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Süßes Heim Alabama
Strandurlaub in Alabama: Stell deinen Campingstuhl ins Meer, um jede Bewegung darin auszuschließen
Howdy aus dem deepen Süden, liebe Leser*innen, heute melde ich mich aus dem Urlaub in Alabama. Der amerikanische Strandurlaub ist, wie ich schon berichtete, etwas anders als der europäische. Dass er kürzer und teurer ist, damit haben wir uns längst arrangiert. Aber andere Details bleiben weiterhin gewöhnungsbedürftig: Während die meisten Europäer mit ein paar Gegenständen wie Handtüchern und Sonnencreme am Strand auskommen, sind die Amis (wohl aus Gewohnheit) bewaffnet bis an die Zähne mit Zelten, Klappstühlen mit Becherhaltern, Kühltruhen und Coozies.
Letzteres sind Stoffhüllen für Drinks – entweder um die Hand vor der Kälte zu schützen, die vom mitgeschleppten Cooler erzeugt worden ist, oder um die Identität des Alkohols zu verschleiern, den man in diesem Land bekanntlich nicht in der Öffentlichkeit konsumieren darf. Diese Vorsichtsmaßnahme wird aber von Frauen mittleren Alters unterwandert, die Yetis und Stanleys (also riesengroße und sauteure Alu-Trinkflaschen) mit sich führen, auf die sie »Might be water, might be wine« oder »Jesus Juice« haben schreiben lassen. Mutti lebt eben gern gefährlich.
News aus Fernwest: Jana Talke lebt in Texas und schreibt über amerikanische und amerikanisierte Lebensart.
Doch zurück zum Schleppen! Zelte, Klappstühle, Cooler und Coozies ... Dazu kommen noch: aufblasbare Schwimmhilfen, Sport- und Tauchgeräte, Ventilatoren, Lautsprecher für die Countrymucke und – Angelausrüstung! Ich verstehe wirklich nicht, wozu man am flachen Strand, wo kleine Kiddies ins Wasser pinkeln, irgendetwas fischen muss.
Und das mit dem Schwimmen und den Amerikanern ist ein noch mysteriöseres Phänomen. Seit jeher sind sie von Pools umgeben, viele Kleininder besuchen jahrelang den Schwimmunterricht, und am Ende wird alles getan, um das Schwimmen zu boykottieren. Klein und Groß floatet mit Schutzwesten oder auf Matratzen, Krokodilen und Flamingos im Meer, einige stellen gar ihren Campingstuhl ins Wasser, um jegliche Bewegung darin auszuschließen.
Wer keine Lust hat, den ganzen Strandkram in einem (oder bei Großfamilien mehreren) Bollerwagen über den Sand zu ziehen, der parkt sein Auto gleich am Strand (und bleibt nicht selten stecken). Zum Glück sind am Orange Beach, wo wir gerade urlauben, keine Autos erlaubt. Aber Gen Z ist ohnehin zu faul zum Schleppen: Unsere jungen Nachbarn hängen lieber den ganzen Tag am kleinen Gemeinschaftspool herum, als die paar Meter zum Strand zu gehen. Floaten tun sie freilich auch in chlorierten Gewässern.
Apropos Nachbarn: Wir haben ein Airbnb gebucht – mit Kind und Hund ist das komfortabler als ein Hotel. Das gemietete Häuschen ist auch sehr schön, aber es gilt: Check-in erst ab 16 Uhr und Check-out schon um 10 Uhr! Ich weiß nicht, wie viel Jesus Juice bei den Eigentümern im Spiel war, als sie diese Entscheidung getroffen haben, aber solche Regeln sollten genauso unter Strafe gestellt werden wie der Alkohol in der Öffentlichkeit.
Nun mag es Sie überraschen, dass ich nicht nur zum Lästern hier bin – ich wollte eigentlich mehr vom Süden der USA sehen! Gemäß Beyoncés Lied »Formation« sind wir diesen Sommer alles abgefahren – Texas, Louisiana und Alabama (und ansatzweise auch Mississippi). Und merkten schnell, dass das Leben in Texas uns gar nicht auf den »Deep South« vorbereitet hat. So sahen wir in unserem Hotel in New Orleans, Louisiana eine riesige Freimaurer-Convention. Die Mitglieder des einstigen Geheimbundes waren von Kopf bis Fuß mit Freimaurer-Merch eingedeckt. Ein Mann trug gar eine blingige Goldkette mit strassbesetzem Zirkel und Winkel, als wäre auch er in einem Beyoncé-Video. War da nicht mal was mit Verschwiegenheit? Aber der Auftritt passte gut zum schillernden New Orleans.
In Mississippi und Alabama sind alle Kassierer so langsam, dass man sich vorkommt wie bei Flash, dem Faultier aus »Zoomania.« Dagegen ist Texas richtig effizient. Immerhin sind die hiesigen Landschaften schöner.
Die koloniale Geschichte und die Spuren der Sklaverei sind im »Deep South« viel präsenter als daheim (als Texas den USA beitrat, waren es nur ein paar Jahre bis zum Bürgerkrieg). Die ethnische Vielfalt der Einwohner hat Louisiana mit seinen pikanten Fischeintöpfen und frittierten Meeresfrüchten eine viel bessere Küche beschert als Texas. Alabama hat dafür einen Bourbon-Kuchen mit Pekannüssen. Daher ist der Ausdruck »Sweet Home Alabama« doch angebracht. Ich komme wieder!
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