Petra Köpping – die Frau an Kretschmers Seite

Die Politikerin sieht die von ihr geführte Sachsen-SPD als demokratische Mehrheitsbeschafferin für die CDU

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 6 Min.
Gut gelaunt auf schwerer Mission: Präsentation eines SPD-Wahlplakats mit Petra Köpping
Gut gelaunt auf schwerer Mission: Präsentation eines SPD-Wahlplakats mit Petra Köpping

Der ältere Mann legt am SPD-Wahlstand auf dem Pirnaer Markt einen dicken Umschlag vor Petra Köpping. Er habe Indizien dafür gesammelt, dass Wahlen in Deutschland manipuliert würden, raunt er. Eines davon: Wahlumfragen des Instituts Infratest dimap. Das sei, betont er, erst von einem britischen Medienkonzern übernommen worden und über diesen in den Besitz eines US-Finanzinvestors gelangt. In seiner jüngsten Prognose für Sachsen rangiert die CDU knapp hinter der AfD bei 29 Prozent, SPD und Grüne stehen nur bei je sieben Prozent. »Wie kann das sein?«, fragt der Mann: »Sie haben doch gemeinsam regiert und alles gemeinsam beschlossen!«

Petra Köpping ist überzeugt, dass Wahlen in der Bundesrepublik nicht verfälscht werden: »Da habe ich großes Vertrauen«, sagt die Spitzenkandidatin der sächsischen SPD. Die aktuellen Umfragewerte, in denen sieben Prozent für ihre Partei noch zu den besseren gehören, hält sie aber durchaus für ungerecht. Im Kabinett, dem sie seit 2019 als Ministerin für Gesundheit und Soziales angehört, »arbeiten wir eng zusammen«, betont sie. Allerdings verkaufe CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer die Erfolge der Koalition gern als seine eigenen: »Da heißt es dann: Ich habe, ich habe.«

Köpping verkneift sich solche Töne. Zwar erwähnt auch sie gern, was das seit 2019 amtierende Dreierbündnis aus CDU, Grünen und SPD erreicht hat und was dort ihrer Ansicht nach ohne ihre als soziales Korrektiv wirkende Partei nicht durchgesetzt worden wäre: Eine Abkehr von der rigiden Sparpolitik der CDU etwa, was in mehr Stellen für Polizisten, Lehrer, Schulsozialarbeiter mündete.

Sich diese Erfolge allein an die Brust zu heften, wäre aber nicht der Stil der 66-Jährigen, die einst Bürgermeisterin in Großpösna im Leipziger Kohlerevier war und später einzige sächsische Landrätin mit SPD-Parteibuch wurde, bevor sie 2014 in die Landespolitik wechselte. Stattdessen hat sich ihre Partei für einen ironischen Seitenhieb entschieden. Sie plakatiert Großflächen, auf denen Köpping und Kretschmer gemeinsam zu sehen sind. »Hinter dem Erfolg von diesem Mann steckt eine starke Frau, die es kann«, ist darunter zu lesen. Derlei garantiert zunächst Aufmerksamkeit.

»Immer, wenn es schwer ist, bin ich da.«

Petra Köpping SPD-Spitzenkandidatin

Gewissermaßen fassen solche Slogans aber auch das Programm der sächsischen SPD für die Landtagswahl am 1. September zusammen: Man will weiter mit der CDU regieren. Man strebe »eine stabile Regierung ohne die AfD« an, heißt es auf Flyern, die an diesem Tag auch in Pirna verteilt werden: »Das schafft die CDU nicht allein«. Theoretisch wäre zwar eine Minderheitsregierung denkbar, sagt Köpping. Aber, fügt sie unter Verweis auf Thüringen an: »Das hieße Stillstand. Das können wir nicht wollen.«

