Fischereibranche: Im Netz der Politik gefangen

Die deutsche Fischereibranche fordert weniger Meeresschutz und mehr Subventionen

Hering aus deutschem Fang
Hering aus deutschem Fang

»Von der Politik fühlen wir uns komplett im Stich gelassen«, sagt Dirk Sander. Der Krabbenfischer leitet den Verband der Deutschen Kutter- und Küstenfischer (VDKK). Auf dem »Deutschen Fischereitag« – die größte Veranstaltung der Branche findet in diesem Jahr in Hamburg statt – wird viel geklagt.

Die 180 Kutter, die es noch an der Nordseeküste gibt, sind auf Krabben spezialisiert. Man fische ja gar keine Fische mehr, sagte Sander während der Auftaktpressekonferenz am Dienstag. Seezunge oder Scholle gingen schon seit vielen Jahren nicht mehr ins Netz, weil es diese Fischarten an der Küste nicht mehr gebe. Vor diesem Hintergrund zeichneten Politiker und Umweltschützer ein falsches Bild von einer Überfischung.

Dies sehen Kollegen an der Ostsee ähnlich. Hier fährt das Gros der deutschen Fischereiflotte: rund 1000 kleine Stellnetzkutter bis zwölf Meter Länge, die in Sichtweite der Küste operieren und laut Thünen-Institut in Rostock nicht einmal vier Prozent der deutschen Fänge beisteuern. Von den bedrohten Arten Dorsch und Hering hat man sich weitgehend verabschiedet; gefangen werden Schollen und Plattfische, die, so ist in Hamburg auch zu hören, als »Brotfisch« mangels Nachfrage der Verbraucher nicht taugten. Diese zögen Lachs und Fischstäbchen aus Seelachs vor.

Kritik an Politik und Regierungen macht sich an zwei Punkten fest: Der Ausbau von Nord- und Ostsee »zum größten Kraftwerk der Welt« (Olaf Scholz) kostet die Fischerei große Fanggebiete. Während in Dänemark und Großbritannien Windparkflächen mehrfach genutzt werden dürfen, gilt in Deutschland ein Fangverbot. Zum Ausgleich sollten die Fischer aus den Versteigerungserlösen für neue Windparkflächen – schon heute ein zweistelliger Milliardenbetrag – fünf Prozent erhalten. Der Haushaltsausschuss des Bundestages hat kürzlich diesen Betrag auf ein Prozent abgeschmolzen. Damit sei nicht auskömmlich zu wirtschaften, heißt es auf dem Fischereitag, und an eine Modernisierung der Flotte, um die CO2-Ziele zu erreichen, sei schon gar nicht zu denken.

Verärgert sind auch die Mitglieder des Deutschen Fischerei-Verbandes (DFV). Dieser wird seit 2019 von Gero Hocker geleitet, der zugleich landwirtschaftspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion ist, was für Diskussionen in und außerhalb des Verbandes sorgt, auch wegen des Umgangs der Bundesregierung mit der »Nahrungspyramide«: Wer oben die Spitze schützt, gefährde die Arten darunter. So gebe es in der Ostsee inzwischen über 40 000 Kegelrobben, die schätzungsweise neun Kilo pro Tag und Tier fressen. Diese dezimierten nun die Fischbestände, die ohnehin infolge höherer Wassertemperaturen und Überdüngung durch die Landwirtschaft strapaziert seien.

Das hat auch Folgen für den Markt. Nach aktuellen Daten ist die Eigenversorgung mit Fischprodukten in der EU auf 31 Prozent gesunken – vor zehn Jahren waren es noch 46 Prozent. In Deutschland betrage der Eigenanteil sogar nur noch 15 bis 20 Prozent. Diesen Trend gelte es aufzuhalten und umzukehren, so DFV-Präsident Hocker. Wie bei Energie und Rohstoffen gehe es auch bei der Ernährung um »Resilienz«.

In der Erzeugung von Fisch und Meeresfrüchten sind laut Verbandsangaben in Deutschland rund 6000 Menschen beschäftigt. Weitere 15 000 bis 20 000 Beschäftigte sind von der einheimischen Erzeugung abhängig. Dazu tragen auch die Binnenfischerei und Fischzucht in Teichen bei, mit denen schätzungsweise 100 Millionen Euro erlöst werden. Der Umsatz der Meeresfischerei (Kutter und Hochsee) betrug im Jahr 2023 insgesamt 182 Millionen Euro, ein Minus von 2,8 Prozent.

Ein Großteil des deutschen Fangs entfällt auf die »Große Hochseefischerei«. Nach zwei Stapelläufen in diesem Jahr fahren nun sechs deutsche Trawler über die Weltmeere. Die Flotte sei »klein, aber modern«, betont Spartenvorsitzender Uwe Richter aus Sassnitz. Die in Rumänien und Norwegen gebaute »Berlin« der Reederei Deutsche Fisch-Fang Union aus Cuxhaven ist der neueste deutsche Supertrawler, 84 Meter lang und über 50 Millionen Euro teuer.

Natürlich dürfen bei einer Wirtschaftsveranstaltung die üblichen Klagen über rechtliche Vorgaben und Bürokratie nicht fehlen. Diese gefährdeten das Wachstum der Aquakultur, klagt der DFV unter Verweis auf das Wasser-, Naturschutz- und Fischseuchenrecht. So könne etwa das Potenzial der Muschelproduktion in Schleswig-Holstein nicht ausgeschöpft werden.

Aquakultur, also die kontrollierte Zucht, hat mittlerweile weltweit die Fischerei überholt. In Deutschland sieht es anders aus: So produzierten die Aquakulturbetriebe im vergangenen Jahr laut Statistischem Bundesamt rund 35 200 Tonnen, darunter auch Algen. Die Hochsee- und Küstenfischerei brachte dagegen im vergangenen Jahr annähernd 157 000 Tonnen Fisch, Krusten- und Weichtier an Land – trotz aller Klagen der Verbandslobbyisten.

»Von der Politik fühlen wir uns komplett im Stich gelassen.«

Dirk Sander Verband der Deutschen
Kutter- und Küstenfischer
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