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Populismus in der Mitte: Einfache Antworten am Laternenmast
Wie sich Populismus im Thüringer Landtagswahlkampf zeigt
Dass die AfD, die in Thüringen als rechtsextrem eingestuft wird, seit ihrer Gründung die Instrumente des Populismus benutzt, ist ausführlich beschrieben worden. Sie unterscheidet sich dabei nur wenig von rechten, rechtspopulistischen oder rechtsextremen Parteien in Ungarn, Polen, Frankreich oder Italien. Mit ihrer Art und Weise der politischen Kommunikation hat sie dafür gesorgt, dass auch im Freistaat der Populismus seinen ganz festen Platz in der Landespolitik hat. Wenig überraschend prägt er deshalb auch den Landtagswahlkampf. Das gilt sowohl dann, wenn man – was eine eher einfache Annäherung an den Populismus ist – es als populistisch versteht, dass dort inhaltsleere, aber kulturkämpferische Floskeln präsentiert werden. Allgemeinplätze wie zum Beispiel der Slogan »Ja! Zur Jugend!«, der auf vielen AfD-Plakaten zu lesen ist.
Diese Diagnose ist aber auch dann zutreffend, wenn man – was einem eher wissenschaftlichen Zugang zum Phänomen des Populismus entspricht – es als populistisch versteht, dass dort die Mär von einem angeblich homogenen Volk verbreitet wird, das einen homogenen Willen hat und sich gegen angeblich bösartige Eliten wehren muss. Das ist eine Lesart der Welt, die neben der AfD in einem erheblichem Umfang auch das BSW verbreitet, zum Beispiel gekleidet in den Vorwurf, ganz anders als die Bundesregierung wollten »die Menschen« vor allem »im Osten« doch »Frieden« und »mehr Diplomatie« im Ukraine-Konflikt. Wo immer das BSW und seine Vertreter in diesen Tagen auftreten, verbreiten sie diese Botschaft, ganz so, als würde die Bundesregierung (sprich: »die Eliten«) den Krieg in der Ukraine gezielt anheizen, gegen den Willen einer überwältigenden Mehrheit der Menschen im Land.
Ähnlich ist es mit dem BSW-Slogan »Maulkorb oder Meinung«, der auf unzähligen Plakaten gedruckt ist, von denen die BSW-Gründerin Sahra Wagenknecht herunterblickt. Nicht nur, dass damit der falsche Eindruck erweckt wird, Wagenknecht stehe bei dieser Landtagswahl selbst zur Wahl. Der Subtext hier: Nur mit mir könnt ihr bei der Landtagswahl eure Meinungsfreiheit wieder bekommen, die euch die »woken Eliten« genommen haben.
Das Wahljahr 2024 ist kein beliebiges. Schon lange nicht mehr war die Zukunft der Linken so ungewiss, noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik waren die politische Landschaft und die Wählerschaft so polarisiert, noch nie seit der NS-Zeit war eine rechtsextreme, in Teilen faschistische Partei so nah an der Macht. Wir schauen speziell auf Entwicklungen und Entscheidungen im Osten, die für ganz Deutschland von Bedeutung sind. Alle Texte unter dasnd.de/wahljahrost.
Jenseits von AfD und BSW bedient sich inzwischen allerdings auch die CDU – und damit eine selbsternannte »Partei der Mitte« – im Landtagswahlkampf in erheblichem Maß populistischer Kommunikationsstrategien. Auch die Union nämlich konstruiert die Idee, es gebe ein homogenes Thüringer Volk und nur sie verstehe, was dieses wirklich will – wobei die CDU unter ihrem Spitzenkandidaten Mario Voigt klug genug ist, nicht ähnlich plump wie die AfD vom »Volk« zu schwadronieren. Stattdessen ist für die CDU im Wahlkampf die Formulierung »Wir Thüringer« zentral, nachdem Voigt zuvor jahrelange ständig von »die Leute« geredet hat. »Wir Thüringer wollen, dass Leistung sich lohnt«, ist eine Variante. »Wir Thüringer wollen Unterricht statt Ausfall«, eine andere.
Dass es »die Thüringer« überhaupt nicht gibt, weil ein 49-jähriger Familienvater aus Weimar völlig andere alltägliche Probleme und damit politische Wünsche hat als eine 22-jährige Studentin, die in Schmalkalden wohnt, oder eine 84-jährige Witwe aus Hüpfstedt – diese Realität blendet dieses Konzept völlig aus. Wie für populistische Ansätze üblich wird so eine scheinbar einfache Realität beschrieben, in der es scheinbar einfache Antworten gibt. Und: Auf diese Art wird ausgegrenzt. Was ist mit denen, denen es egal ist, ob an Schulen Unterricht ausfällt, etwa weil sie weder Kinder noch Enkel haben? Was ist mit denen, die finden, dass Leistung kein leitendes Prinzip für ein gutes Leben ist? Nach dem Wording der Union sind diese Menschen keine Thüringer.
Für die Zeit nach der Wahl, für die sich alle politischen Parteien vorgenommen haben, die gesellschaftlichen Gräben zuzuschütten, sind das keine guten Aussichten.
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