Schlammschlacht im braunen Geheimdienstsumpf

Gerichtsverfahren um V-Mann-Tätigkeit von AfD-Symphatisanten

Matthias Helferich wehrt sich gegen den Ausschluss aus der AfD.
Matthias Helferich wehrt sich gegen den Ausschluss aus der AfD.

Es kommt nicht alle Tage vor, dass sich ein Politiker der AfD und ein Sympathisant der Partei so sehr streiten, dass sie sich vor Gericht treffen müssen, um ihre Streitigkeiten zu klären. Vor dem Oberlandesgericht Köln standen sich am Donnerstag aber der Dortmunder Bundestagsabgeordnete Matthias Helferich und der Oberhausener Arzt Robert Nagels gegenüber. Nagels forderte Helferich auf, die Behauptung zu unterlassen, dass er V-Mann des Verfassungsschutzes war.

Um zu verstehen, warum sich die beiden Rechten vor Gericht gegenüberstanden, muss man die Vorgeschichte kennen. Matthias Helferich gilt auch innerhalb der AfD als besonders deutlich in seinen Ansichten. Unter anderem wegen seiner Selbstbezeichnungen als »freundliches Gesicht des NS« und »demokratischer Freisler« nahm die Bundestagsfraktion der AfD Helferich 2021 nicht auf. Der Dortmunder ist bis heute fraktionsloser Bundestagsabgeordneter. Mittlerweile will der nordrhein-westfälische AfD-Landesverband ihn ganz loswerden. Ein Ausschlussverfahren läuft. Helferich wird vorgeworfen, Migrant*innen als »Viecher« herabgewürdigt zu haben. Außerdem soll er Parteifreund*innen bedroht haben. Helferich versteht den Ausschlussantrag als persönliche Kriegserklärung und agitiert deswegen seit Monaten gegen den NRW-Vorsitzenden der Partei Martin Vincentz. In Medienprojekten aus der Neuen Rechten trat Helferich in letzter Zeit vermehrt auf, auch zusammen mit Größen wie Götz Kubitschek. Ihr Ziel, Vincentz und die anderen »Gemäßigten« in der AfD als alberne Figuren darzustellen, denen es nicht um die Rettung Deutschlands gehe.

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Teil der Agitation gegen die innerparteilichen Gegner scheint es auch zu sein, mit Schmutz um sich zu werfen. Im Juni veröffentlichte Helferich auf seiner Homepage eine Entgegnung auf das Parteiausschlussverfahren. Ein Absatz darin führte auch zum Verfahren vor dem Oberlandesgericht Köln. In seinem Schreiben behauptete Helferich, der Vorstand der AfD-NRW kooperiere mit einem Rocker der Bandidos als Sicherheitsdienstleiter. Außerdem habe man sich den Neujahrsempfang mit Alice Weidel in Duisburg von Robert Nagels sponsern lassen, über den bekannt sei, dass er V-Mann war und »bereits früher im rechtsextremen Spektrum von geheimdienstlicher Seite eingesetzt« worden sei. Nagels hatte daraufhin geklagt, Helferich solle es unterlassen, zu behaupten, dass er V-Mann war.

Dr. Robert Nagels passen diese alten Geschichten nämlich überhaupt nicht. In den 1990ern war er bei den Republikanern aktiv, galt dort als Scharfmacher. Außerdem spielte er eine bedeutende Rolle beim in den 90er Jahren boomenden Rechtsrockgeschäft. 2009 berichtete das Fachportal »Endstation Rechts« über Nagels’ Rolle als Mann im Hintergrund oder »Phantom« im Rechtsrockgeschäft. Im Kölner Gerichtssaal warf Matthias Helferich Nagels vor, bis heute die Rechte an der Wortmarke »Ian Stuart« zu besitzen. Ian Suart Donaldson ist der verstorbene Sänger der Nazi-Band Skrewdriver und Gründer des in Deutschland verbotenen Netzwerks »Blood and Honour«. Um diese Vorwürfe ging es vor Gericht aber ebenso wenig wie um den Aufbau einer »Schutztruppe«, die Nagels für die Republikaner unter anderem bei der Solinger Kampfsportschule »Hak-Pao« rekrutiert haben soll. Die Kampfsportschule wurde von einem V-Mann des Verfassungsschutzes geführt. Täter des mörderischen Anschlags von Solingen 1993 gingen dort ein und aus. Das alles führt auch Matthias Helferich im Kölner Gerichtssaal aus.

Im Streit mit Robert Nagels hilft es ihm aber nicht viel. Der hat zugegeben, mit dem Verfassungsschutz in Kontakt gestanden zu haben, aber nur in seiner Zeit bei der Bundeswehr und an der Universität. Dort will er über Aktivitäten von Linken berichtet haben. Für eine geheimdienstliche Tätigkeit innerhalb und gegen die rechte Szene fehlt den Richter*innen des Oberlandesgerichts Köln der Beweis. Am Ende einigt man sich. Matthias Helferich verzichtet freiwillig aber rechtsverbindlich darauf, zu behaupten, dass Nagels als V-Mann gegen rechts eingesetzt wurde. Tut er es doch, wird es teuer für ihn.

Über die AfD, ihren Zustand und ihr Personal sagt der ganze Fall mehr aus, als der schnöde Vergleich, mit dem der Prozess zwischen Helferich und Nagels geendet hat. Matthias Helferich hat im Angesicht des Ausschlussverfahrens wenig zu verlieren. Er versucht seine politischen Gegner in der Partei zu diskreditieren. Ihnen die Zusammenarbeit mit neonazistischen Geheimdienstzuträgern vorzuwerfen, spielt Helferich dabei doppelt in die Karten. Erstens vermittelt er, dass die angeblich Gemäßigten und Seriösen in der AfD im Zweifel genauso wenig Abstand nach rechts halten wie er. Zweitens kann Helferich sich als aufrechter Nationalist präsentieren. V-Männer sind ihm zuwider. Statt Anschlägen wie in Solingen plant er millionenfache Remigration.

Über die AfD sagt der Vorgang, dass sie weiterhin nicht in der Lage ist, seriöses Personal zu rekrutieren. Der Duisburger AfD-Chef soll in den 1990ern in der neonazistischen FAP aktiv gewesen sein. Er selbst bestreitet dies. Gleichzeitig soll er den Kontakt zu Nagels forciert haben. Der AfD-Neujahrsempfang in diesem Jahr in Duisburg wurde von Nagels gesponsert, Hauptrednerin war Alice Weidel. Matthias Helferich hat Schmutz aufgewirbelt, der viele in der AfD dreckig machen kann. Die Episode vor dem Oberlandesgericht Köln wird sicher nicht die letzte gewesen sein. In der AfD wittern gerade viele Karrierechancen, aber die Plätze um wirklich Karriere zu machen sind begrenzt.

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