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»It Ends With Us«: Nur noch ein einziges Mal eine Frau hassen
Nadia Shehadeh hat sich eine Schmonzette im Kino angesehen - und kann ihr trotz einiger Makel einiges abgewinnen
Kürzlich war ich allein im Kino. Daran ist nichts ungewöhnlich, denn das mache ich öfter. Ungewöhnlich war aber meine Motivation für den Kinobesuch: Getrieben wurde ich ins Cineplex durch Informationen zu einem Film, über den ich (erst unfreiwillig, dann freiwillig) eine Menge im Internet gelernt hatte. Die Rede ist von »It Ends With Us«, einem Liebesdrama, das auf der Romanvorlage von Colleen Hoovers gleichnamigen Weltbestsellers beruht. Hoovers Buch, das 2016 erschien, entpuppte sich für die Autorin als Eier legende Wollmilchsau: Millionenfach verkauft ließ sich noch allerhand Begleitwerk an den Mann beziehungsweise viele Frauen bringen: zum Beispiel ein Malbuch. Alles sehr mainstreamig – und auch ein bisschen unangenehm, wenn man das eigentliche Hauptthema von »It Ends With Us« kennt: häusliche Gewalt.
Die Kinoproduktion von »It Ends With Us« reiht sich ein in die aggressive »Wir holen hier alles raus, was geht«-Mentalität, die schon die Romanverkäufe angeheizt hat. Ein unfreiwillig peinliches Marketing begleitete den Filmstart dabei schon von Anfang an: Produkte aus einer Haarpflegereihe und eine Alkoholmarke, die beworben wurden. Dazu ein anscheinend zerstrittenes Team hinter den Kulissen. Als i-Tüpfelchen eine Hauptdarstellerin (Blake Lively), die in Interviews peinliche und ignorante Dinge sagt (und besagte Haarpflege- und Alkoholunternehmen besitzt). Mit »Freunden und Blumen« solle man ins Kino kommen, riet Lively dem potenziellen Publikum in Interviews – so, als würde sie zu einer Flower-Power-Vernissage laden.
Und last, but not least gibt es einen Regisseur und Hauptdarsteller (Justin Baldoni), der eine schmierige Hauptfigur spielt und im echten Leben einen Podcast namens »The Man Enough« betreibt. Und der vielleicht – so Gerüchte – eine PR-Kampagne zur Schadensbegrenzung anhand der negativen Rückmeldungen zum Film initiiert hat, was ihn meiner Meinung nach auch im echten Leben ein bisschen schmierig wirken lässt. Nein, respektvoll vermarktet wird die Geschichte über häusliche Gewalt nicht. Aber: Kann man das überhaupt?
Nadia Shehadeh ist Soziologin und Autorin, wohnt in Bielefeld und lebt für Live-Musik, Pop-Absurditäten und Deko-Ramsch. Sie war lange Kolumnistin des »Missy Magazine« und ist außerdem seit vielen Jahren Mitbetreiberin des Blogs Mädchenmannschaft. Zuletzt hat Shehadeh bei Ullstein das Buch »Anti-Girlboss. Den Kapitalismus vom Sofa aus bekämpfen« veröffentlicht. Für »nd« schreibt sie die monatliche Kolumne »Pop-Richtfest«.
Ich dachte, im Kinosessel würde mich der Hass auf den Film und die schmonzettenhaft konstruierte Geschichte ereilen. Stattdessen aber fühlte ich mich komisch. Einerseits saß ich in einer Tagesvorstellung zwischen lauter Teenagern und jungen Erwachsenen in einem Cineplex. Andererseits aber packte mich der Film dann doch an manchen Stellen. Dabei ist der Plot reine Reißbrettware: Die Hauptfigur, gespielt von Blake Lively, heißt ernsthaft Lily Blossom Bloom und will – Nomen ist schließlich Omen – in Boston einen Blumenladen eröffnen. In ihrem Umfeld sind alle reich und schön, während sie nur schön ist, aber wenigstens mit ihrem charmanten Entrepreneur-Vorhaben das Zeug zum verträumten Trad-Girlboss hat. Zwischendurch lernt sie dann den Neurochirurgen Ryle Kincaid kennen und ist ganz schnell verliebt, verlobt und irgendwann verheiratet – nun ist sie ein Tradwife-Girlboss. Es gibt die quirlige beste Freundin, einen netten Soundtrack und ansonsten nichts für die Ewigkeit.
Und dann aber versteht man nach und nach: Irgendwas stimmt hier nicht. Ryle ist natürlich nicht der Traummann aus dem Bilderbuch, sondern ein jähzorniger und gewalttätiger Problem-Dude. Ein Haushaltsunfall, ein versehentliches Schubsen: Rückblenden auf die Beziehung und eine schwierige Kindheit mit einem aggressiven Vater offenbaren, dass Lily die ihr in der Beziehung widerfahrene Gewalt immer wieder verdrängt und beschönigt hat. Emotional an den Rand ihrer Kräfte gebracht, wurde sie zur unzuverlässigen Erzählerin – etwas, in dem sich anscheinend viele Menschen wiederfinden.
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Im Kino wurde auf jeden Fall um mich herum ein bisschen geschluchzt – gerade auch zum Ende des Films. Und zum Schluss auch eine wichtige Botschaft, die so leicht verdaulich und abrupt kommt, dass man sie harsch kritisieren kann. Die aber auch dadurch umso prägnanter und ohne Umschweife kommt. Nämlich, dass man einen missbräuchlichen Partner verlassen muss.
Natürlich ist »It Ends With Us« ein Film mit vielen Makeln – wie das halt so ist bei durchgestylten Blockbustern. Es gibt relativ eindimensionale Protagonist*innen und unlogische Wendungen. Und unglaublich oft fehlt in bestimmten Szenen die Tiefe, die vielleicht im Buch anders konstruiert wurde. Es ist halt ein Schmonzfilm mit Drama-Anteilen basierend auf einem Schmonz-Buch. Also genau das, was man erwarten konnte.
Umso erstaunlicher ist es, dass sich nun global auf Blake Livelys Fehltritte konzentriert wird, als sei Hoovers Buch ein wichtiges Aufklärungswerk erster Güte gewesen, dem man eine angemessene Kinoproduktion schuldet – und nicht etwa vorrangig Berieselungs- und Verkaufsmaterial. Dabei schafft der Film unterm Strich dennoch eines: zu zeigen, wie aus einer Liebesgeschichte eine Missbrauchsgeschichte wird. Dass der Plot weltweit millionenfach vor allem ein junges Publikum anspricht, zeigt, dass es nach wie vor wichtig ist, sich diesem Thema zuzuwenden. Und zwar am besten nicht mit Hass, den man auf die Hauptdarstellerin projiziert, weil man vermeintlich die besseren Lektionen auf Lager hat. Denn die hat man nämlich nicht.
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