Garnisonkirche: Nazi-Kitsch neu aufgelegt

Die Potsdamer Garnisonkirche wird eingeweiht – begleitet vom Lärm der Demonstranten

  • Matthias Krauß
  • Lesedauer: 5 Min.
Der Neubau der Garnisonkirche passt nicht jedem.
Der Neubau der Garnisonkirche passt nicht jedem.

Drinnen eine weihevolle Zeremonie – draußen protestierendes Getöse. Mit einer Festrede von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wurde am Donnerstag die bauliche Kopie des Turms der Potsdamer Garnisonkirche eingeweiht.

»Doch dem Kreuz dort auf dem Laken/fehlen heute ein paar Haken./Da man mit den Zeiten lebt,/sind die Haken überklebt.« Als Bertolt Brecht 1947 in seinem »Anachronistischen Zug« diese Zeilen dichtete, könnte vor ihm die Potsdamer Garnisonkirche gestanden haben. Zu dieser Zeit lag sie in Trümmern, ein alliierter Bombenangriff hatte sie 1945 in diesen Zustand gebracht. Nun wurde am Mittwoch ihr neu errichteter Turm eingeweiht. Einen Tag darauf wurde im Kirchenturm die Ausstellung »Glaube, Macht und Militär« für den Besuch freigegeben.

Unter Polizeibewachung fand die Neueinweihung vor handverlesenem Publikum statt. Es war die Einführung eines heiligen Baus, den Steinmeier in seiner Ansprache selbst als bis zuletzt umstritten bezeichnet hatte. Derweil drangen von draußen die Worte »Heuchler, Heuchler« in den festen Bau – für Gegner der Kirche handelt es sich um eine »Nazikirche«, um einen Ort, den die NS-Herrschaft als »Wiege des Dritten Reiches« feiern ließ. Für Befürworter ist es hingegen ein »Friedenszentrum« und »Lernort«.

Der Bundespräsident sprach von der »Allianz von konservativer Tradition und Nationalsozialismus«, die sich 1933 mit dem Händedruck des neuen Reichskanzlers Adolf Hitler und des damaligen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg für alle Zeiten bildlich in das geschichtliche Gedächtnis eingegraben hatte. Ihm lauschten neben landespolitischer Prominenz und 120 Gästen auch Georg Friedrich Prinz von Preußen, ein Nachfahre der Preußen-Könige, unter deren persönlicher Befehlsgewalt die Garnisonkirche (geweiht 1735) einst gestanden hatte.

Nach der Sprengung der Ruine der Garnisonkirche 1968 entstand an dieser Stelle laut Steinmeier in der DDR eine neue Stadt, »mit der sich inzwischen viele Bürgerinnen und Bürger identifizieren«. Steinmeier warb zudem für den Erhalt des benachbarten Rechenzentrums, das seit Jahren eine Künstlerkolonie beherbergt und gleichsam als baulicher und geistiger Gegenentwurf zum Kirchenneubau fungiert.

Christian Stäblein, Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, dankte den Arbeitern, die das neue Potsdamer Hochgebäude in den vergangenen Jahren errichtet hatten. Dieser Nachbau der Garnisonkirche sei ein »Bildungsort und Bethaus«. Es gelte, ihn als »Ort der Wachsamkeit« zu nutzen in einer Zeit, in der »die Feinde der Demokratie mehr werden«. Als Betreiber gab er namens seiner Kirche das Versprechen, sich darum zu kümmern, dass jene an diesem Ort keinen Platz haben werden. Man wisse sehr wohl darum, dass an diesem Orte in der Vergangenheit Frevel getan und gesegnet worden sei. Er dankte den Gegnern des Neubaus dafür, auf diese Dinge aufmerksam gemacht zu haben.

