- Kommentare
- Rasterfahndung mit Lichtbildern
Faesers Pläne bringen neue Massenüberwachung
Matthias Monroy kritisiert Technologien zur Gesichtserkennung bei der Polizei
Bislang darf die Polizei in Deutschland Gesichtserkennungstechnologien nur »historisch« nutzen. Fotos mit unbekannten Personen werden dazu mit einer riesigen Lichtbilddatei von bereits bekannten Verdächtigen sowie Asylsuchenden abgeglichen. Der Einsatz »live« ist den Behörden nicht erlaubt – jedenfalls auf Bundesebene.
Bei den Länderpolizeien bröckelt diese Firewall längst, wie eine Recherche des »nd« zeigen konnte: In der Oberlausitz hat die Polizei an der Grenze zu Polen hochauflösende Kameras aufgestellt, um Gesichter zu fotografieren. Diese würden ebenfalls nur »historisch« genutzt, also nachträglich von Polizeibeamten mit bereits vorliegenden Bildern verglichen, hieß es von der sächsischen Polizei. Mindestens für Berlin, das diese Anlage mitnutzen darf, scheint dies aber nicht zu stimmen, wie die dortige Staatsanwaltschaft dem »nd« bestätigte.
Die von Nancy Faeser angekündigte Gesetzesänderung zur Suche mithilfe von Lichtbildern im Internet wird nun eine weitere gewichtige Hürde zum Einsatz von Gesichtserkennung schleifen. Zwar heißt es, ein Echtzeit-Einsatz »in der Öffentlichkeit« sei nicht vorgesehen. Doch was sind das Internet und Soziale Medien anderes, wenn nicht Öffentlichkeit?
Wenn sich die Polizei mit Bildern bestimmter Personen auf die Lauer legt und wartet, bis neue von ihnen gepostet werden oder in Videos auftauchen, um die Betroffenen anschließend zu verfolgen, handelt es sich trotz einer Verzögerung von wenigen Sekunden de facto um einen Echtzeit-Einsatz. Wegen des erheblichen Eingriffs in die Privatsphäre aller Bürger darf dies aber nur mit deren ausdrücklicher Zustimmung erfolgen, so regelt es jedenfalls die Datenschutz-Grundverordnung.
Die geplante polizeiliche Nutzung von Gesichtserkennung im Internet ist außerdem eine Rasterfahndung und damit eine neue Massenüberwachung. Denn es wird dort die gesamte digitale Öffentlichkeit nach bestimmten Bildern gescannt – mit einer Software übrigens, die mitunter falsche Treffer liefert. Das hat nicht nur für die Betroffenen schwerwiegende Folgen, sondern auch für das Sicherheitsgefühl aller Nutzer im Internet. Diese werden sich zukünftig auch vom Staat stärker verfolgt fühlen und ihre Profile in Sozialen Medien vielleicht lieber auf »privat« stellen. Das ist keine Paranoia sondern Grund genug, die neuen Faeser-Pläne zum Einsatz von Gesichtserkennungstechnologien abzulehnen.
Wir behalten den Überblick!
Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!