Attentat von Solingen – mutmaßlicher Täter stellt sich

Politische Debatten über Messer, Asyl und Islamismus

Der mutmaßliche Täter von Solingen auf dem Weg zum Bundesgerichtshof.
Der mutmaßliche Täter von Solingen auf dem Weg zum Bundesgerichtshof.

In Solingen sollte eigentlich an diesem Wochenende der 650. Geburtstag der Stadt im Bergischen gefeiert werden. Doch unbeschwert gefeiert werden konnte nur wenige Stunden lang. Am Freitagabend stach ein Mann vor einer Bühne mit einem Messer um sich. Zwei Männer im Alter von 67 und 56 Jahren, sowie eine 56 Jahre alte Frau wurden bei dem Anschlag getötet. Acht weitere Menschen wurden verletzt, vier davon schwer. Der Täter konnte unerkannt vom Tatort entkommen. Polizeikräfte aus ganz Nordrhein-Westfalen wurden in der Nacht in Solingen einbezogen, finden konnte die Polizei den Täter zunächst nicht. Am Samstagmorgen und am Abend führten Spezialeinsatzkräfte zwei Festnahmen durch, die im Zusammenhang mit dem Attentat stehen sollen: Unter anderem wurde ein Jugendlicher festgenommen, der möglicherweise vor der Tat mit dem Täter über dessen Pläne gesprochen hatte. Ihm wird vorgeworfen, eine geplante Straftat nicht angezeigt zu haben.

Die Festnahme des eigentlichen Täters erfolgte am Abend »im Stadtgebiet«, wie es seitens der Polizei heißt. Ein Streifenwagen soll auf den Mann aufmerksam geworden sein, er soll sich den Beamten ohne Widerstand gestellt und ein Geständnis abgelegt haben. Der 26-Jährige stammt aus Syrien. 2022 soll er Asyl in Deutschland beantragt haben. Laut Berichten der »Welt« sollte der junge Mann eigentlich nach Bulgarien abgeschoben werden, dem ersten Land, in dem er in der EU registriert wurde. Er tauchte deshalb für mehrere Monate unter. Nachdem er wieder aufgetaucht war, wurde er einer Asylunterkunft in der Solinger Innenstadt zugewiesen. Als Islamist soll der Tatverdächtige den Behörden bislang nicht bekannt sein. Am Samstag hatte sich der »Islamische Staat« über seinen Nachrichtenkanal »Amaq« zu der Tat bekannt. Der Generalbundesanwalt hat die Ermittlungen übernommen.

Am Samstag besuchten Bundesinnenministerin Nancy Faeser und NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst Solingen. Beide verurteilten die Tat. Faeser sprach von einer »zutiefst widerwärtigen« Tat und rief dazu auf, zusammenzustehen und sich »nicht spalten« zu lassen. Hendrik Wüst sprach von einem »Akt des Terrors«, der »unsere Art des Lebens ins Wanken bringen« soll. Das werde aber nicht geschehen: »Wir werden uns nicht einschüchtern lassen von Terror und Hass, wir werden unsere Art zu leben verteidigen.«

Bundespolitisch sind wegen des Attentats von Solingen zahlreiche Debatten neu entbrannt. Eine von der SPD angestoßene Debatte über eine Verschärfung des Waffenrechts durch Messerverbote, die bisher bei FDP und Grünen abgelehnt wurde, stößt nun auf offene Ohren: Bundesjustizminister Marco Buschmann zeigte sich offen für Beratungen und Robert Habeck nannte eine Verschärfung des Waffenrechts notwendig. »Mehr Waffenverbotszonen und strengere Waffengesetze – Hieb- und Stichwaffen braucht niemand in Deutschland in der Öffentlichkeit. Wir leben nicht mehr im Mittelalter«, erklärte der Wirtschaftsminister.

Seit dem Bekenntnis des »Islamischen Staats« zur Tat und seit bekannt ist, dass es sich bei dem mutmaßlichen Täter um einen abgelehnten Asylsuchenden handelt, drehen sich die politischen Debatten vor allem um die Themen Islamismus und Asylpolitik. Friedrich Merz erklärte, nicht die Messer seien das Problem, »sondern die Personen, die damit herumlaufen«. Das seien in der Mehrzahl Geflüchtete und deren Motive seien meist islamistisch. Spätestens mit diesem Wochenende müsse allen klar sein: »Es reicht.« Die Bundesregierung sei nun gefragt. Merz forderte unter anderem einen Aufnahmestopp für Syrien und Afghanistan und zeitlich unbegrenzten Abschiebegewahrsam. SPD-Chefin Saskia Esken sprach sich gegenüber der »Rheinischen Post« für schnellere Abschiebungen aus. »Was jetzt erfolgen muss, ist die konsequente Abschiebung von Straftätern und islamistischen Gefährdern, auch nach Syrien und Afghanistan«, erklärte Esken. Außerdem forderte sie mehr Schutz für die Bevölkerung bei Festen. Die Länder sollten ihre Möglichkeiten nutzen, Messerverbotszonen auszuweisen und Videoüberwachungen durchzuführen.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier forderte im ZDF-Sommerinterview mehr Befugnisse für die Sicherheitsbehörden. »Es gibt ein Gesetzgebungsvorhaben innerhalb der Bundesregierung, die Zuständigkeiten des BKA bei Terrorismusgefahr zu erweitern. Ich glaube, darüber wird man jetzt beschleunigt beraten müssen«, sagte Steinmeier.

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