk dies wünschen«, sagte Selenskyj. Außerdem, so der ukrainische Präsident, sei zu bedenken, dass Russlands Präsident Wladimir Putin solch einen Schritt als Sieg sehen würde. »Deshalb ist diese Frage sehr, sehr, sehr schwierig.«

Einfrieren und dann verhandeln?

Vor einem Monat hatte Selenskyj im Interview mit der US-Zeitung »Philadelphia Inquirer« Bedingungen für ein Kriegsende genannt. Für die Westintegration, so die Deutung seiner damaligen Worte in der Ukraine, soll er bereit gewesen sein, den Krieg entlang der Frontlinie einzufrieren und später über den Status der besetzten Gebiete zu verhandeln. Zuvor (und eigentlich bis heute) bestand die ukrainische Führung stets auf die Grenzen von 1991, um mit Russland auf irgendeine Art über einen Frieden zu verhandeln.

Dementsprechend negativ fielen die Reaktionen auf Selenskyjs Andeutungen aus. Bohdan Krotevych, Kommandeur der rechtsradikalen Asow-Brigade, erklärte damals, dass der Krieg nur mit einem ukrainischen Sieg enden könne. Anderenfalls müsse Selenskyj von seinem Posten entfernt werden, sei es »durch einen neuen Maidan, durch einen Aufstand ›patriotischer Soldaten‹ oder durch Wahlen«.

Der ehemalige Präsidentenberater Oleksij Arestowytsch warf Selenskyj vor, die Situation selbst mitverursacht zu haben, indem er pausenlos den bevorstehenden Sieg verkündete. Auch in der Bevölkerung verschob sich die Stimmung. Insbesondere in frontnahen Gebieten sind die Menschen schon länger kriegsmüde. Einer Umfrage des Kiewer Internationalen Instituts für Soziologe zufolge war zuletzt jeder dritte Befragte bereit, Gebiete abzutreten, wenn dafür Frieden herrscht. Im Mai 2023 befürwortete lediglich jeder Zehnte diesen Schritt.

Grundlage für Gespräche nicht klar

Selenskyj betonte in seinem Gespräch mit den französischen Medien, dass er Gesprächen mit Russland offen gegenüberstehe. Russland solle bei künftigen Friedensberatungen mit am Tisch sitzen, sagte der ukrainische Präsident. »Ich bin – wie die meisten Länder – der Ansicht, dass beim zweiten Friedensgipfel im November Vertreter Russlands anwesend sein sollten, da wir sonst keine tragfähigen Ergebnisse erzielen werden. Sie sollen uns nicht bei der Ausarbeitung eines gemeinsamen Plans blockieren.« Wenn alle Russland am Verhandlungstisch sehen wollten, dann könne die Ukraine nicht dagegen sein.

Zuletzt hatte es immer mehr internationalen Druck auf Kiew gegeben. Selbst Nato-Hardliner und unbedingte Ukraine-Unterstützer wie Tschechiens Präsident Petr Pavel und sein finnischer Amtskollege Peter Stubb wiesen auf die Sinnlosigkeit von Friedensgesprächen ohne russische Beteiligung hin. Auch aus Moskau kamen wieder Signale zur Verhandlungsbereitschaft, allerdings zu russischen Bedingungen. Ähnlich äußerte sich wiederum Selenskyjs Bürochef Mychajlo Podoljak. Reden wolle man, aber nur unter der Bedingung der Grenzen von 1991. Von einer Einigkeit über die Grundlagen von Friedensverhandlungen scheint man noch entfernt.

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