»Neues Aserbaidschan« ist unangefochten

Regierungspartei steht bei Parlamentswahlen wieder vor absoluter Mehrheit

  • Bernhard Clasen
  • Lesedauer: 3 Min.
Hauptsache vorgezogen: Im Februar gaben die Wähler in Aserbaidschan ihre Stimme bei den Präsidentschaftswahlen ab, jetzt bei den Parlamentswahlen.
Hauptsache vorgezogen: Im Februar gaben die Wähler in Aserbaidschan ihre Stimme bei den Präsidentschaftswahlen ab, jetzt bei den Parlamentswahlen.

Turnusgemäß wäre das Parlament in Aserbaidschan erst im November gewählt worden. Doch da ist die UN-Klimakonferenz. Und damit diese Umweltkonferenz nicht die Aufmerksamkeit der Bevölkerung für die Parlamentswahlen schmälert, hat Präsident Ilham Aliew per Erlaß am 28. Juni das Parlament aufgelöst und vorzeitige Neuwahlen für den 1. September angesetzt. Sensationen werden diese Wahlen mit Sicherheit nicht bringen. 1052 Bewerber sind registriert. Davon stammen 308 von politischen Parteien. 25 von 26 bekannten politischen Parteien nehmen an den Wahlen teil. Doch niemand glaubt ernsthaft, dass eine andere Partei als die Partei des Präsidenten, »Neues Aserbaidschan«, die absolute Mehrheit im Parlament erhalten wird.

Vor wenigen Tagen kündigte Masachir Pachanow, der Vorsitzende der Wahlkommission an, dass man dieses Mal Wahltinte einsetzen wolle. Die Wähler müssen kurz vor der Stimmabgabe ihren Finger in ein Glas mit einer für mehrere Tage nicht abwaschbaren Tinte eintauchen. Damit soll verhindert werden, dass Bürger zwei Mal ihre Stimme abgeben.

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Auch in Nagorni Karabach wird gewählt

Zum ersten Mal seit der Unabhängigkeitserklärung Aserbaidschans wird auch in Nagorni Karabach gewählt. So wird einer der 125 Abgeordneten des nächsten Parlaments die Region Berg Karabach vertreten.

Inzwischen sind 2562 Wahlbeobachter registriert. Hinzu kommen 267 internationale Wahlbeobachter aus 46 Ländern, vor allem aus der Interparlamentarischen Versammlung der GUS, aus Russland, der Ukraine, der Türkei und Georgien. Wahlbeobachter des Europarats wird es hingegen nicht geben. Aserbaidschan hat sie nicht eingeladen. Seit dem Ausschluss Aserbaidschans aus der Parlamentarischen Versammlung des Europarats im Januar kriselt es zwischen Aserbaidschan und dem Europarat. Das Land hat den Abgeordneten der Parlamentarischen Versammlung des Europarats, die im Januar für seinen Ausschluß aus der Parlamentarischen Versammlung gestimmt hatten, die Einreise verboten. Aserbaidschan wendet sich zunehmend vom Westen ab. Zwei Tage nach dem Besuch von Wladimir Putin in Baku am 19. August reichte das Land einen Antrag auf Mitgliedschaft im Schwellenländerstaatenbündnis um Brasilien, Russland, Indien und China (Brics) ein.

Selbstzweifel sind der aserbaidschanischen Führung fremd. Erst kürzlich hatte Ajchan Gadschisade, Sprecher des Außenministeriums, Aserbaidschan als eines der führenden Länder bezüglich politischer Stabilität bezeichnet. Und damit das so bleibt, sind Medien fest in Regierungshand – und über 20 kritische Journalisten in Haft.

Wahlboykott durch die Opposition der Volksfront

Neben der Pressefreiheit ist in Aserbaidschan auch die Meinungs- und Versammlungsfreiheit erheblich eingeschränkt, Regierungskritiker werden verfolgt und inhaftiert; laut Human Rights Watch sind zahlreiche politische Aktivisten in Gefangenschaft. Auf der jährlichen »Rangliste der Pressefreiheit« der Nichtregierungsorganisation Reporter ohne Grenzen liegt das Land auf Platz 151 von 180.

Vor wenigen Tagen wurde Bahruz Samedow verhaftet. Ihm wird Hochverrat vorgeworfen. Er hatte sich in der Vergangenheit wiederholt mit Armeniern getroffen. Der Wissenschaftler, Doktorand an der Karls-Universität in Prag, ist einer der wenigen öffentlichen Kritiker von Präsident Ilham Aliew. Und so ist es auch kein Wunder, dass gerade die bekannteste Oppositionspartei, die Volksfront, die Wahlen boykottieren will. Man habe sich für den Boykott entschieden, da mehr als 300 politische Gefangene in Haft seien, es keine Versammlungsfreiheit gebe, die Wahlkommissionen unter der vollen Kontrolle der Machthaber stünden, es unmöglich sei, den Abstimmungsprozess und die Stimmenauszählung zu kontrollieren, und es keine freie Presse im Land gebe, so die Volksfront.

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