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Brandenburg vor der Wahl: Die Demokratie ist brüchig

Vor der Brandenburg-Wahl will der Landeswahlleiter jeden Fehler vermeiden. Das deutet an, wie sehr der Parlamentarismus bedroht ist

Ein beschmierter Wahlaufsteller von hinten: Nicht nur die Parteien, die demokratischen Strukturen allgemein stehen in Brandenburg auf der Probe.
Ein beschmierter Wahlaufsteller von hinten: Nicht nur die Parteien, die demokratischen Strukturen allgemein stehen in Brandenburg auf der Probe.

Die parlamentarische Demokratie befindet sich im Dauerstresstest. Sie kämpft um ihr Überleben. Nach Sachsen und Thüringen ist nun Brandenburg der nächste Austragungsort.

Nicht genug, dass Verfassungsfeinde Diskurse und Wahlergebnisse dominieren. Oder, dass die Sitzverteilungen in den jüngst gewählten Parlamenten, auch durch das erstmals angetretene und sofort erfolgreiche Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), die ostdeutschen Bundesländer Sachsen und Thüringen nahe an die Unregierbarkeit gebracht haben – zumindest, wenn man weiterhin Koalitionen mit der AfD ausschließt. Auch kleinste Fehler im Wahlablauf können das Vertrauen in die Demokratie und die sie begründenden Strukturen und Prozesse weiter durchlöchern.

Rational lassen sich die gegenwärtigen Entwicklungen kaum begreifen. Jede noch so kleine Unregelmäßigkeit führen die AfD und das Fahrwasser, in dem sie sich bewegt, als Beleg dafür an, wie undemokratisch doch das herrschende System sei, das lediglich dem Machterhalt der etablierten Parteien diene. Zugleich vollzog sich in den vergangenen Jahre vor dieser Kulisse der gesellschaftliche und parlamentarische Machtaufbau der AfD. Die Saat des Misstrauens in die Demokratie ist zur Frucht der parlamentarischen Stärke der AfD gereift. Und abermals fühlt sich die AfD betrogen, wenn sie nun erneut von der Regierungsbildung ausgeschlossen wird.

Wahljahr Ost

Das Wahljahr 2024 ist kein beliebiges. Schon lange nicht mehr war die Zukunft der Linken so ungewiss, noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik waren die politische Landschaft und die Wählerschaft so polarisiert, noch nie seit der NS-Zeit war eine rechtsextreme, in Teilen faschistische Partei so nah an der Macht. Wir schauen speziell auf Entwicklungen und Entscheidungen im Osten, die für ganz Deutschland von Bedeutung sind. Alle Texte unter dasnd.de/wahljahrost.

Wie sehr kleinste Verfahrensfehler in die Karten der Rechten spielen können, deutet der mutmaßliche Wahlbetrug der Freien Sachsen an. Dabei wurden wohl nicht ins Gewicht fallende 126 Wahlzettel manipuliert. Die eigentlich gesetzten Kreuze wurden kaum merklich überklebt und stattdessen neue Kreuze bei den Freien Sachsen gesetzt. Inzwischen ermittelt die Generalstaatsanwaltschaft Dresden. Der Leipziger Soziologe und Rechtsextremismusforscher Johannes Kiess schätzte gegenüber dem ZDF ein, dass es den Tätern bestimmt nicht um 126 Stimmen mehr oder weniger gegangen sei, sondern darum, das demokratische System vorzuführen. »Das Kernanliegen von Faschisten und Rechtsextremen ist immer, die Demokratie sturmreif zu schießen« sagte Kiess dem ZDF. »Und an diesem brandgefährlichen Punkt sind wir jetzt.« Auch die AfD wird in Sachsen und Thüringen vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft, in Brandenburg gilt sie als rechtsextremer Verdachtsfall.

Mit Blick auf die Wahl des Landtags am 22. September erklärte Brandenburgs Landeswahlleiter Josef Nußbaum: »Genauigkeit geht vor Schnelligkeit.« Während einer Pressekonferenz im Landtag sagte Nußbaum am Freitag, er habe in der Vergangenheit ja schon einigen Wahlen beigewohnt. »Wenn das vorläufige Ergebnis am Wahlabend vor 24 Uhr vorliegt, können wir frohen Mutes in den Spiegel sehen.« Mit 27 500 Wahlhelfer*innen sei der Bedarf abgedeckt. Leider liege ihm bisher keine genaue Beschreibung der sächsischen mutmaßlichen Wahlfälschung vor. Man werde aber ausreichend Hinweise für die Wahlhelfer*innen bereitstellen. Besonders die Wahlvorstände hält der Landeswahlleiter für versiert genug: »Wir werden genau draufschauen und im Zweifel die Wahlzettel gegen das Licht halten.« Das werde aber das Auszählungsprozedere nicht beschleunigen.

»Wir werden doppelt und dreifach rechnen, um nicht korrigieren zu müssen.«

Josef Nußbaum
Landeswahlleiter Brandenburg

Ein weiterer Aufreger der Sachsen-Wahl war, dass eine zunächst in Aussicht gestellte Sperrminorität doch nicht erreicht werden konnte. Manch AfD-Anhänger*in witterte schon Wahlbetrug des Establishments. Am Ende wurde das Ergebnis aber gar nicht gerändert. Unrühmlich war es dennoch, dass wegen einer nicht erfolgten Softwareumstellung die Sitzverteilung falsch berechnet wurde. Mit der hiesigen Situation sei das aber schwerlich zu vergleichen, so der Wahlleiter. Es komme ein ganz anderes Programm zum Einsatz. Dennoch meint Nußbaum: »Wir werden doppelt und dreifach rechnen, um nicht korrigieren zu müssen.«

Auch in Brandenburg deutet sich wie zuvor in Sachsen und Thüringen eine wachsende Wahlbeteiligung an, zumindest wenn man die Zahl der beantragten Briefwahlunterlagen als Maßstab nimmt. Bis zum 3. September gingen laut dem Landeswahlleiter 356 000 Anträge ein. 2019 habe die Zahl zum vergleichbaren Zeitpunkt bei 205 000 gelegen, sagt Nußbaum. »Die Briefwahl muss abgeschafft werden«, fordert die AfD in ihrem Landeswahlprogramm für Brandenburg.

Kein Geheimnis ist, dass nicht nur die demokratische Grundordnung, sondern eben auch die Parteien, die sie bisher prägten, unter Druck stehen. Eine am Donnerstag veröffentlichte Wahlumfrage des Meinungsforschungsinstituts Infratest Dimap kommt zu dem Schluss, dass die AfD nach den Wahlen in Sachsen und Thüringen in Brandenburg weiter in der Wählergunst führt. Seit Juli ist die Zustimmung zur AfD von 23 auf 27 Prozent gewachsen. Die SPD legt ebenfalls um vier Prozentpunkte auf 23 Prozent zu. Alle anderen Parteien stagnieren oder verlieren leicht. Das BSW liegt bei 15 Prozent und die Linke kann mit ihren derzeit vier Prozent nur erneut in den Landtag einziehen, wenn sie ein Direktmandat erringt.

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