Friedensstatue: Arbeit mit »Ari« gecancelt

Wegner und die japanische Botschaft stehen unter Verdacht, die Förderung für ein Bildungsprojekt verhindert zu haben

Nachbarschaft und Aktive sammeln Unterschriften zum Erhalt der Friedensstatue »Ari«.
Nachbarschaft und Aktive sammeln Unterschriften zum Erhalt der Friedensstatue »Ari«.

Greift die japanische Regierung in die Förderung für ein Berliner Bildungsprojekt ein? Seit mehreren Jahren erhielt das Projekt »Setz dich neben mich«, das mit der »Friedensstatue« in Moabit arbeitet, eine Förderung vom Berliner Projektfonds Kulturelle Bildung. Vor wenigen Monaten wurde eine weitere Förderung des Projekts abgelehnt. Eine anonyme Quelle sagt »nd«, dass die japanische Botschaft und der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) die Förderung für das Projekt verhindert haben sollen.

Die »Friedensstatue«, die »Ari« genannt wird, wurde 2020 von Aktivist*innen errichtet. Sie erinnert an koreanische und andere ostasiatische Frauen und Mädchen, die während des Zweiten Weltkriegs in Kriegsbordellen vom japanischen Militär vergewaltigt wurden. Damit ermöglicht sie auch eine öffentliche Auseinandersetzung mit sexualisierter Gewalt im Krieg.

Das Projekt »Setz dich neben mich« des Korea-Verbandes arbeitet seit 2021 mit der Friedensstatue. Es soll Jugendliche ab 14 Jahren für das Thema sexualisierte Gewalt sensibilisieren. Die Vorsitzende des Korea-Verbands Nataly Jung-Hwa Han sagt »nd«, das Projekt empowere Mädchen und bringe Jungen dazu, »über den Zusammenhang patriarchaler Machtstruktur« zu refelektieren.

In den diesjährigen Sommerferien hätte das aus staatlichen Mitteln des Berliner Projektfonds für Kulturelle Bildung finanzierte Projekt wieder stattfinden sollen. Doch trotz mehrmaliger Förderung in den vergangenen Jahren wurde diese nicht mehr bewilligt. An der Entscheidung beteiligt waren zum einen eine Jury und des Weiteren ein Beirat. In der Jury sitzen Künstler*innen, im Beirat Kultur- und Bildungsschaffende sowie die Staatssekretär*innen für Bildung, Kultur und Jugend. »Setz dich neben mich« hätte laut Han in acht Berliner Bezirken stattfinden und mit 87 000 Euro gefördert werden sollen. Die Jury soll für das Projekt gestimmt haben, der Beirat ebenfalls mit absoluter Mehrheit, jedoch nicht mit der notwendigen Zweidrittel-Mehrheit, heißt es aus anonymer Quelle.

Wenige Wochen vor der maßgeblichen Sitzung zur Förderungsentscheidung sei ein Beiratsmitglied vom Sekretariat des Kulturattachés der japanischen Botschaft eingeladen worden. In einem »teuren Restaurant« am Potsdamer Platz traf man sich. Laut Quelle sei so eine Art Treffen nichts Ungewöhnliches. Jedoch sei dem Beiratsmitglied am Ende des Essens nahegelegt worden, das Projekt »Setz dich neben mich« nicht zu fördern.

»Ich halte die Geschichte für plausibel.«

Ingrid Bertermann (Linke)
Bezirksverordnete Mitte

Die Person, mit der »nd« sprechen konnte, ist seit Jahren Mitglied im Beirat des Projektfonds. Dass der Beirat sich gegen eine Förderung ausspreche, obwohl die Jury für ein Projekt stimmt, sei schon mal vorgekommen. Die Person habe jedoch noch nie erlebt, dass der Bürgermeister in den Entscheidungsprozess des Gremiums eingreift: Ein Staatssekretär soll in der Beiratssitzung angeregt haben, das Projekt abzulehnen, da Wegner ihn kurz zuvor am Telefon darum gebeten habe. Der Senat teilt »nd« mit, dass im Gremium »getroffene Entscheidungen nicht kommentiert oder bewertet« würden.

Die japanische Botschaft teilt »nd« auf Anfrage mit, man werde das Engagement seiner Regierung nicht im Einzelnen darlegen. »Vielmehr werden wir unsere Bemühungen fortsetzen, um eine faire Bewertung der Auffassung und des Engagements Japans zu erreichen«, so die Botschaft. Die Statue werde genutzt, um ein »einseitiges Narrativ« zu verbreiten.

Die Statue ist laut Angaben des Bezirksamts gegenüber »nd« lediglich geduldet und soll am 28. September abgebaut werden. Die japanische Regierung hat das Denkmal von Anfang an kritisiert. Nach einem Besuch in Berlins Partnerstadt Tokio kündigte Wegner am 16. Mai an, die Friedensstatue »verändern« zu wollen.

Bereits am 3. August berichtete der RBB über die Einflussnahme durch die japanische Regierung und den Berliner Bürgermeister. Die frauenpolitische Sprecherin der Linksfraktion in der Bezirksverordnetenversammlung Mitte (BVV) Ingrid Bertermann hält die Einflussnahme für »plausibel«. Die gesamte BVV sei bereits 2020 von der japanischen Botschaft eingeladen worden, um über die Friedensstatue zu sprechen. Bertermann spricht sich für eine Förderung von »Setz dich neben mich« aus. Sie habe sich lange mit der Geschichte der »Trostfrauen« beschäftigt. Ein Lehrer aus Neukölln habe ihr bereits berichtet, wie begeistert Jugendliche auf das Projekt reagierten. Sollte es stimmen, dass Wegner politisch Einfluss auf den Beirat genommen habe, um eine Förderung des Projekts zu unterbinden, sei das mehr als »unangemessen«.

Korea-Verbandsvorsitzende Han findet es »beschämend«, welchen Einfluss die japanische Regierung auf das Jugendprojekt nehme. »Noch beschämender und enttäuschender«, dass deutsche Politiker*innen mitmachen.

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