Gelenkte Volksentscheidung

Die Präsidentschaftswahl in Tunesien ist im Vorfeld entschieden

  • Cyrus Salimi-Asl
  • Lesedauer: 2 Min.
Präsidentschaftswahl in Tunesien – Gelenkte Volksentscheidung

Der amtierende tunesische Staatspräsident Kais Saied bereitet für die Wahl am 6. Oktober die Amtsnachfolge vor: Er will sein eigener Nachfolger werden. In den letzten Jahren hat sich der autokratisch gebärende Saied verschiedener juristischer und halblegaler Tricks bedient, um politische Gegner auszuschalten und auf seinem Thron zu bleiben. Der letzte Streich war die Festnahme eines der beiden zugelassenen Gegenkandidaten.

Die Vorwürfe gegen die ausgesiebten Präsidentschaftsanwärter laufen zumeist darauf hinaus, dass sie angeblich keine ausreichende Unterstützung vom Wahlvolk hätten, also nicht genug Unterschriften. Die Wahl des tunesischen Staatspräsidenten ist bereits entschieden – im Vorfeld, nicht erst am Wahltag in den Wahlkabinen. Man kennt eine solche Auslese unliebsamer Kandidaten zum Beispiel aus dem Iran. Mit einer wirklichen Wahl zwischen Personen und deren politische Programme hat das nicht mehr viel zu tun.

Kais Saied ist davon überzeugt, der einzig richtige Präsident für sein Land zu sein. Er erinnert in seiner egomanischen Verbohrtheit, mit der er sich an die Macht klammert, an Republikgründer Habib Bourgiba. Nur hat er weder dessen Charisma noch Meriten aus dem antikolonialen Kampf: Als Bourgiba 1957 erster Präsident Tunesiens wurde, war Saied noch nicht geboren, aber eine Vision muss er trotzdem haben: Vergangenes Jahr sagte er, er werde »das Land nicht an Nicht-Patrioten ausliefern«. Unterstützung erhält er von der EU, die seine migrationsfeindlichen Ansichten schätzt.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.