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Vulkanausbrüche und Klimawandel – Gewaltige Schwefelschleudern
Klimaforscher wollen wissen, wie sich ein großer Vulkanausbruch in Kombination mit der Erderwärmung auswirken würde
Als am 15. Juni 1991 im Norden der Philippinen der Vulkan Mount Pinatubo ausbrach, hatte das nicht nur für Tausende Menschen in seiner Nachbarschaft verheerende Folgen. Die Konsequenzen der weltweit seit Langem stärksten Eruption waren rund um den Erdball zu spüren. 17 Millionen Tonnen Schwefeldioxid wurden hoch in die Atmosphäre geschleudert und verteilten sich dort um den ganzen Globus. Das war die größte je bei einem Vulkanausbruch beobachtete Schwefelmenge. Die Heftigkeit des Ausbruchs sorgte dafür, dass Asche und Gase bis weit in die Stratosphäre geschleudert wurden, jener Atmosphärenschicht, die in den Tropen in etwa 18 Kilometern Höhe über dem Erdboden beginnt.
Dort ist es anders als in der unteren Atmosphäre sehr trocken und die Aerosole, die kleinen Schwebeteilchen, die sich aus dem Schwefeldioxid bilden, werden nicht vom Regen ausgewaschen. Entsprechend können sie sich bis zu vier Jahre in der Luft halten und einen Teil des Sonnenlichts abfangen. Der Planet bekommt sozusagen eine Sonnenbrille aufgesetzt. Der Effekt dieser verminderten Sonneneinstrahlung war weltweit zu spüren: 1992 fiel die globale Temperatur um etwa ein halbes Grad Celsius niedriger aus. Das mag in Zeiten der globalen Erwärmung nicht dramatisch klingen, doch kühlere Temperaturen und weniger Sonnenlicht hatten einen spürbaren Effekt auf die Ernten. Die weltweite Maisernte fiel um neun Prozent geringer aus, Weizen- und Sojaerträge schrumpften um jeweils fünf Prozent.
Das hätte ein Weckruf sein können. Der Mensch ist nämlich, seitdem er sich von Ackerbau und Viehzucht ernährt, auf stabile Klimabedingungen angewiesen, und tatsächlich hat ihn die Natur bisher meist auch sehr nachsichtig behandelt. Jedenfalls gemessen an anderen Zeitaltern. Die letzten zehntausend Jahre, das sogenannte Holozän, hatte im Vergleich zu den vorhergehenden Eis- und Warmzeiten sehr wenige klimatische Überraschungen zu bieten.
Santorin-Ausbruch mit Folgen
Nun ist der Mensch gerade dabei, mit seinen Treibhausgasemissionen die Komfortzone des Holozäns zu verlassen, aber das ist eine andere Geschichte. Hier soll es vielmehr darum gehen, dass selbst im stabilen Holozän in den letzten 4000 Jahren immer wieder Zivilisationen aufgrund von Klimaveränderungen untergegangen sind. Etwa die Induskultur und das Reich der Khmer oder die Reiche der Maya und der Vorfahren der Pueblo-Kultur in Mittel- und Nordamerika. Manchmal waren es selbstgemachte Umweltveränderungen, manchmal Dürreperioden mit natürlichen Ursachen und manchmal schwere Vulkanausbrüche, wie etwa der Santorin-Ausbruch auf der gleichnamigen griechischen Insel im 16. oder 17. Jahrhundert vor Beginn der Zeitrechnung, der vermutlich mit dem Untergang der minoischen Kultur auf Kreta in Zusammenhang gebracht werden kann.
Im schnelllebigen Medienzeitalter ist der Mount Pinatubo inzwischen längst wieder vergessen und Vulkanausbrüche werden für gewöhnlich nur als lokale Katastrophen wahrgenommen wie etwa 2021 der Ausbruch am Cumbre Vieja auf der kanarischen Insel La Palma, dessen langsam, über mehrere Monate austretende Lava 1600 Gebäude zerstörte. Nun handelt es sich bei den Vulkanen der kanarischen Inseln um sogenannten Hotspot-Vulkanismus. Dessen Lava steigt aus dem tiefen Erdinneren auf, enthält wenig Gase und ist daher in der Regel nicht besonders explosiv. Ausnahmen bestätigen allerdings die Regel, wie 2010 der Eyjafjallajökull auf Island zeigte. Dieser schleuderte seinerzeit Vulkanasche hoch genug in die Atmosphäre, um der Welt zu zeigen, dass ein lokales Ereignis durchaus schnell globale Auswirkungen haben kann. In der ganzen nördlichen Hemisphäre wurde der Flugverkehr beeinträchtigt und in Europa für mehrere Wochen zunächst vollständig, dann in verschiedenen Regionen tageweise lahmgelegt.
Inselbögen mit Explosionsgefahr
Vulkane wie der Mount Pinatubo spielen allerdings in einer anderen Liga, einer weitaus explosiveren als die Hotspot-Vulkane oder jene, die unter der Meeresoberfläche an den ozeanischen Rücken ganz gemächlich die Platten der Erdkruste auseinander drücken. Diese werden an anderer Stelle zusammengeschoben, wobei sich entweder große Gebirge wie die Alpen und der Himalaya auftürmen, oder ozeanische unter kontinentale Platten schieben. Letzteres ist an den Inselbögen Japans, der Philippinen und Indonesiens oder entlang der Westküsten der beiden Amerikas der Fall. Dort sind dann die explosiveren Vulkane zu finden.
