Der Preis des Friedens

Wolfgang Hübner über den Gefangenenaustausch mit Russland

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nahm auf dem Flughafen Köln/Bonn mehrere bei dem Gefangenenaustausch in Russland und Belarus freigelassene Personen in Empfang.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nahm auf dem Flughafen Köln/Bonn mehrere bei dem Gefangenenaustausch in Russland und Belarus freigelassene Personen in Empfang.

Mit der Vereinbarung für den groß angelegten Gefangenenaustausch zwischen Russland und westlichen Staaten muss man nicht glücklich sein. Auf der einen Seite stehen gerettete, meist unter Vorwand verurteilte Menschen, auch russische Oppositionelle, auf der anderen ein freigelassener Mörder. Das sagt etwas aus über die Intentionen ihrer Schutzpatrone. Deprimierend auch, dass Alexej Nawalny Teil des Deals hätte sein können, wenn er nicht im Straflager zu Tode gekommen wäre.

Aber es ging nicht um einen publizistischen Schönheitspreis. Eher ist der Vorgang ein Fall fürs Lehrbuch der Diplomaten. Es zeigt sich, dass zwischen verfeindeten Seiten, die viele Kontakte abgebrochen haben, immer noch Gesprächsmöglichkeiten bestehen. Das ist beschwerlich und langwierig, und zur B-Note trägt auch nicht bei, dass sich der türkische Potentat Erdoğan, kein Freund der ausgefeilten Demokratie, als Vermittler profilieren konnte. Aber immerhin, er hat geholfen, Türen von Staatskanzleien und Gefängnistore zu öffnen.

Das hat er schon bei den Getreideverhandlungen zwischen Russland und der Ukraine getan. Und warum soll im Großen nicht möglich sein, was im Kleinen gelungen ist? Bisher galten Verhandlungen zur Beendigung des Kriegs in der Ukraine bei einem Großteil der Politiker und Medien entweder gleich als Unsinn oder als zwar wünschenswert, aber unrealistisch. Diese Frage muss immer wieder neu aufgeworfen werden, zumal jetzt möglicherweise die ukrainische Führung beginnt, über eine diplomatische Lösung laut nachzudenken.

Man sollte sich bei der Suche nach einer diplomatischen Einigung auch nicht von der hässlichen Begleitmusik beeindrucken lassen, die etwa jemand wie Dmitiri Medwedjew anstimmt. Der Hardliner und Putin-Vertraute höhnte den aus Moskau und Minsk Freigelassenen hinterher, am besten wären sie hinter Gittern verrottet und gestorben, und selbst im Westen sollten sie sich gut tarnen und verstecken. Medwejew sagt, was Putin denkt. Und trotzdem bleibt unterm Strich: Mit solchen Leuten muss gesprochen werden, wenn der Krieg in der Ukraine nicht ewig weitergehen soll. Kann durchaus sein, dass der Frieden einen hohen Preis verlangt. Aber ist der Preis dieses Kriegs nicht schon jetzt viel zu hoch?

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