Betriebliche Bildung: Rechte in recht einfacher Sprache

Der Verein Arbeit und Leben vermittelt mit digitalem Lernprogramm niedrigschwellig Arbeitsrechte

Insbesondere in der Gastronomie finden sich viele Beschäftigte mit geringen Lese- und Schreibkenntnissen.
Insbesondere in der Gastronomie finden sich viele Beschäftigte mit geringen Lese- und Schreibkenntnissen.

Sophia steht in einer Großküche, sie trägt eine Kochjacke und eine Kochmütze, beides in Weiß. »Früher war hier immer viel los«, sagt sie. In jüngster Zeit aber gebe es nicht viele Gäste. Ihre Chefin Frau Meier habe mit ihr gesprochen. »Sie hat gesagt, es gebe keine Arbeit mehr für mich. Sie hat mir gekündigt. Ab morgen soll ich nicht mehr kommen«, sagt Sophia. Was nun, darf die Chefin so kündigen?

Dieser Handlungsstrang ist dem digitalen Bildungsprogramm des Bildungsvereins Arbeit und Leben Berlin-Brandenburg entnommen. In einfacher Sprache sollen »Menschen mit geringen Lese- und Schreibkenntnissen über ihre Rechte am Arbeitsplatz« aufgeklärt werden. Die bisher angebotenen Lerninhalte umfassen die Themen Kündigung und Minijob. Träger von Arbeit und Leben sind der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) Berlin-Brandenburg und die Berliner Volkshochschulen.

»Das Bildungsangebot richtet sich an Unternehmen und an Beschäftigte, die sich in Ausbildung oder schon im Beruf befinden«, erklärt Katharina Koch von Arbeit und Leben. »Insbesondere in den Branchen Transport, Logistik, Gastronomie und Pflege sind Beschäftigte, die nicht mit dem deutschen Arbeitsrecht vertraut oder gering literalisiert sind, schnell von Ausbeutung betroffen.« Es gehe also darum, Beschäftigten ihre Rechte näherzubringen und zu vermitteln, dass ihnen beispielsweise ein Kündigungsschutz und der Mindestlohn zusteht.

Auf die Frage, ob die Chefin Sophia einfach so kündigen darf, erscheinen auf dem Bildschirm zwei Antwortmöglichkeiten: »So einfach geht es nicht! Es gibt Regeln für die Kündigung eines Arbeitsvertrags.« Und: »Ja, sie ist die Chefin. Sophia hat jetzt keine Arbeit mehr.« Richtig ist die erste Antwort. Es folgt auch ein Erklärungstext: »Die Chefin muss einige Regeln befolgen, zum Beispiel darf sie nur schriftlich kündigen, also in einem Brief. Und sie muss unterschreiben.« Wählt man die falsche Antwort aus, bekommt man noch einen Rateversuch.

Im weiteren Verlauf der Bildungseinheit erhält man Informationen über Kündigungsfristen, die Probezeit, und den Unterschied zwischen einer Kündigung und einem Aufhebungsvertrag. Die Ansprache ist zunächst befremdlich: Die Stimme, die einen durch die Lerneinheit führt, stammt von einem Sprachroboter. Dadurch kann der Lehrstoff in insgesamt sieben Sprachen angeboten werden, sagt Koch. Neben Deutsch und Englisch ist das Programm in Spanisch, Ukrainisch, Russisch, Rumänisch und Arabisch durchspielbar.

Die Entwicklung der Lerneinheiten erfolgte durch das Arbeit-und-Leben-Projekt ABConnect und das senatsgeförderte Beratungszentrum für Migration und Gute Arbeit (Bema). ABConnect bietet berufsbezogene Bildung für verschiedene Branchen an. Das Bema berät insbesondere Beschäftigte mit einem Einwanderungshintergrund und mobile Arbeitnehmer*innen in prekären Lebens- und Arbeitssituationen.

»Unterschreibe nichts, was du nicht verstehst!«

Sophia Fiktiver Charakter aus der Lernwelt

Neben der Vermittlung von Bildungsinhalten weist das Programm auf das Angebot des Bema und weiterer Beratungsstellen hin. Die in den Lerneinheiten aufgeworfenen Probleme sind dem Beratungsalltag entnommen. So zum Beispiel, wenn Sophia geraten wird: »Unterschreibe nichts, was du nicht verstehst!« Die Kündigung muss nämlich nur einseitig von Sophias Chefin Frau Meier unterschrieben werden. Wenn der Arbeitgeber eine Unterschrift verlangt, könnte es sich um einen sogenannten Aufhebungsvertrag handeln. Mit einer Unterschrift würde man einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses zustimmen.

In der digitalen Lernwelt von Arbeit und Leben handelte es sich tatsächlich um einen Aufhebungsvertrag. »Zum Glück habe ich das Papier von meiner Chefin nicht unterschrieben«, sagt Sophia. In dem Aufhebungsvertrag habe gestanden, dass sie sofort aufhören würde zu arbeiten und kein Geld mehr bekomme. Ein unterschriebener Aufhebungsvertrag hat Auswirkungen auf den Anspruch von Sozialleistungen. In einfacher Sprache: »Wenn man mit einem Aufhebungsvertrag zum Jobcenter oder zur Arbeitsagentur geht, bekommt man für bis zu drei Monate kein Geld.«

Nicola Meyer leitet den Fachbereich Migration und Gute Arbeit beim Bema. »Die Kündigung ist der statistisch häufigste Fall, in dem sich Menschen in Notfällen an uns wenden«, sagt sie. Dabei gehe es in der Beratung besonders häufig um unrechtmäßige Kündigungen, zum Beispiel fristlose Kündigungen oder um Kündigungen von Personen, die besonderen Schutz genießen. In der Regel sind die konkreten Fälle in Beratung durchaus kompliziert, Arbeits-, Sozial- und Aufenthaltsrecht seien häufig miteinander verflochten.

Die einfach gehaltenen Videos seien entsprechend nicht für die Beratungspraxis bestimmt, so Meyer. Ihre Verbreitung könne jedoch eine präventive Wirkung haben, dann nämlich, wenn Beschäftigte möglichst früh mit ihren Rechten in Berührung kommen und nicht erst in den Beratungssituationen. »Da ist es dann oft nämlich zu spät.« Mit Blick darauf ist es bemerkenswert, dass dem Lernangebot keine dezidierte Werbekampagne in den sozialen Medien zur Seite gestellt wurde. Schließlich stellen Plattformen wie Instagram und Tiktok Möglichkeiten dar, in die teilweise schwer zugänglichen, migrantischen Zielgruppen aufklärend vorzudringen.

Die eVideo Lernwelt von Arbeit und Leben Berlin-Brandenburg findet sich hier: lernen-mit-evideo.de

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