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Kein Fairplay im Sportartikelgeschäft
Weltweit macht die Branche gute Gewinne – sie profitiert dabei nicht nur von Olympia
Sithyneth Ry aus Kambodscha nutzte kürzlich die Hauptversammlung von Adidas in der Stadthalle Fürth für eine bittere Botschaft: Der Gewerkschafter berichtete den Aktionären, wie Zulieferbetriebe des deutschen Sportartikelkonzerns zu Beginn der Corona-Pandemie Beschäftigte in seinem Heimatland entlassen hätten – unrechtmäßig. Ohne Einkommen konnten Aberhunderte Beschäftigte ihre Familien nicht mehr richtig ernähren, blieben die Mieten schuldig, und notgedrungen verschuldeten sie sich. Ry fordert: »Die Textilarbeiter*innen in meinem Land müssen endlich die ihnen zustehende Abfindung erhalten, um die sie bisher betrogen worden sind.«
Solche Botschaften sind schlecht für das Image. Sie erzielen allerdings nicht die mediale Reichweite wie etwa das Marketing-Desaster mit dem weltbekannten Rapper Kanye West. Der sorgte mit antisemitischen Äußerungen für Aufsehen. Erst nach langem Zögern beendete Adidas die Zusammenarbeit mit dem US-amerikanischen Musiker.
»Fairplay sollte nicht nur im Sport, sondern auch in der Textilindustrie gelten.«
Sithyneth Ry
Kambodschanischer Gewerkschafter
Dagegen läuft es geschäftlich für Adidas wieder rund. Das Unternehmen war 1949 von dem legendären wie umstrittenen Adolf »Adi« Dassler in Herzogenaurach gegründet worden. Zuletzt hatte dessen Vorstand aber einige Modetrends verpasst. Der neue norwegische Vorstandschef Björn Gulden sprach nun anlässlich der Vorlage der Halbjahresbilanz Ende Juli von einem »starken zweiten Quartal«. Dazu trug das Sportjahr 2024 mit Olympischen Spielen, Fußball-Europameisterschaft und der Copa América bei: mehr Verkäufe, weniger Rabatte, niedrigere Kosten. Der währungsbereinigte Umsatz stieg weltweit um sportliche 11 Prozent. Mit seinen Erfolgsmeldungen steht Adidas – global nach dem US-amerikanischen Sportartikelhersteller Nike die Nummer zwei – nicht alleine da.
Das Geschäft mit Produkten dieser Art hat in den letzten Jahren rasant zugelegt. Auf der Nachfrageseite sind es vor allem die Märkte in der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten, die das Spielfeld dominieren. Viele Verbraucher dort haben ihre Ausgaben erhöht, viele Käufer sind neu hinzugekommen. Während früher rebellische Jugendliche mit Jeans und »Turnschuhen« ihre Eltern provozierten, gehören heute Sportartikel zum Alltag von Jung und Alt. Der Jugend- und Gesundheitskult hat, oberflächlich betrachtet, gewonnen. Ob im Büro, im Restaurant oder beim Spaziergang – sogenannte Sportartikel sind allgegenwärtig. »Fit for Fun« (deutsch etwa: Spaß am Sport) scheint das allgegenwärtige Motto der westlichen Konsumgesellschaft zu sein.
Aber auch Fitness-Fanatiker und aufstrebende Olympioniken geben mehr Geld aus, schreibt die Welthandelsorganisation WTO in einer Studie, die anlässlich der Olympischen Spiele in Paris veröffentlicht wurde. »In den letzten drei Jahrzehnten hat der Weltmarkt für Sportartikel ein bemerkenswertes Wachstum verzeichnet.« Im Zeitraum von 1996 bis 2022 stiegen die jährlichen Exporte von 15 Milliarden auf fast 64 Milliarden US-Dollar (rund 60 Milliarden Euro). »Dieser signifikante Anstieg spiegelt den globalen Trend des zunehmenden Handels wider«, schreiben die WTO-Volkswirte. Rund drei Viertel der Exporte flossen nach Europa und in die USA.
Bemerkenswert, dass der Import-Boom sich wenig um die international vergleichsweise hohen Zollschranken scherte. In den USA betragen die durchschnittlichen Zollsätze für Sportartikel sogar 20 Prozent, in der EU sind es 10 Prozent. Zu verlockend sind für die Sportartikelkonzerne offenbar die Minilöhne und die löchrigen gesetzlichen Regulierungen im Globalen Süden.
Davon profitierten anderseits zwei Länder besonders: China stieg in den vergangenen drei Jahrzehnten zum führenden Exporteur auf. Für 27,7 Milliarden Dollar exportierte die Volksrepublik allein im Jahr 2022 Sportartikel. Fußbälle, Badeanzüge und Wanderschuhe kommen aber in jüngerer Zeit auch oft aus dem, gemessen an der Bevölkerung, viel kleineren Vietnam. Für 12,7 Milliarden Dollar wurden von dort die entsprechenden Produkte ausgeführt. Mit weitem Abstand folgt in der Exporthitliste dann Indonesien (4 Milliarden Dollar).
Auch der geschwinde Aufstieg Vietnams spiegelt eine allgemeine Entwicklung der Globalisierung wider. Wenn einst arme Länder ein mittleres Pro-Kopf-Einkommen erreicht haben, tappen sie in eine Kostenfalle. Staaten wie China können dann nicht mehr mit Niedriglohnländern wie Vietnam und deren billiger Massenfertigung mithalten. Sie verlieren daher im Wettrennen um die Aufträge von Adidas, Puma und den führenden US-Konzernen nach und nach an Boden.
»Fairplay sollte nicht nur im Sport, sondern auch in der Textilindustrie gelten«, fordert der kambodschanische Gewerkschafter Sithyneth Ry. Unterstützt wird er vom Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre (DKAA) in Köln: Adidas müsse seine Richtlinien zur Einhaltung grundlegender Arbeitsrechte in der Realität umsetzen. Der neue Slogan laute zwar »You got this« (Du schaffst das), doch tatsächlich hinke der Konzern bei fairen Lieferketten hinterher. Die Kritiker haben die Kampagne #PayYourWorkers gestartet, um Adidas und andere große Markenkonzerne zu bewegen, einen Garantiefonds für Abfindungszahlungen an entlassene Beschäftigte einzurichten.
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