Flugplatz Johannisthal: Dem Baulöwen zum Fraß

Weil ihm der Denkmalschutz zu teuer ist, will der Investor Bauwert eine geschichtsträchtige Halle im Osten der Hauptstadt abreißen

Viel Geschichte, keine Zukunft: Die altehrwürdige Halle 4 am Flugplatz Johannisthal
Viel Geschichte, keine Zukunft: Die altehrwürdige Halle 4 am Flugplatz Johannisthal

Sie ist 140 Meter lang, 30 Meter breit und hoch wie ein viergeschossiges Wohnhaus. Nicht nur die Raumwirkung der Halle 4 ist beeindruckend, sie ist auch ein Zeugnis der bewegten Geschichte des ehemaligen Flugplatzes Johannisthal. 1909 eröffnet als Motorflugplatz, wurde auf dem Areal rund ein Viertel aller im Ersten Weltkrieg von Deutschland eingesetzten Flugzeuge produziert. In der Weimarer Republik wurden hier Autos hergestellt, und zu DDR-Zeiten hatte der VEB Kühlautomat hier seinen Sitz. Doch nun soll eines der letzten erhaltenen Zeugnisse aus der ereignisreichen Industriegeschichte des Ortes verschwinden, für das neue »Areal Müller Erben«.

Der Projektentwickler Bauwert AG bestätigte der Presse am Montag, dass die Vorbereitungen für den Abriss der Halle bereits begonnen haben. »Wir werden nicht 30 oder 31 Millionen ohne Grundstückskosten in eine Halle investieren, um dann noch on top für 5500 Quadratmeter eine Pönale zu erhalten«, begründet Vorstandschef Jürgen Leibfried den Schritt. Bei einer Pönale handelt es sich um eine bei Nichterfüllung vertraglicher Abmachungen fällige Strafzahlung.

Das Land Berlin stelle mit Verweis auf die Haushaltslage kein Geld für die denkmalgerechte Sanierung der maroden Halle zur Verfügung, so Leibfried. Werde die Halle erhalten, könnten statt der im Bebauungsplan vorgesehenen 8100 Quadratmeter Geschossfläche auf der Grundfläche des Gebäudes nur 2700 Quadratmeter realisiert werden. Weil den Bauverpflichtungen im B-Plan nicht nachgekommen worden sei, zögen die fehlenden Quadratmeter ebenjene Pönale nach sich, heißt es von der Bauwert AG. Ganz abgesehen von der reduzierten Rendite bei weniger Geschossfläche.

»Es muss uns alle nachdenklich machen, dass Bausubstanz, die den Zweiten Weltkrieg überstanden hat, nun den Baulöwen zum Opfer fällt«, sagt Katalin Gennburg zu »nd«. Sie ist stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus.

Ein Gutachten ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die Halle 4 nicht nur ein Zeugnis maßgeblicher Fluggeschichte ist, sondern mit dem Einbau des Mittelschiffs durch den VEB Kühlanlagen 1950 auch eines der deutschen Industriegeschichte. Die Machbarkeitsstudie besagt, dass eine Variante umsetzbar ist, die auf die historische Bausubstanz eingeht.

Ende 2022 hatte das Parlament begleitend zum Beschluss des Bebauungsplans »Müller Erben« am Segelfliegerdamm festgelegt, dass es eine Variante für Halle 4 bevorzuge, die dem Denkmal gerecht wird und möglichst die Proportionen von Mittel- und Seitenschiff sowie die bisherige Kubatur erhält. Dem vorausgegangen war ein monatelanger Kampf der Fraktionen der Linken und Grünen für mehr Denkmalschutz und Sozialwohnungen. Zwar soll ein Viertel der 1800 geplanten Wohneinheiten gefördert werden, letztlich werden diese aber nur zwölf Prozent der gesamten Wohnfläche ausmachen.

»Die Senatsverwaltung wirft solchen Entwicklern die Stadt hinterher.«

Katalin Gennburg (Linke)
Stadtentwicklungsexpertin

Nun seien Senatsbauverwaltung und Investor »offensichtlich übereingekommen, vom Beschluss des Abgeordnetenhauses abzurücken«, sagt Katalin Gennburg in Bezug auf den Denkmalschutz. Die Stadtentwicklungsverwaltung widerspricht auf nd-Anfrage Gennburgs Einschätzung und legt die Schritte dar, die in den vergangenen anderthalb Jahren abgehakt wurden. »Damit sind alle Punkte, die in der Protokollnotiz verzeichnet waren, erfüllt. Dies haben wir dem Abgeordnetenhaus am Ende der letzten Woche mitgeteilt«, erklärt Verwaltungssprecher Martin Pallgen.

Auch die Bauwert AG berichtet von eigenen Prüfungen. »Wir haben ausführlich über ein Gutachten ermittelt, was es kosten würde, die Halle 100 Prozent denkmalgerecht wiederherzurichten«, sagt deren Chef Jürgen Leibfried. Rund 700 000 Euro hätten die Untersuchungen und die 18-monatige Bauverzögerung gekostet. Das alles habe man unternommen, obwohl es bereits bei Kauf des Grundstücks eine Abrissgenehmigung sowohl vom Denkmalamt als auch vom Bezirk Treptow-Köpenick gegeben habe. »Wir haben wirklich intensiv alles versucht«, sagt er.

»Der Investor wird mit der Projektentwicklung auskömmlich Rendite machen«, sagt Katalin Gennburg. Die Bauverwaltung solle auf den Erhalt der denkmalgeschützten Halle zu drängen. Im Geschäftsjahr 2023 wies die Bauwert AG einen Gewinn von knapp 30 Millionen Euro aus.

Solche Aussagen bezeichnet Jürgen Leibfried als »frivol«. Man habe »überhaupt noch keinen einzigen Gewinn gemacht. Wir sind diejenigen, die mit 70 Millionen an Eigenmitteln plus Bankfinanzierung versuchen, das ganze Projekt zu stemmen«, sagt er. Man hoffe, »vielleicht 2028 oder 2029 einen Überschuss« zu erwirtschaften.

Noch gibt es laut Bauwert AG ein etwa zweiwöchiges Zeitfenster, in dem noch Lösungen für einen Teilerhalt der Halle 4 möglich wären. Dabei könnten die Front Richtung Segelfliegerdamm, ein Stück aus drei Segmenten am anderen Ende sowie die Stützen in ein neues Gebäude integriert werden. Das Unternehmen würde das aber nur umsetzen, wenn das Landesdenkmalamt diese Reste als denkmalwürdig einstuft. Dann könnte der Bezirk dem Investor gestatten, andere Gebäude aufzustocken, um die wegfallende Geschossfläche im Bereich der Halle zu kompensieren.

Das Grundproblem für den Denkmalschutz ist laut Bauwert die Genese des Bebauungsplans. Die Stadtentwicklungsverwaltung habe quasi im Nachgang festgelegt: »Okay, lasst uns versuchen, diese Halle zu erhalten.« So die Kritik des kaufmännischen Projektleiters Korbinian Wenzl.

»Die Senatsverwaltung wirft solchen Entwicklern die Stadt hinterher«, entgegnet die Linke-Politikerin Gennburg. »Private Projektentwickler achten weder Stadtbaugeschichte, noch sorgen sie für ausreichend Sozialwohnungen.«

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