Frühe Vorläufer des Euro

Bereits vor 3000 Jahren kursierten in Europa Bronzestücke von einheitlichem Gewicht

  • Andreas Knudsen
  • Lesedauer: 4 Min.
Der Hortfund von Weißig enthielt Metallobjekte mit rund 20 Kilo Gewicht.
Der Hortfund von Weißig enthielt Metallobjekte mit rund 20 Kilo Gewicht.

»Money, Money, Money, must be funny – in a rich man’s world«, sangen Abba in ihrer Glanzzeit, und so ist es gewesen, seit das universelle Zahlungsmittel vor etwa 5000 Jahren in Mesopotamien erfunden wurde. Es waren noch keine Münzen, sondern sogenanntes Hacksilber, dessen Wert in Gewicht bemessen wurde. Voraussetzung dafür war die Erfindung der Balancewaage, um Irrtümer und Betrug auszuschließen.

Während der individuelle Handel im fruchtbaren Halbmond bereits blühte, nahmen Archäologen bisher an, dass Europa ökonomisch und ideenmäßig weit zurücklag. Es gab zwar einen regen Fernhandel, und Luxuswaren wurden ausgetauscht. Kontrolliert wurde der Handel aber von den lokalen Eliten, die über die nötigen Machtmittel und ökonomischen Ressourcen verfügten, so die Theorie. Im Gegenzug zum wirtschaftlichen Monopol verteilten die Häuptlinge, Priester, oder wer nun die Kontrolle ausübte, erhandelte Waren an ihre Bevölkerungsgruppe. Diese Annahme steht jedoch im Widerspruch zu tatsächlichen Praxen, wie beispielsweise dem Pelzhandel in Nordamerika zwischen indigenen Jägern und europäischen Händlern oder dem Handel zwischen Familien auf den Inseln des Pazifiks.

Standardgewicht von zehn Gramm

Eine Forschergruppe der Universitäten Göttingen und Sapienza in Rom interessierte sich für diesen Widerspruch und sammelte über mehrere Jahre hinweg alle verfügbaren Informationen über sogenannte Hortfunde aus der Bronzezeit, die in Mitteleuropa und Italien gemacht wurden. Als Hort- oder Depotfunde werden in der Archäologie vergrabene Dinge bezeichnet, die weder Grabbeigaben noch Siedlungsreste sind. Die Wissenschaftler unter Leitung von Dr. Nicola Ialongo stutzten darüber, dass dieser Bronzeschrott offensichtlich in seinem Gewicht einem Standard von zehn Gramm oder einem Mehrfachen davon folgte. Sie analysierten und systematisierten 1331 Hortfunde mit insgesamt 23 711 Bronzestücken. Die Abweichungen waren nicht größer als fünf Prozent und daher weder fühl- noch messbar mit den damaligen Methoden.

Die Hortfunde sind alle zwischen 1500 und 800 v. u. Z. datiert, als die Bronzezeit ihren Höhepunkt erreichte. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Balancewaage den Weg nach Europa gefunden und die Standardisierung möglich gemacht. »Das Bezahlen mit Metallstücken war nicht primitiv, denn diese Art Geld – bevor Münzen erfunden wurden – erfüllte genau die gleichen Funktionen wie das moderne Geld heute«, sagt Dr. Nicola Ialongo. »Wahrscheinlich wurden schon lange vor Entdeckung der Metallurgie verderbliche Waren als Zahlungsmittel verwendet. Der eigentliche Wendepunkt kam aber, als Menschen um 3000 vor Christus im Nahen Osten das Abwiegen von Gewicht erfunden haben. Damit stand erstmals in der Menschheitsgeschichte ein objektives Mittel zur Verfügung, um den ökonomischen Wert von Dingen und Dienstleistungen zu quantifizieren, ihnen also einen Preis zuzuordnen.«

Bronze auf lokalen Mäkrten anerkannt

Im Gegensatz zum Nahen Osten gab es in Europa zu dieser Zeit keine staatsähnlichen Strukturen, und einzelne reiche Häuptlinge können die vielen Hortfunde fern von Siedlungen nicht erklären. Sie wurden bisher als Opfergaben für Götter oder Metallreserve für die Zukunft gedeutet. Aber, so räsonierten die Forscher, warum hat der Bronzeschrott ein standardisiertes Gewicht und die Stücke in den einzelnen Hortfunden passen nicht zusammen? Das deutet darauf hin, dass sie vor dem Vergraben über Zeit und Raum zirkulierten. Ihr Gewicht und der Arbeitswert, der in ihre Gewinnung investiert werden musste, machte sie zu einem begehrten Besitz, an dem andere Waren gemessen werden konnten.

Die Wissenschaftler zogen deshalb moderne ökonomische Theorien hinzu, um die Verteilung der Funde und die Masse der einzelnen Bronzestücke in ein Verhältnis zu setzen. Ihre Schlussfolgerung: Sicherlich gab es einzelne reiche Individuen, aber der Handel wurde von der Nachfrage der europäischen Haushalte bestimmt und ihren Möglichkeiten, andere Waren zu produzieren. Die Bronzestücke wurden von der Lokalbevölkerung über ein großes Gebiet als Äquivalent für Vieh, Korn, Wolle oder auch Luxusgüter auf den lokalen Märkten anerkannt, so wie es heute geschieht mit Euro, Pfund oder Dollar. Das schließt nicht aus, dass es auch weiterhin Tauschhandel gab, aber die Ware-Geld-Beziehung hatte ihren Einzug gehalten in Europa.

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