Die spannenden Fragen aus Sicht der Genossen lauten, ob sie als demokratischer Mehrheitsbeschaffer für die CDU überhaupt benötigt werden – und ob sie zur Verfügung stehen. Spätestens mit Gründung des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) sind die Verhältnisse ins Rutschen gekommen. Zwar sind in Sachsen bis auf die Ex-Bundestagsabgeordnete Marlies Volkmer keine prominenten Sozialdemokraten gewechselt. In der SPD räumt man aber ein, dass die zweistelligen Zustimmungswerte für die Wagenknecht-Truppe, die eine CDU-BSW-Koalition denkbar erscheinen lassen, auch zu Lasten der eigenen Partei gehen. Köpping kritisiert, dass dabei teils mit unlauteren Mitteln gearbeitet werde. Es würden »Leute plakatiert, die hier nicht antreten«, sagt sie in Anspielung auf Plakate, die nicht örtliche Kandidaten, sondern die Parteigründerin zeigen. Zudem würden »Versprechen gemacht, die wir hier nicht erfüllen können«, ergänzt sie mit Blick auf BSW-Slogans zum Thema Frieden. »Das ärgert mich«, sagt Köpping.

Der BSW-Antritt ist allerdings nur ein Grund, warum Sachsens SPD, die bei der Wahl 2019 mit nur 7,7 Prozent einen bundesweiten Negativ-Rekord aufstellte, diesmal zeitweise sogar um den Wiedereinzug in den Landtag bangte. Ein zweiter sind Politik und Zustand der SPD-geführten Ampel-Koalition im Bund. Die Kommunalwahl im Juni, bei der die SPD in Pirna bei 5,16 Prozent landete, und die Europawahl, bei der sie in Sachsen 6,9 Prozent erzielte, galten als Ausdruck der Unzufriedenheit mit der Berliner Politik. Es wäre der sächsischen SPD nicht zu verdenken gewesen, wenn sie auf Unterstützung von dort verzichtet hätte. Köpping indes hatte Kanzler Olaf Scholz und Verteidigungsminister Boris Pistorius zu Gast, den sie gut kennt, seit beide 2019 gemeinsam für den SPD-Bundesvorsitz kandidierten. Bald kommt Gesundheitsminister Karl Lauterbach, mit dem, wie Köpping einräumt, auch sie »ein wenig auf Kriegsfuß« steht: Er habe bei seiner Krankenhausreform die Belange Ostdeutschlands zu wenig berücksichtigt. Meckern allein aber ändere daran nichts: »Es ist wichtig, dass Menschen in Ämtern erklären, warum sie welche Entscheidungen treffen.«

Köpping tut das seit Jahren. Außerdem hört sie zu und sieht sich auch als Stimme von Menschen, deren Belange zu kurz kommen. Mit ihrer 2018 vorgelegten Streitschrift »Integriert doch erst mal uns« profilierte sie sich bundesweit als Interessenvertreterin Ostdeutschlands, die das Agieren der Treuhand bei der Privatisierung der DDR-Betriebe kritisierte und sich für die Behebung von Ungerechtigkeiten bei der Überleitung von DDR-Renten einsetzte. Dieses Image als Kümmerin dürfte einer der Gründe dafür gewesen sein, dass Sachsens SPD sie erstmalig zur Spitzenkandidatin ernannte. Einen anderen kleidete sie selbst in den Satz, sie sei »jemand, der viele Jahre Krisenmanagement« betrieben habe. 2014 wurde sie Integrationsministerin in Sachsen, im Jahr darauf begann die Flüchtlingskrise. 2019 wechselte sie ins Ressort für Soziales und Gesundheit, ein Jahr später kam Corona. Köpping sagt dazu: »Immer, wenn es schwer ist, bin ich da.«

Schwer ist es für Sachsens SPD auch in diesem Wahlkampf. Allerdings glauben die Genossen mittlerweile, dass zumindest der Einzug in den Landtag gelingt. »Ich habe das Gefühl, die Krise ebbt ab«, sagt am Wahlstand in Pirna Fabian Funke, der die Region seit 2021 für die SPD im Bundestag vertritt: »Die Leute nehmen stärker zur Kenntnis, was wir erreicht haben.« Ob das wirklich so ist und ob Köpping die Frau an Kretschmers Seite bleiben kann, wird sich nach dem 1. September zeigen. Ob die Wahl tatsächlich korrekt abgehalten wird oder ob es, wie der ältere Herr vermutet, doch Hinweise auf Manipulationen gibt, muss das Innenministerium klären. »Die sind für Wahlen zuständig«, sagt Köpping: »Dorthin nehme ich Ihren Brief mit.«

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