Versteckte Parkplatz-Potenziale

Studie: Die Nutzung privater Stellflächen könnte Städte entlasten und zum Klimaschutz beitragen

Die effizientere Nutzung von »unsichtbaren Parkplätzen« wie Tiefgaragen könnte einen Beitrag zur Entlastung von Städten und Kommunen leisten.
Die effizientere Nutzung von »unsichtbaren Parkplätzen« wie Tiefgaragen könnte einen Beitrag zur Entlastung von Städten und Kommunen leisten.

Angesprochen auf das Klimaproblem, verweisen Autolobbyisten gern auf zwei angebliche Klimakiller, die doch zuerst abgestellt werden müssten: zum einen auf die Staus, zum anderen auf den sogenannten Parksuchverkehr. Zehn Minuten würden Autofahrer im Schnitt nach einem Parkplatz suchen, will ein Parkraumbewirtschafter gemessen haben. Ein anderer kam auf 20 Minuten. Verbreitet ist auch die Angabe, die Suche nach Parkplätzen mache fast 30 Prozent des gesamten Verkehrs aus. Eine Quelle dafür ist nicht auszumachen. Für die Behauptung, intelligentes Parken könne allein in Deutschland bis zu 900 000 Tonnen Kohlendioxid jährlich einsparen, gibt es aber eine: die Arbeitsgruppe »Klimaschutz im Verkehr« der Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität.

Diese schätzte bereits 2020 das CO2-Minderungspotenzial von sogenanntem Smart Parking für das Jahr 2030 auf 400 000 bis 900 000 Tonnen im Vergleich zu 2015 – vorausgesetzt, die öffentlichen Parkplätze in den Kommunen würden mit entsprechender Sensorik ausgestattet und der Parksuchverkehr sinke tatsächlich auf null.

Aus dieser Sicht ist die Einsparung von 900 000 Tonnen eher eine Wunschvorstellung – und auch nicht viel angesichts der jährlichen CO2-Emissionen der deutschen Pkw von rund gut 90 Millionen Tonnen. Eins aber haben alle Rechnungen zur Parkplatzsuche gemeinsam: Als verfügbarer Parkraum gelten meist nur öffentliche Parkflächen in den Stadtquartieren, vielleicht dazu noch dieser oder jener Firmenparkplatz.

Tatsächlich aber sind die Städte voll mit sogenannten unsichtbaren Parkplätzen. Das sind Abstellplätze an, über oder unter Supermärkten und Einkaufszentren, in Parkhäusern oder ‑garagen, an Hotels, Freizeit- und anderen Zentren des öffentlichen Lebens. Dazu kommen noch private oder betriebliche Flächen und Garagen.

In Deutschland fehlt es generell an aussagefähigen und umfassenden Daten über Stellplatzangebot und -auslastung, räumt Wolfgang Aichinger ein. Bei Stellplatzproblemen werde oft »aus dem Bauch argumentiert«, erklärt der Projektleiter für städtische Mobilität beim Thinktank Agora Verkehrswende gegenüber »nd.DerTag«.

Um Aufmerksamkeit auf das Thema zu lenken, legte der Thinktank jetzt eine Analyse zum »Parken nach Feierabend und Ladenschluss« vor. Beispiele daraus zeigen, wie groß die »unsichtbaren« städtischen Parkflächen sind. So befindet sich in der Innenstadt von Kiel etwa jeder sechste Stellplatz auf privaten Großparkplätzen bei Supermärkten oder auf Firmengeländen.

»Hier liegt großes Potenzial«, folgert Aichinger. Das gelte auch für öffentlich zugängliche Parkgaragen und Parkhäuser. »Für Stuttgart liegen uns Zahlen vor, die zeigen, dass die Gesamtauslastung der innerstädtischen Parkgebäude nie über 50 Prozent liegt«, so der Raumplaner. Dass beim Ziel, Stellplatzangebot und -nachfrage in Übereinstimmung zu bringen, Parkgebühren wichtige Impulse setzen, ist sich Aichinger sicher. Die Tarife müssten so gestaltet werden, dass die Parknachfrage dorthin geleitet wird, wo am wenigsten Störungen und Konflikte zu erwarten sind.

Generell sei es besser, in einem Parkhaus zu parken als im öffentlichen Raum, betont der Forscher. »Deswegen sollten auch die Gebühren für Bewohnerparkausweise über den monatlichen oder jährlichen Vergleichsmieten für Stellplätze im privaten Raum liegen.«

Die richtige Tarifgestaltung könne auch die Mehrfachnutzung privater Stellplätze befördern, erklärt Aichinger. So würden an Supermärkten häufig nicht alle Kundenparkplätze sofort nach Ladenöffnung benötigt. »Darauf kann die Tarifgestaltung eingehen – und etwa das Parken für Stellplatz-Mieter auch nach Ladenöffnung gestatten, aber zu höheren Gebühren als während der Nacht oder an Sonntagen«, so der Thinktank-Experte.

Das Problem zu lösen, bedeutet vorrangig, bisher nicht öffentliche Parkplätze verfügbar zu machen. Dafür bieten sich auch digitale Lösungen an. Hilfreich wäre etwa ein Tool, das wirklich alle verfügbaren Stellplätze in einem Quartier kennt und zugleich anzeigt, welche Flächen in welcher Zeit zu welchem Preis nutzbar sind. Bis dato erfassen Smart-Parking-Lösungen immer nur einen Teil der vorhandenen Parkplätze und sind bei Licht besehen noch wenig »intelligent«.

Beispiele zeigen auch für Wolfgang Aichinger, dass eine Digitalisierung der Parkraumkontrolle im öffentlichen Raum zu einer höheren Parkplatzverfügbarkeit führt. Das liege unter anderem daran, dass »Dauerparker« oder Personen, die keinen Bewohnerparkausweis haben, dann eher auf private Stellplätze umgeleitet werden.

Auf jeden Fall braucht es politischen Willen und Personalkapazitäten in der Verwaltung, um die Mehrfachnutzung auch im privaten Raum zu etablieren. Das hebt Agora Verkehrswende in der Untersuchung ausdrücklich hervor. Städte und Gemeinden müssten das Thema für sich entdecken, aktiv auf Eigentümer und Betreiber von Parkplätzen zugehen und die Hürden für eine Mehrfachnutzung senken, fordern die Experten. Die Mehrfachnutzung wird sich ihrer Ansicht nach aber schon aufgrund der wirtschaftlichen Chancen immer mehr verbreiten – und den Kommunen zugleich mehr Handlungsspielraum in der Gestaltung des öffentlichen Raums verschaffen.

Solche Ansätze könnten dazu beitragen, Straßenräume aufzuwerten und öffentliche Flächen gerechter zu verteilen, heißt es in der Analyse. Diese Aufwertung gelinge aber nur, wenn der öffentliche Parkraum reduziert wird. Eine solche Reduzierung wiederum könne durch die Mehrfachnutzung im privaten Raum kompensiert und die Parknachfrage dorthin verlagert werden.

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