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Schneller-Bauen-Gesetz: Senat entmachtet die Bezirke
Das umstrittene Gesetz wurde vom Senat beschlossen. Bezirke und Opposition üben Kritik
Bauen, bauen, bauen. Um dem Mietenwahnsinn und der Wohnungsnot in der Hauptstadt zu begegnen, setzt der Berliner Senat darauf, dass gebaut wird. Jährlich 20 000 Wohnungen sind die Zielmarke, die aber konsequent verfehlt wird. Der verzweifelte Versuch, das Baugeschehen gegen den Trend gestiegener Baukosten zu beschleunigen, hat jetzt einen ersten Abschluss gefunden: Der Berliner Senat hat am Dienstag das Schneller-Bauen-Gesetz beschlossen.
Das Schneller-Bauen-Gesetz, eigentlich ein Paket von Reformen bestehender Gesetze und Verordnungen, schreibt sich auf die Fahne, Bürokratieabbau zu betreiben. Dafür sollen 50 Änderungen an Landesgesetzen vorgenommen werden, sowie 70 »untergesetzliche Maßnahmen«. Die selbst gesetzten Erwartungen sind hoch. Das Projekt mache bezahlbares Wohnen besser möglich, als das bisher der Fall sei, erklärte Bausenator Christian Gaebler (SPD) auf der Pressekonferenz nach der Sitzung des Senats. Verbindliche Prüf- und Bearbeitungsfristen und klare Zuständigkeiten sollen das Verwaltungshandeln nachvollziehbarer und für Bauherren planbarer machen.
Gaebler erhofft sich weitere positive Effekte: »Wir gehen davon aus, dass wenn wir Prozesse beschleunigen und vereinfachen, das auch ressourcenschonend ist.« In Kraft tritt das Gesetz erst, wenn es im Abgeordnetenhaus beschlossen wird. Gaebler rechnet frühestens im November damit.
Kritik an dem Gesetzesvorhaben gibt es reichlich. Nicht zuletzt die Bezirke wenden sich gegen das Gesetzespaket. Sie fürchten, dass ihnen die Stadtplanung aus der Hand genommen wird. Wenn es eine »gesamtstädtische Bedeutung« für Bauprojekte gibt, kann der Senat schon jetzt die Hoheit über Planungsverfahren an sich ziehen. Prominentes Beispiel dafür: Die Kardstadt-Baustelle am Hermannplatz in Kreuzberg, wo der Bezirk die Wünsche von Pleite-Investor René Benko nicht erfüllen wollte. Mit dem neuen Gesetz soll eine gesamtstädtische Bedeutung schon gegeben sein, wenn 50 Wohnungen gebaut werden. »Ich habe die Sorge, dass der Senat Dinge an sich ziehen wird, wo wir in den Bezirken aus ganz bestimmten Gründen sagen: Das müssen wir prüfen«, sagte dazu Lichtenbergs Bezirksbürgermeister Martin Schaefer (CDU) gegenüber Radio Eins.
Der Senat beschwichtigt. »Wir nehmen denen nichts weg«, sagt Gaebler. Gleichzeitig fällt es ihm schwer, Beispiele zu nennen, wo Bezirke Wohnunsgbau bremsen. Ein genanntes ist der »Grüne Kiez Pankow«, wo sich Bezirk und Bewohner*innen dagegen wehren, wie ein Bauprojekt umgesetzt wird. Dort sollen 99 Wohnungen für Geflüchtete entstehen, für die fast 100 Bäume gefällt werden müssten. Eine Initiative schlägt eine Alternative vor, mit der 70 Wohnungen gebaut würden, für die nur 14 Bäume gefällt werden müssten. Dieser Versuch, ein Projekt zu gestalten, in dem Klimaanpassung, Naturschutz und gesunde Wohn- und Lebensbedingungen umgesetzt würden, ist dem Senat ein Dorn im Auge. Der Bezirk arbeite seit anderthalb Jahren daran, das Projekt zu »sabotieren«, so Gaebler.
»Das Vorhaben des Senats dient der Entmachtung der Bezirke, die hier gegenüber dem betonwütigen Senat offensichtlich demokratische Planungsprinzipien hochhalten und verteidigen müssen«, sagt Katalin Gennburg, stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus. Ob und wie gebaut werden soll, sei eine Frage, die vor Ort von Politik, Fachplanungen, Verbänden und engagierten Bürger*innen entschieden werden sollte. »Dieses demokratische Recht für eine gemeinwohlorientierte Stadtplanung wurde im 20. Jahrhundert erkämpft und muss gegen Profitinteressen von Privaten verteidigt werden«, so die Linke-Politikerin.
»Es geht hier weniger um Beschleunigung als um eine Machtverschiebung hin zum Senat«, sagt der stadtentwicklungspolitische Sprecher der Grünen, Julian Schwarze zu »nd«. Senator Gaebler versuche, den Bezirken die Schuld an den immer wieder verfehlten Neubauzielen zu geben. »Aber die Bezirke haben dafür nicht die Verantwortung.« Wenn man die Ziele erreichen wolle, müsse man mit anderen Partnern zusammenarbeiten als mit Investoren von Vonovia und Co, so der Grünen-Politiker. »Wir sind weiterhin mehr als skeptisch, ob das Gesetzesprojekt sein vorgebliches Ziel erreicht.«
Ein weiterer Kritikpunkt am Gesetzespaket kommt von Naturschutzorganisationen. »Wir kritisieren, dass mit dem Gesetz der Natur- und Artenschutz ausgehebelt wird, ohne dass damit der Wohnungsbau wirklich beschleunigt wird«, sagt Dirk Schäuble, Referent für Artenschutz beim Bund für Umwelt- und Naturschutz Berlin zu »nd«. Insbesondere verkürzte Fristen für Stellungnahmen machen ihm Sorgen. Ohne ausreichend Zeit für Begehungen seien fundierte Stellungnahmen nicht möglich. Schäuble fürchtet gar einen gegenteiligen Effekt des Gesetzes: »Wenn wir nicht wissen, welche geschützten Arten tatsächlich vor Ort sind, kann es unter Umständen eher nötig sein, juristische Schritte einzuleiten.«
»Das Vorhaben des Senats dient der Entmachtung der Bezirke.«
Katalin Gennburg (Linke)
Stadtentwicklungspolitische Sprecherin
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