Carolabrücke in Dresden: Einsturz kommt Sanierung zuvor

Nach teilweisem Kollaps der Dresdner Carolabrücke wird über den Zustand der Infrastruktur debattiert

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 4 Min.
Der eingestürzte Teil der Carolabrücke
Der eingestürzte Teil der Carolabrücke

»Der liebe Gott«, sagt Michael Kretschmer, »meint es gut mit Dresden.« Die Aussage des sächsischen Ministerpräsidenten scheint einerseits etwas gewagt an einem Tag, an dem eine der wichtigsten Verkehrsadern der Stadt kollabierte. Andererseits wirkte nicht nur der CDU-Regierungschef erleichtert, weil bei dem Unglück wie durch ein Wunder niemand zu Schaden gekommen war. Der Einsturz war kurz nach drei Uhr nachts erfolgt, als kaum Fahrzeuge auf dem tagsüber stark frequentierten Straßenzug unterwegs gewesen waren. Die letzte Straßenbahn hatte die Brücke um 2.50 Uhr überquert.

Die Carolabrücke, die in ihrer derzeitigen Form zwischen 1967 und 1971 errichtet wurde, besteht aus drei parallelen Brückenzügen. Über zwei davon rollt auf je zwei Spuren der Autoverkehr. Über den dritten führen Straßenbahngleise und ein Fußweg – dieser ist von dem Unglück betroffen. Ein 100 Meter langes Teilstück ist eingestürzt; die Trümmer liegen in der Elbe. Weitere Abschnitte sind akut einsturzgefährdet. Sie lägen nur noch wenige Zentimeter auf den Pfeilern auf, hieß es.

Die Brücke ist auf unbestimmte Zeit für den Verkehr gesperrt. Da es sich um ein Teilstück der Bundesstraße 170 und damit eine der wichtigsten Nord-Süd-Verbindungen in der Stadt handelt, sind die Folgen gravierend. Auch eine Straße entlang der Elbe ist betroffen, zudem der Elberadweg und die Schifffahrt auf dem Fluss einschließlich der Ausflugsdampfer. Nach dem Unglück war zunächst auch die Fernwärmeversorgung unterbrochen. Heißes Wasser trat aus beschädigten Rohren in die Elbe aus, Krankenhäuser gingen vom Netz und sagten Operationen ab. Das Wärmenetz ging aber binnen weniger Stunden wieder in Betrieb.

Die Ursache des Unglücks, das sich ausgerechnet am Jahrestag der Anschläge auf das World Trade Center in New York im Jahr 2001 ereignete, blieb zunächst unklar. Die Polizei betonte, es gebe »keine Anhaltspunkte für eine Dritteinwirkung«, und mahnte, in den sozialen Netzwerken keine Falschmeldungen zu teilen. Dabei ging es unter anderem um Videos mit arabischer Schrift, die in Umlauf gebracht worden waren. Beim Verdacht von Straftaten werde der Staatsschutz ermitteln, hieß es.

Wahrscheinlich ist, dass es sich bei dem Unglück um technisches Versagen handelt. Die Brücke galt seit Jahren als marode. Die beiden für den Autoverkehr reservierten Brückenzüge waren ab 2019 bereits saniert worden; die Stadt gab dafür 11,4 Millionen Euro aus. Der jetzt kollabierte Teil sollte ab 2025 überholt werden; die erforderlichen 8,4 Millionen Euro waren bereitgestellt. Beim jüngsten Brücken-TÜV war der Abschnitt in diesem Frühjahr mit dem zweitschlechtesten Prädikat »nicht ausreichend« bewertet worden. Als Mängel wurden unter anderem freiliegende korrodierte Bewehrungen am Brückenkasten aufgeführt. Holger Kalbe, Abteilungsleiter im Dresdner Straßen- und Tiefbauamt, sagte allerdings, es sei »nicht vorhersehbar« gewesen, dass die Brücke so marode sei, dass sie einstürzen würde. »Man steckt in so einem Bauwerk halt nicht drin«, sagte er vor Journalisten und fügte hinzu: »Das ist ein Morgen, den wollen Sie nie erleben.«

Die Beinahe-Katastrophe löste eine politische Debatte über den Zustand der Infrastruktur und die Finanzierung ihrer Instandhaltung im Freistaat aus. Rico Gebhardt, Chef der Linksfraktion im sächsischen Landtag, erklärte, es müssten alle Brücken geprüft, ihre Sanierung beschleunigt und die »Investitionsbremse« abgeschafft werden. Sachsens DGB-Chef Markus Schlimbach bezeichnete Fotos der kollabierten Brücke als »Symbolbilder für den Zustand der Infrastruktur« und beklagte, im Wahlkampf in Sachsen sei »viel zu wenig über notwendige Investitionen gesprochen« worden. Sachsens AfD warf der Staatsregierung vor, Brücken »systematisch kaputt gespart« zu haben. BSW-Bundeschefin Sahra Wagenknecht forderte eine »Investitionsoffensive« für Straßen, Brücken und Schulen, wozu die Schuldenbremse reformiert werden müsse.

Bedrohlich ist der Kollaps der Brücke nicht zuletzt, weil dadurch quasi ein künstlicher Staudamm in der Elbe entstanden ist. Meteorologen warnen für das Wochenende vor einer sogenannten Vb-Wetterlage und enormen Regenmengen von bis zu 400 Litern je Quadratmeter in Teilen Mitteleuropas. Die Hochwassergefahr sei beträchtlich. Betroffen ist nicht zuletzt Tschechien – und damit das Einzugsgebiet der Elbe, deren Wasser in Dresden um und über die Trümmer der Carolabrücke strömt.

»Man steckt in so einem Bauwerk halt nicht drin.«

Holger Kalbe
Dresdner Straßen- und Tiefbauamt
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