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Schreibarbeit war Beihilfe
BGH bestätigt Verurteilung von früherer KZ-Sekretärin
Leipzig. Kann sich auch eine zivile Sekretärin in einem Konzentrationslager mitschuldig am Massenmord im Nationalsozialismus gemacht haben? Diese Frage hat der Bundesgerichtshof in einer Grundsatzentscheidung im Fall einer früheren Schreibkraft des KZ Stutthof bei Danzig mit einem eindeutigen Ja beantwortet.
Der 5. Strafsenat des BGH in Leipzig verwarf eine Revision gegen ein Urteil des Landgerichts Itzehoe. Das Gericht hatte die inzwischen 99-jährige Irmgard F. wegen Beihilfe zum Mord in 10 505 Fällen sowie zum versuchten Mord in fünf Fällen zu zwei Jahren Jugendstrafe auf Bewährung verurteilt. Diese Entscheidung ist jetzt rechtskräftig.
Der Fall gilt als das womöglich letzte Strafverfahren zur Aufarbeitung der nationalsozialistischen Massenmorde. Erstmalig war eine Zivilangestellte zur Verantwortung gezogen worden. Wegen der historischen Bedeutung wurden sowohl von der mündlichen Verhandlung als auch der Entscheidungsverkündung in Leipzig Aufzeichnungen für das Bundesarchiv angefertigt.
Irmgard F. war als junge 18- bis 19-jährige Frau zwischen Juni 1943 bis April 1945 als Stenotypistin in der Kommandantur des Konzentrationslagers beschäftigt. Fast die gesamte Korrespondenz des Lagers ging nach Überzeugung der Gerichte über ihren Schreibtisch. Sie war eine enge Vertraute des Lagerkommandanten Paul Werner Hoppe.
Der Sekretärin wird die Tötung von Häftlingen durch die lebensfeindlichen Bedingungen in dem Lager, bei Todestransporten sowie in einer Gaskammer angelastet. Im KZ Stutthof und seinen 39 Außenlagern waren nach Angaben des Dokumentationszentrums Arolsen Archives zwischen 1939 und 1945 etwa 110 000 Menschen aus 28 Ländern inhaftiert. Fast 65 000 überlebten nicht.
Durch ihre Arbeit habe sie den Verantwortlichen des Konzentrationslagers bei der systematischen Tötung von Inhaftierten Hilfe geleistet. Auch unterstützende Tätigkeiten könnten rechtlich als Beihilfe zum Mord angesehen werden. Irmgard F. habe durch ihre Dienstbereitschaft sowohl physische als auch psychische Beihilfe geleitet, so der BGH.
Die Verteidigung von Irmgard F. hatte Revision eingelegt. Der BGH hatte darüber Ende Juli mündlich verhandelt. Die Anwälte stellten unter anderem infrage, ob der Frau ein Vorsatz nachgewiesen werden kann. Es sei nicht erwiesen, dass sie wirklich wusste, was in dem Lager vor sich ging. Zudem habe sich ihre Arbeit als Schreibkraft nicht wesentlich von ihrem vorherigen Job in einer Bank unterschieden. Sie habe aus ihrer Sicht neutrale Tätigkeiten ausgeführt.
Die Bundesrichter gingen dagegen aufgrund der Feststellungen des Landgerichts Itzehoe davon aus, dass Irmgard F. sehr genau über das Geschehen im Lager Bescheid wusste. Sie blickte demnach von ihrem Arbeitsplatz über einen Teil des Geländes, sah den Schornstein des Krematoriums, wusste um den elenden Zustand der Gefangenen.
Anwälte der noch verbliebenen 23 hochbetagten Nebenkläger in dem Verfahren äußerten sich nach der Verkündung des Urteils zufrieden. Ihr in Israel lebender Mandant werde sicherlich erleichtert und froh sein, sagte Rechtsanwältin Christine Siegrot. dpa/nd
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