Tödliche Angriffe auf Journalisten in der Region Kurdistan

Die Autonome Region Kurdistan im Nordirak wird von der türkischen Armee immer stärker unter Beschuss genommen

  • Tim Krüger
  • Lesedauer: 3 Min.
Bei einer Protestdemonstration in Suleymaniah wurden die Porträts der ermordeten Journalistinnen Hêro Bahadin (l.) und Gulistan Taro gezeigt.
Bei einer Protestdemonstration in Suleymaniah wurden die Porträts der ermordeten Journalistinnen Hêro Bahadin (l.) und Gulistan Taro gezeigt.

Es ist kurz nach 10 Uhr, als sich am vergangenen Freitag nahe der kurdischen Metropole Suleymaniah im Nordirak ein Luftangriff ereignet. Während der Journalist Rêbîn Bekir am Steuer sitzt, schlägt während der Fahrt plötzlich eine Rakete in das Auto ein. Das Fahrzeug geht augenblicklich in Flammen auf.

Bekir hat Glück. Er wird von der Wucht der Explosion aus dem Fahrzeug geschleudert und überlebt verletzt. Bekirs Kolleginnen, Gulistan Taro und Hêro Bahadin, verlieren noch an Ort und Stelle ihr Leben. Ihre Körper verbrennen in den Flammen bis zur Unkenntlichkeit.

Die drei Journalisten waren gerade auf dem Weg in die östlich gelegene Region Hewreman, um dort im Auftrag der Produktionsfirma Chatr Multimedia Production einen Dokumentarfilm zu drehen. Während die Rakete laut der Behörden der Autonomen Region Kurdistan von einer türkischen Drohne abgefeuert wurde, hüllt sich das türkische Verteidigungsministerium bis dato in Schweigen.

Seit Anfang Juli hat die türkische Armee ihre Operationen gegen Guerillaeinheiten der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) im Nordirak intensiviert und mit tausenden Soldaten und schwerem Gerät die Grenze der Autonomen Region Kurdistan überschritten.

Für den Generaldirektor von Chatr Multimedia Productions, Kemal Heme Reza, steht fest, dass nur die Türkei als Täter infrage kommt. »Alle Journalisten, die den türkischen Faschismus bloßstellen und darüber berichten, wie er Kurdistan niederbrennt und Zivilisten ermordet, müssen damit rechnen, zum Ziel zu werden«, sagt Heme Reza. Seine Firma sei seit ihrer Gründung Ende 2009 immer an erster Stelle gewesen, wenn es darum ging, über Kriegsverbrechen der türkischen Armee zu berichten.

Heme Reza geht von einem gezielten Angriff aus. Die beiden getöteten Journalistinnen arbeiteten seit Jahren für verschiedene kurdische Nachrichtenagenturen und berichteten auch über die Folgen der türkischen Kriegsführung im Nordirak. Gulistan Tara, die 1982 in der Stadt Batman im kurdischen Teil der Türkei zur Welt kam, war mehr als 20 Jahre lang für Medien im Irak und in Syrien im Einsatz. Hêro Bahadin, 1992 geboren, stammte aus Suleymaniah und war seit sieben Jahren bei Chatr angestellt. Rêbîn Bekir lieferte »nd« zuletzt Anfang Juli Informationen aus den Kampfgebieten.

Die Organisation Reporter ohne Grenzen hatte sich zwei Tage vor dem tödlichen Attentat mit einem alarmierenden Bericht über die Zunahme der Gewalt gegen Medienschaffende in Kurdistan an die Öffentlichkeit gewandt. So verlor erst kürzlich Murad Mirza Ibrahim, ein 27-jähriger Mitarbeiter von Çira TV, bei der Bombardierung eines Fahrzeugs des jesidischen Kanals in der Region Şengal sein Leben. »Mit dem Mord an dem Journalisten von Çira TV und unseren beiden Kolleginnen Gulistan und Hero wird die Botschaft gesendet, dass jeder, der es wagt, über die Besatzung zu sprechen, getötet werden wird«, betont gegenüber »nd« der Journalist aus Suleymaniah Rêbaz Hasan.

Bereits im Oktober 2022 war die Redakteurin Nagihan Akarsal der kurdischen Monatszeitschrift »Jineolojî« vor ihrer Haustür in Suleymaniyah von einem Attentäter mit elf Schüssen regelrecht hingerichtet worden. Aktivisten vermuten, dass der türkische Geheimdienst MIT hinter der Ermordung der Journalistin steckt.

Auch die kurdischen Autonomiebehörden gehen immer wieder rabiat gegen oppositionelle Stimmen vor. So verurteilte im Juli ein Gericht in der Provinz Dohuk einen Redakteur der Nachrichtenagentur Roj News unter dem Vorwurf der Spionage und vermeintlichen Zugehörigkeit zur nordsyrischen Partei der Demokratischen Union (PYD) zu drei Jahren Haft. Mit Blick auf die prekäre Lage der Journalisten im Nordirak forderte Reporter ohne Grenzen die Behörden in Irakisch-Kurdistan auf, die Praxis von »Einschüchterung und Gewalt« gegen Medienschaffende zu beenden.

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