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Erster Schritt zur Tariftreue
Das Arbeitsministerium hat einen Gesetzentwurf zur Stärkung der Gewerkschaften vorgelegt
Die öffentliche Hand in Deutschland vergibt jährlich Aufträge in Höhe eines dreistelligen Milliardenbetrages. Doch bislang sind Unternehmen, die für den Bund Aufträge ausführen, nicht zur Einhaltung von Tarifverträgen verpflichtet. Das soll sich mit dem geplanten Tariftreuegesetz ändern. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) gab am Montag bekannt, dass er einen entsprechenden Gesetzentwurf in die sogenannte Ressortabstimmung mit den anderen Ministerien gegeben hat.
Laut Entwurf, der »nd« vorliegt, sollen Unternehmen, die Aufträge von mehr als 25 000 Euro für die Bundesregierung übernehmen, ihren Beschäftigten zumindest für die Dauer des Auftrags »tarifvertragliche Arbeitsbedingungen« gewähren. Dabei geht es um Standards bei Entlohnung, Mindestjahresurlaub sowie Höchstarbeits-, Ruhe- und Pausenzeiten. Damit will das Ministerium »Nachteile tarifgebundener Unternehmen im Wettbewerb um öffentliche Aufträge« ausgleichen, wie es heißt.
Wesentlich ist dabei, dass Nachunternehmer und Leiharbeitsfirmen, die durch Auftragnehmer des Bundes angeheuert werden, ebenfalls von der Regelung umfasst werden. Insbesondere dort fallen Betriebe immer wieder durch Tarifflucht auf. »Das ist ein essenzieller Bestandteil, um Umgehungskonstruktionen in Sub-Sub-Ketten und Unterauftragsvergaben zu vermeiden«, erklärt Arbeitsrechtler Ernesto Klengel auf nd-Anfrage. Er ist Direktor des gewerkschaftsnahen Hugo-Sinzheimer-Instituts (HSI). »Ohne die Nachunternehmer einzubeziehen, ergibt die Tariftreue wenig Sinn«, unterstreicht er.
Hintergrund des Gesetzesvorhabens ist die seit Jahren sinkende Tarifbindung von Unternehmen in Deutschland, primär in kleinen und mittleren Unternehmen. Aber auch jeder fünfte Dax-Konzern und Großunternehmen wie Amazon und Tesla verweigern entsprechende Verträge. Insgesamt lässt sich nur noch ein Viertel der Betriebe in Deutschland auf Abschlüsse mit Gewerkschaften ein. Die Bundesregierung hatte in ihrem Koalitionsvertrag versprochen, hier gegenzusteuern.
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Um zu gewährleisten, dass die Unternehmen die Vorgaben einhalten, will Arbeitsminister Heil eine neue Prüfstelle gründen, die mit dem Zoll zusammenarbeitet. Dieser ist bereits für die Bekämpfung von Schwarzarbeit zuständig. Für eine Untersuchung durch die Behörden nach dem Tariftreuegesetz soll ausreichen, dass Beschäftigte oder »sonstige Dritte« Hinweise geben. Als Sanktionsmöglichkeiten seien Vertragsstrafen sowie der Ausschluss von weiteren Vergabeverfahren vorgesehen, erklärt Klengel. Das sei ein guter Schritt, »dahinter sollte ein Gesetz nicht zurückfallen«. Doch entscheidend werde sein, dass die Behörden auch personell ausreichend ausgestattet sind, betont er.
Nicht weniger bedeutend ist der zweite Teil des Gesetzentwurfs. Darin legt das Arbeitsministerium eine Reform des Betriebsverfassungsgesetzes und des Tarifvertragsrechts vor. Demnach sollen Gewerkschaften ein digitales Zugangsrecht zu Betrieben erhalten, etwa indem sie eine Liste der E-Mail-Adressen von Beschäftigten erhalten, um sie zu kontaktieren. Aber auch bei Betriebsausgliederungen soll das Tarifrecht gestärkt werden, wenn »die Leitungsmacht über einen Betrieb in den Händen desselben herrschenden Konzernunternehmens verbleibt«.
»Auf diese wichtigen Signale für gute Arbeit haben wir lange gewartet.«
Yasmin Fahimi DGB-Vorsitzende
Die Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Yasmin Fahimi, begrüßte den Schritt. »Auf diese wichtigen Signale für gute Arbeit haben wir lange gewartet«, sagte sie am Montag. Jetzt müsse die Bundesregierung ihr Versprechen zur Tariftreue schnell beschließen.
Kritik kommt dagegen vom Koalitionspartner FDP. Der zuständige Berichterstatter und mittelstandspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Carl-Julius Cronenberg, warnt in einer Stellungnahme gegenüber »nd« vor einer »Bürokratiebelastung« für Betriebe. Start-ups und Kleinunternehmen sollten »von den neuen Regelungen grundsätzlich ausgenommen werden«, fordert er.
Dass der Gesetzentwurf in seiner derzeitigen Fassung beschlossen wird, ist unwahrscheinlich. Zunächst muss er durch die Ressortabstimmung im Kabinett. In diesem Rahmen können auch andere Ministerien Einfluss auf das Gesetz nehmen. Insbesondere Finanzminister Christian Lindner (FDP) dürfte auf eine Verwässerung pochen. Erst wenn der Kabinettsbeschluss vorliegt, kann der Entwurf in den entsprechenden Bundestagsausschüssen beraten und danach im Parlament abgestimmt werden. Bis dahin ist es noch ein langer Weg.
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