Berliner Verwaltungsreform: Wegners großer Wurf

Linke-Fraktion unterstützt Verwaltungsreform des schwarz-roten Senats

Chef der Verwaltungsreform, Chef von Berlin: Der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU)
Chef der Verwaltungsreform, Chef von Berlin: Der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU)

Inszenierung kann Berlins Regierender Bürgermeister. Und das Vorhaben Verwaltungsreform kann davon eine gute Portion vertragen. Bürokratie und interne Strukturen sind nichts, was die Wähler*innen aus dem Sessel reißt. Und es dürfte wohl kaum ein Thema geben, bei dem die Berliner*innen misstrauischer sind, ob bei aller politischen Initiative am Ende auch wirklich merkliche Verbesserungen stehen.

Kai Wegner (CDU) braucht also breite politische Rückendeckung und eine entsprechende Ansprache der Bevölkerung, damit sich die Berliner*innen bei der nächsten Wahl hoffentlich an das von der Senatskanzlei aus gesteuerte Projekt erinnern. Vielleicht hatte Wegner dies im Sinn, als er die Verwaltungsreform zur Chefsache erklärte. Im Koalitionsvertrag steht sie an erster Stelle. Zu Treffen sind alle Senatsverwaltungen, Bezirksbürgermeister*innen und die Opposition geladen. Am Ende soll wohl auch die Landesverfassung angefasst werden.

Die Verwaltung soll wieder funktionieren und die Hauptstadt soll das spüren – oder wie es blumig im Koalitionsvertrag heißt: »Wir entwickeln Verwaltungssitze in die Kieze und Einkaufsstraßen hinein.« Vor allem sollen Aufgaben und Abläufe zwischen den Senatsverwaltungen und den Bezirken klar geregelt werden. Dabei sind offenbar grundlegende Punkte bisher unbekannt. So sind die Senatsverwaltungen und Bezirke dazu angehalten, bis Oktober ihre bestehenden Aufgaben in einem Zuständigkeitskatalog zusammenfassen – wohlgemerkt: Der Ist-Zustand wird hier erhoben. Die Aufgaben sollen in einem weiteren Schritt evaluiert und dieser Prozess dann als ständiger Vorgang innerhalb der Verwaltung fortgeschrieben werden.

»Ich bin mir sicher, dass wir über mehr Ressourcen – vor allem Personal und damit Geld – für die Verwaltung werden reden müssen.«

Hendrikje Klein (Linke)

»Die organisierte Unzuständigkeit hat Berlin lange genug gelähmt«, beurteilt Sebastian Stietzel, Chef der Industrie- und Handelskammer Berlin, die Lage. »Bürgerinnen und Bürger werden von Pontius zu Pilatus geschickt, um simpelste Verwaltungsanliegen zu erledigen.« Bis das gesamte Reformvorhaben umgesetzt ist, werden aber noch Jahre vergehen. Das geht aus der aktuellen Beschlusslage von Senat und Bezirken hervor. Darin heißt es: »Die Voraussetzungen für diese Neuordnung und -bündelung sollen bis zum Ende der Legislaturperiode geschaffen werden, sodass mit der nächsten Legislaturperiode eine entsprechende Umsetzung erfolgen kann.«

»Spätestens wenn wir über die Finanzbeziehungen zwischen Senat und Bezirken reden, brauchen wir eine Änderung der Landesverfassung«, hatte Wegner erklärt. Verfassungsändernden Gesetzesanträgen müssen zwei Drittel der Abgeordneten zustimmen, deshalb sitzen bei den Arbeitstreffen auch Vertreter*innen der Oppositionsparteien Grüne und Linke mit am Tisch. Nachdem sich zuletzt Grünen-Fraktionschef Werner Graf zufrieden mit dem Fortschritt der Reform gezeigt hatte, erklärt nun auch Die Linke ihre weitgehende Zustimmung.

»Ich teile die Ansicht, dass die Verwaltungsreform bisher auf einem guten Weg ist«, sagt Hendrikje Klein, Linke-Fraktionssprecherin für Verwaltung, zu »nd«. Klein verweist jedoch darauf, dass der Mammutanteil noch bevorstehe und dass es allein bei einer Neuregelung nicht bleiben werde. Dass beispielsweise die Hauptverwaltung auf Landesebene nur eingeschränkt arbeite, sei keine Frage der ungeklärten Zuständigkeiten, sondern des Geldes, sagt Klein. »Ich bin mir sicher, dass wir über mehr Ressourcen – vor allem Personal und damit Geld – für die Verwaltung werden reden müssen.« Daran schließe sich automatisch die Frage an, welche Aufgaben man finanzieren will und woher man das Geld bei den beschränkten Haushaltsmöglichkeiten nimmt.

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Wichtig sei, so Klein zu »nd«, dass wie vom Senat angedacht verschiedene Maßnahmen ineinandergreifen. Dazu gehöre, dass den Bezirken anders als bisher für konkrete Aufgaben nicht nur die Verantwortung, sondern auch die entsprechenden Mittel zugewiesen werden. In den Flächenbundesländern sei das Normalität. Und mit Blick auf den Görlitzer Park sagt Klein: »Die Bezirke müssen die Möglichkeit bekommen, gegen eingreifende Maßnahmen des Senats zu klagen

Auch Clara Herrmann (Grüne), Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, zeigt sich gegenüber »nd« überzeugt davon, dass Senat und Bezirke die Reform gemeinsam realisieren: »Ich bin optimistisch, dass wir auch weiterhin gut vorankommen werden.« Beunruhigt ist Herrmann jedoch angesichts jüngster Signale aus dem Senat. So greife das »Schneller-Bauen-Gesetz« massiv in die Zuständigkeiten der Bezirke ein und schaffe bürokratische Doppelstrukturen. Herrmann hebt die Bedeutung der Bezirksämter für die Verwaltung hervor: »Mit dem, was sie täglich für die Bürger*innen der Stadt leisten, prägen sie das Gesicht Berlins.« Sie fordert daher eine entsprechende Ausstattung – personell wie finanziell.

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