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Rückzug der Linken-Parteispitze: Konsequenz eines Scheiterns
Wolfgang Hübner über den Rückzug der Linke-Vorsitzenden
Dass die beiden Vorsitzenden der Linkspartei beim Parteitag im Oktober ihre Ämter zur Verfügung stellen und nicht mehr kandidieren, kommt wenig überraschend. Höchstens dies: Janine Wissler war mehr Entschlossenheit zugetraut worden als Martin Schirdewan, weiterzumachen und die Partei aus dem Tief zu führen.
Letztlich haben sich beide für den Rückzug entschieden, und es ist nur konsequent: Damit ermöglichen sie einen Neuanfang in der seit Längerem anhaltenden Krise der Partei, aus der es bisher keinen Ausweg zu geben scheint. Es gebe in Teilen der Partei den Wunsch nach einem personellen Wechsel, schreibt Wissler in einer Erklärung, und das ist höflich formuliert: Schon im Streit um die Wagenknecht-Gruppe und erst recht nach dem miserablen Ergebnis bei der Europawahl wurde aus der Linken Rücktrittsforderungen laut.
Wissler 2021 und Schirdewan 2022 wurden mitten in der krisenhaften Entwicklung an die Spitze der Linken gewählt. Sie wurden in die Flügel- und Machtkämpfe geworfen, die in Partei und Bundestagsfraktion geführt wurden und maßgeblich mit dem Namen Sahra Wagenknecht zu tun haben. Bis heute gibt es – auch namhafte – Leute in der Linken, die glauben, dass man die auseinanderstrebenden Flügel hätte zusammenhalten können. Eine Illusion, wenn man sich Wagenknechts Ritt nach rechts etwa in Sachen Migration und Klima ansieht. Wissler und Schirdewan sind beim Versuch, die Einheit der Linken zu bewahren, jedenfalls gescheitert und wollten es irgendwann auch nicht mehr; so wie sie bislang auch bei dem Versuch gescheitert sind, Die Linke nach der Abspaltung wieder in die Erfolgsspur zu bringen.
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Das müssen nun andere in Angriff nehmen, und es wird eine aufreibende Angelegenheit. Denn in kürzester Zeit muss sich die Partei – auch nach den womöglich ziemlich ernüchternden Ergebnissen der anstehenden Landtagswahlen – aufrappeln, Selbstbewusstsein tanken und den Wählern plausibel machen, dass sie als politische Kraft gebraucht wird. Die Ziellinie ist die Bundestagswahl 2025, und das ist verdammt wenig Zeit.
Schon für Wissler und Schirdewan galt: Ihr Job ist keine Gute-Laune-Veranstaltung, in Teilen eher eine Zumutung. Die Nachfolger werden es nicht einfacher haben, wobei man sich schon fragen darf, wer sich in dieser verfahrenen Lage vor den Karren spannen will. Aber sie können vielleicht etwas weniger belastet von den alten Auseinandersetzungen und angesichts klarer Verhältnisse in Sachen Linke und BSW nach Wegen der Erneuerung suchen. Daraus können sich Möglichkeiten eröffnen. Denn nichts wäre fataler als ein endgültiger Abschied dieser linken Partei von der politischen Bildfläche.
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