Kein Babysitter-Nanny-Staat

Andreas Koristka über die Bundesbauministerin und die Freiheit der Mieter

Wenn man nicht gerade im Stadtzentrum sucht, findet sich durchaus hier und da preiswerter Wohnraum.
Wenn man nicht gerade im Stadtzentrum sucht, findet sich durchaus hier und da preiswerter Wohnraum.

Es war ein Schock: Die Mietpreisbremse funktioniert nicht! Das belegen Daten des Portals »Mietenmonitor«. So wurde in Düsseldorf in jeder vierten Immobilienanzeige eine unzulässig hohe Miete verlangt. Dieser Skandal rief natürlich Bundesbauministerin Klara Geywitz von der SPD auf den Plan, die den geschundenen Mietern unverbrüchlich zur Seite steht. Sie sicherte allen Mietern das Recht zu, im Zweifelsfall gegen ihre Vermieter zu klagen. Mehr konnte sie leider nicht tun, weil wir »keinen Babysitter-Nanny-Staat [haben], der sich in Vertragsbeziehungen zwischen zwei Privatpersonen mischt«.

Wo kämen wir auch hin, wenn der Staat die Einhaltung der Gesetze kontrollieren oder seinen Bürgern die Windeln wechseln und ein Eis kaufen würde? Es wäre eine Infantilisierung der Menschen im Land, die ein gutes Recht darauf haben, neben ihrem Beruf als Amazon-Lagerarbeiter eine Klage gegen die Vonovia zu führen. Wer sich keinen Anwalt leisten kann, ist selbstverständlich dazu berechtigt, ein Jura-Fernstudium zu absolvieren, das Staatsexamen abzulegen und nach dem Referendariat als Volljurist zu arbeiten. So bleibt man geistig fit und entflieht der quälenden Monotonie des Alltags.

Und selbst, wenn sie es wollten, die Behörden könnten gar nicht den gesamten Mietmarkt überwachen. Ein Vermieter ist schließlich nicht jemand, den man wie einen Schwarzen in einer urbanen Parkanlage zur Ausweiskontrolle zitieren kann. Ganz im Gegenteil sind Vermieter Menschen mit Rechten bzw. Holdings mit Rechten und Sitz auf den Cayman Islands. Da gebietet es schon der gute Anstand, dass man sich ihre Immobilieninserate nicht durchliest.

Andreas Koristka
Autorenfoto von Andreas Koristka am Donnerstag, den 10. Oktober ...

Andreas Koristka ist Redakteur der Satirezeitschrift »Eulenspiegel«. Für »nd.DieWoche« schreibt er alle zwei Wochen die Kolumne »Betreutes Lesen«. Alle Texte unter dasnd.de/koristka.

Wenn die Mieter etwas dazu beitragen wollen, dass es wieder mehr günstigen Wohnraum gibt, dann sollten sie nicht nach einem starken Staat schreien, sondern ehrenamtlich mittun. Trotz aller redlichen Bemühungen des Bauministeriums von Klara Geywitz wird wohl im Jahr 2024 erneut das Ziel von 400 000 Neubauwohnungen in Deutschland verfehlt werden. Das liegt auch am Mitarbeitermangel und den hohen Personalkosten in der Bauwirtschaft, die man ein bisschen drücken kann, wenn man nach Feierabend selbst ein wenig auf den Baustellen unentgeltlich anpackt.

Frage nicht, was der Staat für dich tun kann, sondern frage, was du für die Immobilienunternehmen tun kannst! Das sollte das Credo aller Mieter werden. Aber leider geht es vielen von ihnen immer noch viel zu gut in ihren voll möblierten Zweizimmerwohnungen für 1700 Euro kalt. Man könnte es ihnen dort ein bisschen ungemütlicher machen, damit ein Umdenken angeregt wird und sie endlich aktiv werden: Staffelmietverträge, Nichtausführung von notwendigen Reparaturen und Eigenbedarfskündigungen könnten geeignete Mittel dafür sein.

Und wenn sich empörte Mieter dann mit Mistforken bewaffnet in Richtung Bauministerium aufmachen, dann sollte Klara Geywitz nicht darauf hoffen, dass die Polizei sie automatisch verteidigt. Denn wir leben nicht in einem Babysitter-Nanny-Staat.

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