Kunstlurche mit Synonymwörterbuch

Die Smashing Pumpkins wollen immer wieder groß sein

  • Benjamin Moldenhauer
  • Lesedauer: 3 Min.
Sendungsbewusst wäre noch untertrieben: Smashing Pumpkins mit Sänger Billy Corgan (r.)
Sendungsbewusst wäre noch untertrieben: Smashing Pumpkins mit Sänger Billy Corgan (r.)

Alles an der Musik der Smashing Pumpkins will groß sein. Dementsprechend konzeptuell übersteuert wirkt das Ganze. Pumpkins-Sänger, -Gitarrist und -Großkünstler Billy Corgan schreibt, textet und singt, als hätte Punk dem ganzen Rockopergedöns 1977 nicht mit Fug und Recht ein Ende gemacht. Millionen Platten haben sie damit verkauft.

2023 erschien das Triple-Album »Atum«, dem laut Corgan dritten Teil einer 1995 mit »Mellon Collie and the Infinite Sadness« begonnenen Trilogie. Darauf wird beispielsweise in 33 Liedern und in über zwei Stunden die, so will es der Künstler, »Saga« von Shiny zu Ende erzählt, einem ehemaligen Rockstar, der wegen irgendwelcher etwas diffus bleibender Gedankenverbrechen ins All geschossen wurde. Dieser Shiny kehrt zurück zur Erde – die Herrschenden versuchen, ihn für ihre Zwecke einzuspannen; die Fans von damals wollen sein Erbe bewahren. Das Ganze verliert sich schnell im Ungefähren und Diffusen, aber man kann davon ausgehen, dass der Wirrwarr in seinem strukturbildenden Größenwahn eng verbunden ist mit dem Selbstentwurf der Künstlerpersona, die Billy Corgan spätestens seit »Atum« vorschwebt.

Plattenbau

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Seit die Smashing Pumpkins meinen, große Klangkunst machen zu müssen, laufen sie Gefahr, dass das alles klingt wie »Pink Floyds ›The Wall‹ auf Wish bestellt«. Das alberne Pompöse droht konstant und belastet die für sich genommen immer wieder ganz schönen Songs doch schwer. Lange vor ihrer Wiedergründung 2006 hatten die Smashing Pumpkins mit »Gish« und »Siamese Dream« zu Beginn der 90er Jahre zwei sehr gute Grunge-Alben in die Welt gestellt. Corgans Stimme war immer schon gewöhnungsbedürftig, wie man so sagt, doch das ist halt Geschmackssache. Die komprimierten, von Shoegaze und Stoner Rock infizierten Gitarren aber waren damals toll.

Auf dem neuen Album mit dem auch schon wieder sehr kunstsinnigen Titel »Aghori Mhori Mei« nimmt die Band erfreulicherweise Abstand vom tendenziell dominierenden Keyboard-Schwulst der letzten Jahre und packt die Axt aus. Gleich die ersten drei Stücke klingen so, als hätten sie auch 1996 erscheinen können. Natürlich kommt das immer noch maximal ambitioniert und mit dem Anspruch auf Deepness um die Ecke (»War Dreams Of Itself«), und zwar jener Deepness, die nah am Banalen gebaut ist. Wenn es balladesk wird, wird es bei den Smashing Pumpkins leider auch immer etwas unangenehm verklebt.

Jedenfalls singt Corgan viele ungewöhnliche Wörter, was den Texten den Anschein verleiht, sie seien mit einem immer griffbereiten Synonym-Wörterbuch auf dem Schreibtisch geschrieben worden (»On the down/ Need a hit of iridium/ On the town and tedium/ Ghastly bland chameleons«). Aber egal, als Mensch, der in nicht englischsprachigen Weltregionen aufgewachsen ist, kann man das ja geflissentlich überhören. Um sich dann über ein paar luftgitarrenwettbewerbstaugliche Songs zu freuen und anschließend vom inzwischen für diese Band wohl wirklich unvermeidlichen Kunstlurchschwulst quälen zu lassen.

Smashing Pumpkins: »Aghori Mhori Mei« (Martha’s Music – Thirty Tigers/Membran)

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