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Reichsbürger-Prozess: Ein Monolog in Endlosschleife

Im Frankfurter »Reichsbürger«-Prozess verzettelt sich die angeklagte AfD-Politikerin Birgit Malsack-Winkemann in Widersprüchen

  • Joachim F. Tornau
  • Lesedauer: 4 Min.
Die Angeklagte Birgit Malsack-Winkemann auf der Anklagebank im Gerichtsgebäude der Außenstelle Sossenheim des Oberlandesgerichts Frankfurt.
Die Angeklagte Birgit Malsack-Winkemann auf der Anklagebank im Gerichtsgebäude der Außenstelle Sossenheim des Oberlandesgerichts Frankfurt.

Birgit Malsack-Winkemann fühlt sich schlecht behandelt. Von der Bundesanwaltschaft, die die ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete wegen Terrorismus und Hochverrats angeklagt hat – obwohl sie doch schon im Ermittlungsverfahren ausführlich ihre Unschuld erklärt habe. Aber auch von ihren Mitangeklagten, mit denen die 60-Jährige den bewaffneten Umsturz in Deutschland vorbereitet haben soll. Weil sie sie ausgegrenzt, nicht richtig informiert, schlecht über sie geredet hätten.

Nur einen nimmt Malsack-Winkemann aus: den als Rädelsführer des mutmaßlichen »Reichsbürger«-Putschplans angeklagten Heinrich XIII. Prinz Reuß. »Der Prinz und ich waren uns einig, dass …« – so oder so ähnlich fangen viele Sätze der AfD-Politikerin vor dem Frankfurter Oberlandesgericht an.

Im Prozess gegen die mutmaßliche Führungsriege der »Patriotischen Union« um den Frankfurter Immobilienunternehmer lässt sich Malsack-Winkemann als erste der neun Angeklagten zu den Anklagevorwürfen ein. Seit nunmehr vier Verhandlungstagen hält sie einen Monolog, ungeordnet, voller Wiederholungen – eine große Endlosschleife. Bevor sie damit begann, beklagte sie sich bitter, dass das Verfahren so langsam vorangehe. Es sollte nicht das letzte Mal sein, dass sie sich in Widersprüchen verhedderte.

Seit nunmehr vier Verhandlungstagen hält sie einen Monolog, ungeordnet, voller Wiederholungen – eine große Endlosschleife.

Reuß sei gar kein »Reichsbürger«, behauptet Malsack-Winkemann. »Es ging dem Prinzen wie mir um die Souveränität.« Genau das ist jedoch ein zentrales Narrativ der »Reichsbürger«-Ideologie: dass Deutschland nicht souverän, sondern fremdbeherrscht sei. Nie, beteuert die Angeklagte, sei in ihrer Gegenwart über einen Umsturz, einen Angriff auf den Bundestag oder den Aufbau von bewaffneten »Heimatschutzkompanien« geredet worden. Für Reuß wie für sie habe alles nach Gesetz und Recht ablaufen sollen, sagt Malsack-Winkemann.

»Revolutionen sind so ziemlich das Letzte, wozu man jemanden aus dem Hochadel bringen könnte.« Zugleich jedoch spricht sie mit größter Selbstverständlichkeit von einem »Systemwechsel« und von den dafür »erforderlichen Gewalthandlungen«. Von »Militärgerichten« und einem großen »Aufräumen«, bis hinunter in die Rathäuser. Nur habe das nicht die Aufgabe ihrer Gruppe sein sollen, sondern allein: der Allianz.

Malsack-Winkemann meint damit eine mächtige Geheimarmee, erfunden von der antisemitischen QAnon-Verschwörungsbewegung, an deren baldiges weltweites Losschlagen sie und ihre Mitstreiter*innen offenbar fest geglaubt haben. Dieser Allianz, sagt die Angeklagte, hätten sie sich andienen wollen, für den Neuaufbau Deutschlands nach einer zweijährigen Militärherrschaft.

»Letztentscheider war immer die Allianz«, betont sie. Ohne von diesem mysteriösen Militärbündnis mit seinen angeblich Millionen von Soldaten offiziell akzeptiert zu sein, hätten jedenfalls sie und Reuß nicht aktiv werden wollen. »Dafür bin ich zu lange im öffentlichen Dienst«, erklärt Malsack-Winkemann. »Da macht man nichts, wenn man nicht zuständig ist.«

Die promovierte Juristin, die jahrelang als Richterin am Berliner Landgericht gearbeitet hat, gefällt sich in der Selbstdarstellung als »Oberbedenkenträger«, als kritischer Geist. Stolz brüstet sie sich damit, einen vermeintlichen Verbindungsoffizier zur Allianz als Hochstapler durchschaut zu haben. Ernsthafte Zweifel an der Existenz der herbeifantasierten Armee aber scheint sie bis zuletzt nicht gehabt zu haben. Schließlich sei davon in den mehr als 50 Telegram-Kanälen, die sie aus Unzufriedenheit mit der »Einseitigkeit« der etablierten Medien verfolgt habe, überall die Rede gewesen: »Inhaltlich sagten sie alle dasselbe.«

Malsack-Winkemann spricht mit großem Selbstbewusstsein, mal schnippisch, mal belehrend und immer wieder in beleidigtem Ton. Vieles, was sie sagt, provoziert mehr Fragen, als es Antworten gibt. Manchmal aber hat sie durchaus einen Punkt. Inwiefern sich von einer »terroristischen Vereinigung« sprechen lässt, wenn sich ihre Mitglieder zu guten Teilen gar nicht kannten oder nicht unbedingt am selben Strang zogen: Damit wird sich das Gericht in der Tat beschäftigen müssen. Und wahrscheinlich hat die Bundesanwaltschaft wirklich den einen oder anderen Fehler gemacht, als sie das Ermittlungsergebnis auf mehr als 500 Seiten und fast 3500 Fußnoten zusammenfasste.

Man muss da sicher nicht von »Arglist« und »Manipulation« raunen, wie die Frau von der AfD das tut. Aber eine gewisse Schludrigkeit der Anklagebehörde könnte schon daraus sprechen. In der kommenden Woche wird Malsack-Winkemann weiterreden. Und immer weiter.

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