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Verhärtung der Fronten
Venezuelas Präsident Nicolás Maduro beruft einen Hardliner zum Innenminister und stärkt das Militär
Am Mittwoch gingen sie wieder auf die Straße. Exakt einen Monat nach der umstrittenen Präsidentschaftswahl in Venezuela vom 28. Juli zeigte sich Oppositionsführerin María Corina Machado in Caracas. »Wir werden dafür sorgen, dass der Chavismus abtritt«, rief sie Hunderten Anhänger*innen zu. Zeitgleich hielt auch die Regierung Kundgebungen ab. Der Tag zeigte vor allem: Große Massen mobilisiert derzeit keines der beiden Lager. Auf der Straße wird der Machtkampf vorerst nicht entschieden werden.
Nach wie vor gibt es zwei Versionen des Wahlergebnisses. Offiziell hat Amtsinhaber Nicolás Maduro mit 51,95 Prozent gewonnen. Die genauen Ergebnisse aus den Wahllokalen blieb der Nationale Wahlrat (CNE) mit Hinweis auf einen vermeintlichen Cyberangriff schuldig. Die Opposition geht hingegen davon aus, dass ihr Kandidat Edmundo González 67 Prozent der Stimmen geholt hat. Die Zahl ergibt sich aus gut 83 Prozent der ihr zugänglichen Wahlakten, die ihre Zeug*innen in den Wahllokalen als Ausdrucke der Wahlmaschinen erhalten und wenige Tage nach der Wahl im Internet veröffentlicht haben. Die Regierung beharrt darauf, dass die Akten gefälscht seien und Teil eines breit angelegten Putschplans darstellten.
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Am 22. Juli entschied das regierungsnah besetzte Oberste Gericht (TSJ), das vom CNE verkündete Ergebnis sei korrekt. Die Generalstaatsanwaltschaft lud daraufhin González vor, um sich zu den von der Opposition veröffentlichten Wahlakten zu äußern. Der Ex-Kandidat, der sich seit der Wahl versteckt hält, kam den ersten beiden Vorladungen allerdings nicht nach. Sollte González der dritten Vorladung an diesem Freitag (Ortszeit) ebenfalls fernbleiben, werde »die Staatsanwaltschaft im Einklang mit dem Gesetz entsprechende Maßnahmen ankündigen«, erklärte Generalstaatsanwalt Tarek William Saab am Mittwoch.
Der CNE ließ indes die gesetzlich vorgeschriebene 30-Tage-Frist zur Veröffentlichung detaillierter Wahlergebnisse verstreichen. Zwar ging die Website des Wahlrates am 26. August kurzzeitig wieder online. Nach einem angeblichen weiteren Cyberangriff verschwand sie aber umgehend wieder vom Netz. Doch selbst wenn der CNE die Zahlen aus den Wahllokalen noch veröffentlichen würde, können diese das Ergebnis längst nicht mehr wasserdicht belegen. Denn der Wahlrat ließ nach der Wahl mehrere vorgeschriebene Überprüfungsschritte hinsichtlich der korrekten Übertragung der Ergebnisse ausfallen. Daher kann nur ein Abgleich mit den Wahlakten und möglicherweise den Kontrollausdrucken der einzelnen Stimmen auf Papier das Ergebnis glaubhaft belegen. Sollten die von der Opposition veröffentlichen Wahlakten also gefälscht sein, ließe sich dies auf einfache Art und Weise aufzeigen. Die Regierung hat sich allerdings auf den Standpunkt zurückgezogen, dass die Wahl nun einmal elektronisch abgehalten werde und die Institutionen für den korrekten Ablauf und die Anerkennung des Wahlergebnisses zuständig seien. Jegliche Forderung nach mehr Transparenz stellt sie unter Generalverdacht, Teil des unterstellten Putschplans seitens der US-Regierung und rechten Opposition zu sein.
Große Massen mobilisiert derzeit keines der beiden Lager.
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Es ist absehbar, dass aus dem Wahlprozess kein breit anerkanntes Ergebnis mehr hervorgehen wird. Gemeinsam mit dem brasilianischen Staatschef Luiz Inácio »Lula« da Silva sowie dem mexikanischen Präsidenten Andrés Manuel López Obrador zählt die kolumbianische Regierung unter Gustavo Petro zu den wenigen internationalen Akteuren, die möglicherweise auf die Lage einwirken könnten. Die drei Länder forderten nach der Wahl nicht nur ein transparentes Ergebnis, sondern machen sich für einen Verhandlungsprozess stark und verlangten die bedingungslose Aufhebung der Sanktionen. Das Urteil des TSJ nahmen Brasilien und Kolumbien lediglich »zur Kenntnis«. Petro ging noch einen Schritt weiter und schlug eine vorübergehende Koalitionsregierung vor, die Neuwahlen vorbereiten solle. Sowohl Regierung als auch Opposition lehnen Petros Vorschläge jedoch ab und erteilen einer Wahlwiederholung eine Absage. Maduro warf Brasilien und Kolumbien, deren derzeitige Präsidenten früher als enge Verbündete des Chavismus galten, gar Einmischung in innere Angelegenheiten vor. Als direkte Nachbarländer haben beide vor allem ein starkes Interesse daran, dass sich Venezuela nicht weiter destabilisiert.
Sollte die Dialoginitiative der Mitte-links-Regierungen scheitern, werden ein Großteil der Opposition und verbündete Staaten ab Beginn der neuen Amtszeit am 10. Januar wohl González als legitimen Präsidenten anerkennen – auch wenn dieser bis dahin möglicherweise unter Hausarrest stehen, im Gefängnis oder Exil sein wird.
Es droht eine erneute Isolierung Venezuelas, verstärkte Hinwendung zu autoritären Regimen und ein repressiver Kurs gegen regierungskritische Stimmen im Inneren. Nach der Wahl wurden bereits mehr als 2000 Menschen verhaftet, darunter auch mehrere Oppositionspolitiker*innen, Journalist*innen und Menschenrechtsverteidiger*innen. Eine breite Regierungsumbildung Maduros Ende August deutet auf eine Verhärtung der Fronten hin. So ernannte der Präsident den Hardliner Diosdado Cabello zum neuen Innenminister. Cabello gilt seit Jahren als die Nummer zwei des Chavismus und vermeintlicher Rivale Maduros. In den vergangenen Jahren hatte er zahlreiche wichtige Positionen im Parlament und der regierenden Vereinten Sozialistischen Partei Venezuelas (PSUV) inne, gehörte aber bislang nie dem Kabinett Maduros an. Zudem stärkte Maduro im Zuge der Regierungsumstellung sowohl das Militär als auch wirtschaftsliberale Sektoren. Eine Entspannung ist nicht in Sicht.
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