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Baufirma vor Gericht: Scheinrechnungen und Schwarzarbeit

Erneut steht ein Berliner Unternehmen wegen irregulärer Beschäftigung vor Gericht

Auch bei der Neuerrichtung von Büroflächen innerhalb des Gasometers in Schöneberg soll die beklagte Baufirma mitgewirkt haben.
Auch bei der Neuerrichtung von Büroflächen innerhalb des Gasometers in Schöneberg soll die beklagte Baufirma mitgewirkt haben.

Es geht um prestigeträchtige Großbauprojekte rund um den Hauptbahnhof: den MK9-Cube am Washingtonplatz und die neue Firmenzentrale der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG AG in der Heidestraße. Auch bei der Neuerrichtung von Büroflächen innerhalb des Gasometers in Schöneberg soll die Munir Music Bau GmbH beteiligt gewesen sein. Auch für die landeseigenen Wohnungsunternehmen hat die Firma im Millionenbereich gebaut. Vor dem Berliner Landgericht muss sich nun seit Dienstag der alleinige Geschäftsführer und Gesellschafter des Unternehmens verantworten. Er zeigt sich bereits am ersten Verhandlungstag umfassend geständig und zeichnet ein wenig schmeichelhaftes Bild seiner Branche.

Laut Staatsanwaltschaft soll die Munir Music durch ein Verschleierungskonstrukt Sozialabgaben und Steuern einbehalten haben. Die Beschäftigten hätte die Baufirma teilweise oder gänzlich unangemeldet arbeiten lassen. Der Tatvorwurf lautet: Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt sowie Steuerhinterziehung. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die Munir Music zu dem Zweck betrieben wurde, Abgaben zu unterschlagen. Von 2016 bis 2020 soll die Munir Music einen Umsatz von 34 Millionen Euro erwirtschaftet haben. Die Schadenshöhe gibt die Staatsanwaltschaft mit 15 Millionen Euro an.

Der Firmeninhaber räumt die Tatvorwürfe zu weiten Teilen ein. Er sei als Nachunternehmer für zahlreiche namhafte Bauunternehmen tätig gewesen. Auf der Homepage ist das Portfolio weiterhin einzusehen. Dort tauchen Branchengrößen wie Strabag, Züblin und Wolff & Müller auf. »Ich habe der Allgemeinheit einen schwerwiegenden Schaden zugefügt und bedauere mein Fehlverhalten«, sagt der Geschäftsführer am Dienstag. Er werde sich vollumfänglich stellen.

So bestätigt der Bauunternehmer dann auch das Geschäftsmodell, das die Staatsanwaltschaft in ihrer Anklage skizziert: »Die Mitarbeiter haben das, was man Schwarzarbeit nennt, geleistet«, sagt er. Um auffällig hohe Gewinne zu verschleiern, habe der Staatsanwaltschaft zufolge die Munir Music Scheinrechnungen ohne Leistungsgegenstand bei sogenannten Servicegesellschaften gekauft. Die allein für diesen Zweck betriebenen Servicegesellschaften hätten das von der Munir Music überwiesene Geld bar zurückgezahlt und einen Provisionsanteil von bis zu zehn Prozent einbehalten. Das Bargeld sei dann als Nettolohn an die Beschäftigten weitergegeben worden.

Die bis zu 120 Beschäftigten haben laut Aussage des Angeklagten mindestens 15 Euro netto pro Stunde erhalten. Da gewöhnlich wochentags von 7 bis 18 Uhr und samstags von 7.30 bis 12.30 Uhr gearbeitet worden sei, seien die Beschäftigten bei einer 55-Stunden-Woche mit 3500 Euro netto nach Hause gegangen. Einige hätten sogar noch mehr verdient.

»Ich will meine Taten nicht relativieren, aber ich habe nie etwas anderes kennengelernt.«

Geschäftsführer Munir Music Bau GmbH

In einem Punkt widerspricht der Geschäftsführer der Anklage. Ihm wird vorgeworfen, 2,1 Millionen Euro des Gewinns für sich verwendet zu haben. Er habe zwar gut verdient, sich jedoch lediglich ein Bruttomonatsgehalt von 10 500 Euro gezahlt und eine jährliche bis zu 30 000 Euro hohe Gewinnausschüttung, so der Geschäftsführer.

Überhaupt stellt der Angeklagte infrage, dass sein Geschäftsmodell auf einen persönlichen Vorteil ausgelegt war. Er kenne die Baubranche mittlerweile seit 30 Jahren. »Ich will meine Taten nicht relativieren, aber ich habe nie etwas anderes kennengelernt«, sagt er. Unternehmen in der Größenordnung der Munir Music seien ohne den Einsatz von Schwarzarbeit auf Dauer nicht konkurrenzfähig. Insbesondere mit Blick auf den Fachkräftemangel sei es kaum möglich, mit legaler Bezahlung Leute zu finden. Alle großen Generalunternehmer würden die personalintensiven Tätigkeiten und damit einhergehende Probleme und Risiken auslagern. Auf den Baustellen seien dann noch ein Bauleiter, die Poliere, das Baumaterial und die Maschinen. Das Personal komme von den Nachunternehmern.

Der Geschäftsführer erklärt, dass seine Auftragsangebote denen anderer Unternehmen ebenbürtig und nicht besonders niedrig waren. Viele Aufträge habe er auch nicht bekommen. »Insbesondere bei öffentlichen Aufträgen ist der Preis maßgeblich.« Zudem würden viele Unternehmen seiner Art nur einige Jahre wirklich bauen und dann weiterverkauft, oder sie würden nur einen niedrigen Gewinn erwirtschaften. Er jedoch habe das Geld in eine gute Bezahlung, in seine Fachkräfte investiert und in die Akquise neuer hochkarätiger Projekte. Auf das, was er in der Zeit mit der Munir Music realisiert habe, sei er stolz.

Der vorliegende Fall scheint Teil eines Komplexes zu sein. Geschäftsführer einer weiteren Baufirma, die unter anderem am Bau des Humboldt-Forums beteiligt war, wurden erst kürzlich wegen ähnlicher Tatbestände zu mehrährigen Haftstrafen verurteilt. Der Angeklagte hatte dort bis 2015 als Bauleiter gearbeitet.

Es sei von einer Haftstrafe von mindestens vier Jahren auszugehen, teilt der Richter mit. In vergleichbaren schwerwiegenden Fällen würden sechs Jahre Haft verhängt. Er sei ein prinzipientreuer Mensch und stehe grundsätzlich auf dem Boden von Recht und Gesetz, erklärte der Angeklagte. Gegen die Servicegesellschaften aussagen will er nicht, auch wenn das strafmildernde Auswirkungen hätte. Bis zum 26. September sind weitere sieben Verhandlungstermine angesetzt.

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