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Ludwig Guttmann legte den Grundstein für die Paralympics
Inmitten des Zweiten Weltkrieges wirkte der deutsch-jüdische Arzt mit »visionärer Kraft«
Am Mittwochabend wurden die 17. Paralympischen Sommerspiele in Paris eröffnet. Um die Ursprünge dieser Sportveranstaltung besser zu verstehen, muss man mehr als 80 Jahre zurückgehen. Während des Zweiten Weltkrieges kehrten Tausende britische Soldaten mit schweren Verletzungen in ihre Heimat zurück. Darunter waren viele Kampfpiloten mit einer Querschnittslähmung, 80 Prozent von ihnen starben innerhalb von zwei Jahren.
Ludwig Guttmann wollte die Hoffnung nicht aufgeben. Der deutschstämmige Neurologe revolutionierte ab 1943 in Aylesbury, nordwestlich von London, die Behandlung von Rückenmarksverletzten. Die Betroffenen lagen nun nicht mehr in der hintersten Ecke des Krankenhauses, stattdessen erhielten sie eine Rundumversorgung, ihre Lebenserwartung stieg.
»Ich bin begeistert von der visionären Kraft von Herrn Guttmann«, sagt Thomas Abel, Professor für paralympischen Sport an der Deutschen Sporthochschule Köln. »Ludwig Guttmann war nicht von Mitleid getrieben. Er wollte die Rehabilitation der Patienten stärken. Und damit auch die Chance, dass sie irgendwann wieder eine Arbeit aufnehmen können.«
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Im Herbst 1944 stieß Guttmann dann auf Patienten, die in ihren Rollstühlen durch den Krankenhausflur stürmten. Dabei schoben sie mit Spazierstöcken eine Scheibe über das Parkett. Guttmann spielte mit – es war die Geburt von Rollstuhlpolo. Bald trieben immer mehr Patienten Sport. 1948 organisierte Guttmann im Park des Krankenhauses einen Wettkampf im Bogenschießen für 16 Kriegsversehrte. Diese Spiele von Stoke Mandeville begannen im Juli 1948 am selben Tag wie die Olympischen Spiele in London.
Diese Spiele fanden nun regelmäßig statt, 1952 bereits mit 130 Sportlern aus mehreren Ländern. Sie waren das Fundament für die Paralympics, die seit 1960 alle vier Jahre ausgetragen werden, in der Regel kurz nach den Olympischen Spielen. Doch dabei sei es nicht nur um Sport gegangen, sagt Andrew Parsons, der Präsident des Internationalen Paralympischen Komitees (IPC): »Ludwig Guttmann hatte nicht nur den einzelnen Patienten im Blick, sondern auch das Gemeinwesen. Mit Sport konnten die Patienten ihre Reha beschleunigen. Sie konnten wieder eine Arbeit aufnehmen, Steuern zahlen und damit das Gesundheitswesen und den Staat entlasten.«
Wegen seiner Errungenschaften hält die paralympische Bewegung Ludwig Guttmann in Ehren. 2014 wurde er posthum in die Hall of Fame, also in die Ruhmeshalle des deutschen Sports, aufgenommen. Aber warum in Deutschland?
Der deutsch-jüdische Mediziner Guttmann hatte in den 1920er Jahren in einer Klinik in Breslau gearbeitet. Nach dem Machtantritt der Nazis wurde er entlassen und wechselte an das Jüdische Krankenhaus der Stadt. Während der »Reichsprogromnacht« gewährte er 64 Juden Zuflucht im Krankenhaus. 1939 floh Guttmann mit 40 Mark in der Tasche nach England. Mit dabei: seine sechsjährige Tochter Eva, die inzwischen Eva Loeffler heißt und immer wieder an ihren Vater erinnert.
»Die britischen Soldaten nannten meinen Vater am Anfang herablassend ›The Kraut‹«, erinnert sich Eva Loeffler. »Doch schon nach wenigen Wochen nannten sie ihn Poppa, sie haben ihn geliebt.« Nach dem Krieg kam Guttmann für Forschungen immer wieder nach Deutschland. Geehrt wurde er auch wieder kurz vor den Paralympics in Paris – auf einer Veranstaltung des IPC in Stoke Mandeville.
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