Die entsprechenden Gegner ließen sich allerdings davon nicht beruhigen. Sie verfluchten und verdammten den Bau von der anderen Straßenseite aus, von starken Polizeikräften auf Abstand gehalten. In einer am Donnerstag verbreiteten Erklärung schreibt die Initiative Lernort Garnisonkirche, dass in dem Gotteshaus »die Soldaten des Völkermords an den Herero und Nama gesegnet und geehrt« worden seien. Außerdem seien an diesem Altar die Soldaten auf Adolf Hitler vereidigt, die Heerscharen für die deutschen Angriffskriege des Ersten und Zweiten Weltkriegs mobilisiert und zahllose rassistische, volksverhetzende, kriegsverherrlichende und antidemokratische Predigten und Reden gehalten worden.

Die Initiative kritisierte, dass die Werbung für den Kirchenneubau touristische Aspekte wie die Aussichtsplattform sowie das Café in den Vordergrund stellt, »dies noch in einem Bau, der als einer der schönsten Barockarchitekturen Norddeutschland verklärt wird«. Potsdam brauche keinen neuen touristischen Hotspot. Die Kirche sei aber für Rechtsradikale »das zentrale preußisch-deutsche Nationalsymbol, an dessen Geschichte sie wieder anknüpfen wollen«. Die AG Geschichtsrevisionismus hatte anlässlich der Kircheneinweihung in Potsdam eigene Plakate aufgehängt, um »die Geschichtsklitterung nicht unkommentiert zu lassen«. Sie zeigten einen Kartoffelchip mit Pickelhaube, versehen mit der Überschrift »It’s Nazi-Kitsch«.

Es gelte, ihn als »Ort der Wachsamkeit« zu nutzen in einer Zeit, in der »die Feinde der Demokratie mehr werden«.

Christian Stäblein
Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz

Für die Finanzierung des Baus flossen nur mäßige Spenden, insbesondere im Vergleich zum Bau der Dresdner Frauenkirche. Um überhaupt starten zu können, stellte der Bundeshaushalt vor elf Jahren die erste zweistellige Millionensumme aus Bundesmitteln in Aussicht. Inzwischen sind es weit über 20 Millionen Euro, die aus dem Bundeshaushalt allein für den Turmbau geflossen sind, mehr als die Hälfte der rund 42,5 Millionen Euro sind Baukosten. Hinzu kamen Mittel aus kirchlichen Darlehen und Spenden.

Der Neubau der Garnisonkirche wurde indes 2017 von der Bundeswehr gepusht. Schon 1984 gründeten westdeutsche Offiziere einen Verein, der – für den Fall der Überwindung der staatlichen Teilung – auch den Wiederaufbau der Garnisonkirche zum Ziel hatte. Ein neues Glockenspiel wurde geschaffen und nach der Wende Potsdam zum Geschenk gemacht. Doch die evangelische Kirche vor Ort lehnte den Wiederaufbau mit Verweis auf die Geschichte zunächst ab. In ihr setzte aber ein Umdenken ein. Auch wenn sie sich an die Spitze der Befürworter gesetzt und von einigen der Radikalen getrennt hatte, war der Beifall sicher. Unterstützer für den Wiederaufbau waren auch die inzwischen verstorbenen Politiker Manfred Stolpe (Ministerpräsident, SPD), Jörg Schönbohm (Innenminister, CDU) und Altbundespräsident Richard von Weizsäcker. Kritik kam und kommt aus Teilen von Kirche, Stadtgesellschaft und Wissenschaft, vom evangelischen Pfarrer und DDR-Bürgerrechtler Friedrich Schorlemmer bis hin zur früheren Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD).

Noch fehlt die Haube, die das Gebäude mit fast 90 Metern Höhe endgültig zum höchsten von Potsdam machen würde. Aus den Kreisen der Stiftung hieß es, das werde aber noch anderthalb Jahre dauern, in denen man das Gebäude nicht ungenutzt stehen lassen wolle. Und da sind dann auch noch die Glocken, die aufzuziehen sind. An Gelegenheiten, auf sich aufmerksam zu machen, wird es der Garnisonkirche auch künftig nicht mangeln. Auch ihre Gegner, so kündigten sie an, wollen sich nicht geschlagen geben.

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