Subduktionszonen nennen Fachleute diese Regionen, die sich durch besonders aktiven und tendenziell desaströsen Vulkanismus auszeichnen. Mit dem Gestein einer ozeanischen Platte tauchen auch große Mengen feuchter Sedimente in das Erdinnere ab. Große Hitze durch Reibung und hohem Druck führen dazu, dass dieses mehrere Dutzend Kilometer weit in den Untergrund gedrückte Gemisch zum Teil schmilzt, und sich in Magmakammern teils nur wenige Kilometer unter der Oberfläche sammelt. Von Zeit zu Zeit entleeren sich diese dann, wobei der eingeschlossene superheiße Wasserdampf die Eruptionen besonders explosiv macht.
Ein Jahr ohne Sommer
Der Mount Pinatubo ist so ein explosiver Inselbogen-Vulkan, aber sein Ausbruch war keineswegs der schwerste in historischen Zeiten. Ereignisse wie das auf den Philippinen 1991 können sich alle paar Jahrzehnte zutragen. Zehnmal so stark fiel 1815 die Eruption des Tambora im benachbarten Indonesien aus. Diese schleuderte seinerzeit derart viel Schwefel hoch in die Atmosphäre, dass sich die nördliche Hemisphäre um durchschnittlich rund ein Grad Celsius abkühlte. Von 1816 heißt es, dass es ein Jahr ohne Sommer war. Auch das Jahr 1817 fiel in Nordamerika und Europa noch sehr kühl aus und brachte entsprechend magere Ernten. Die Lebensmittelpreise verdoppelten sich, was wiederum zu sozialen Unruhen in verschiedenen europäischen Ländern führte. Die jungen USA stürzte in ihre erste Rezession, und in Indien brach, begünstigt durch die wachsende Not, eine Choleraepidemie aus, die sich zur globalen Pandemie ausweitete. Insgesamt starben vermutlich einige Dutzend Millionen Menschen an den indirekten Folgen des Vulkanausbruchs, also mehrere Prozent der damaligen Weltbevölkerung, die zu jener Zeit bei etwa einer Milliarde Menschen lag.
Kürzlich erinnerte ein Kommentar im naturwissenschaftlichen Fachblatt »Nature« an den Tambora-Ausbruch und wies darauf hin, dass immerhin eine Wahrscheinlichkeit von eins zu sechs besteht, dass sich eine Eruption dieses Ausmaßes noch in diesem Jahrhundert wiederholen kann. Bedenkt man die schweren Konsequenzen, die das in der heutigen ohnehin schon von Krisen geschüttelten und hochgradig von internationalem Nahrungsmittelhandel abhängigen Welt hätte, ist das ein nicht gerade geringes Risiko. Insbesondere, da die Nahrungsmittelproduktion sowieso durch Klimakrise und den anhaltenden Verlust an biologischer Vielfalt – man denke nur an den gefährlichen Rückgang der für die Bestäubung wichtigen Biene – erheblich unter Druck steht.
Erschwerend kommt hinzu, dass die Risiken bisher nur sehr ungenau abgeschätzt sind. Es müsse dafür auf verschiedenen Feldern dringend mehr geforscht werden, fordern die Autoren des Kommentars, die in Genf, Grenoble und London in den Klimawissenschaften arbeiten. So ist nicht unbedingt klar, mit wie viel Schwefel und von diesem gebildeten Aerosol zu rechnen ist. Atmosphärische Beobachtungsdaten gibt es erst seit 1991. Ältere Daten müssen aus Ablagerungen und Einschlüssen im Eis an den Polen ermittelt und auch mit Klimadaten aus der gleichen Zeit in Zusammenhang gebracht werden. Selbst für den Tambora-Ausbruch ist nicht sicher bekannt, in welcher Menge und in welchen Größen Aerosole gebildet wurden. Informationen über die Größe sind wichtig, da kleinere Partikel das Sonnenlicht deutlich besser ablenken und die Erde daher stärker abkühlen.
Vulkanismus in verändertem Klima
Unklar und keineswegs trivial ist vor allem auch noch, wie sich Vulkanismus in einer wärmeren Welt auswirkt. Zum Beispiel bedeutet die globale Erwärmung, dass sich die Schichtung in den Ozeanen verstärkt. Da das warme Wasser auf dem kälteren liegt, vermindert die Erwärmung den Austausch. Im Falle einer abrupten Abkühlung durch einen Vulkanausbruch würde das vermutlich dazu führen, dass weniger kühles Wasser absinkt und sich die Atmosphäre daher etwas stärker abkühlt, schreiben die Autoren.
Auch ist davon auszugehen, dass der Auswurf der Vulkane höher steigen wird, sofern er die Stratosphäre erreicht. Denn diese kühlt sich in einer wärmeren Welt ab, wodurch die heißen Gase und Asche mehr Auftrieb hätten. Veränderte Strömungsverhältnisse zwischen der niedrigeren Troposphäre und der Stratosphäre werden vermutlich einerseits die Verweilzeit der Aerosole verkürzen, andererseits aber kleinere Teilchen begünstigen. Schließlich kann auch die durch den Klimawandel veränderte Luftchemie noch einen Beitrag zur Bildung der Aerosole liefern. Einige Arbeiten deuten darauf hin, dass die Summe dieser Faktoren bedeuten könnte, dass große Vulkanausbrüche künftig zu stärkerer Abkühlung führen. Doch um das sicherer zu sagen, sind dringend mehr Simulationen mit Klimamodellen und mehr Daten nötig, so der Appell der Autoren.
Nach der Eruption des Tambora 1815 kühlte sich die nördliche Hemisphäre um rund ein Grad Celsius ab.
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