Rechtsruck in Sachsen: »Wir werden weitermachen«

Doritta Kolb-Unglaub leitet in Plauen ein Demokratieprojekt und wurde von rechten Jugendlichen bedroht

  • Interview: Yaro Allisat
  • Lesedauer: 4 Min.
Doritta Kolb-Unglaub vor dem Treff des von ihr mitgegründeten Vereins colorido in Plauen, der sich für Inklusion und Integration engagiert
Doritta Kolb-Unglaub vor dem Treff des von ihr mitgegründeten Vereins colorido in Plauen, der sich für Inklusion und Integration engagiert

Am 21. August sind Sie bedroht worden. Die Polizei ermittelt wegen Bedrohung und Volksverhetzung und hat den Staatsschutz eingeschaltet. Was ist passiert?

Unser Demokratieförderverein hat eines der »Wahllokale« betrieben, in denen die U18-Wahl in Plauen stattfand. Diese finden bundesweit immer kurz vor Landtags- und Bundestagswahlen als eine Art Praxissimulation für Jugendliche statt. Schon morgens kam eine Berufsvorbereitungsklasse herein. Da gab es einen »rechten Block«. Die Jugendlichen haben immer wieder Kommentare in unsere Richtung gemacht. Die Lehrerinnen haben mich aber fast noch mehr aufgeregt: Eine von ihnen bediente die Hufeisentheorie, deutete also an, »Linke« seien genauso schlimm wie »Rechte«. Im Nachgang sagte eine Lehrerin sogar, wir seien doch selbst schuld, dass ihre Schüler hier so redeten.

Und wie ging es weiter?

Am Nachmittag, kurz vor Schließung des Lokals, kamen fünf Jungs herein und meinten: »Wir wollen die NSDAP wählen.« Ich habe gesagt, dass das zum Glück nicht mehr geht und dass alles Weitere auf den Wahlzetteln steht. Die haben sie dann auch genommen. Dann haben sie die Regenbogenfahne auf einem Tisch entdeckt. Sie wollten sie mitnehmen und verbrennen, meinten sie. Ich habe ihnen gesagt, dass das nicht gehe. Sie haben sich in die Tür gestellt und gesagt: »Aber zum CSD am Samstag, da kriegt ihr richtig auf die Fresse.« Ich habe sie gefragt, ob sie sich nicht schämten, ich könnte ihre Großmutter sein. Dann sind sie abgezogen. Vor einiger Zeit haben wir auch eine anonyme Drohung per E-Mail bekommen, dass uns demnächst mal gezeigt werde, wo es langgeht.

Interview

Doritta Kolb-Unglaub ist geschäftsführende Vorständin des Demokratiefördervereins Colorido im sächsischen Plauen. Die 62-jährige Sozialpädagogin engagiert sich seit langem für Demokratie und politische Bildung, Inklusion und Integration und gegen jede Form von Diskriminierung.

Ihr Verein ist nicht das erste Mal mit rechten Angriffen und Bedrohungen konfrontiert, oder?

Nein, aber es hat eine andere Qualität, weil es so viele junge Leute sind. Bei den U18-Wahlen haben hier im Vogtlandkreis 54 Prozent der Jugendlichen für die AfD gestimmt. Seit ungefähr vier Wochen gibt es die »Vogtland-Revolte«, so nennen sie sich – seit der Christopher-Street-Day-Parade in Bautzen, die massenhaft von Nazis angegriffen wurde. In sozialen Medien hieß es: Das können wir im Vogtland auch. Aber es sind nicht mehr wie früher Leute, denen man ihre Gesinnung ansieht, so mit Springerstiefeln, sondern richtige Milchreisbubis, so hätte man die früher genannt, und auch Mädchen. Wer sie anführt und anheizt, wissen wir noch nicht. Die Polizei beobachtet sie, deshalb haben sie uns ernst genommen nach dem Vorfall bei der U18-Wahl. Dass die AfD in Thüringen stärkste Kraft geworden ist, hat sicher auch damit zu tun, dass mit 16 gewählt werden durfte. Ich war immer dafür, dass auch junge Menschen wählen dürfen. Aber hier muss erst Aufklärung erfolgen, und das leistet die Schule zu wenig.

Was ist für Sie die Konsequenz aus der Bedrohungslage?

In Greiz ist AfD-Landeschef Björn Höcke mit jungen Menschen Moped gefahren. Wir waren dort bei einem Demokratiefest. Auf dem Rückweg kamen uns vier Jugendliche entgegen. Der eine streckte den Arm und sagte: »Der Führer grüßt.« Ich habe nur noch auf den Boden geschaut. Wird es so werden in Zukunft, dass wir nur noch auf den Boden schauen? Ich war zu DDR-Zeiten Oppositionelle. Dass es jetzt wieder losgeht, finde ich furchtbar. Dieses Weggucken, damit man nicht als Andersdenkende erkannt wird. Deshalb schaue ich sehr kritisch auf die Wahlergebnisse und zwar nicht nur wegen der AfD. Es ist schlimm, dass auch das Bündnis Sahra Wagenknecht so viele Stimmen bekommen hat.

Wahljahr Ost

Das Wahljahr 2024 ist kein beliebiges. Schon lange nicht mehr war die Zukunft der Linken so ungewiss, noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik waren die politische Landschaft und die Wählerschaft so polarisiert, noch nie seit der NS-Zeit war eine rechtsextreme, in Teilen faschistische Partei so nah an der Macht. Wir schauen speziell auf Entwicklungen und Entscheidungen im Osten, die für ganz Deutschland von Bedeutung sind. Alle Texte unter dasnd.de/wahljahrost.

Wie geht es jetzt für Ihren Verein und andere Initiativen weiter?

Noch sind wir knapp an der Sperrminorität für die AfD in Sachsen vorbeigekommen. Aber es gibt schon Stimmen, die sagen, dass wir als Verein einfach aufhören sollten. Das werden wir nicht tun. Aber die Lage wird für uns natürlich nicht leichter, zumal Ministerpräsident Michael Kretschmer schon gesagt hat, dass wir froh sein sollen, wenn bis Weihnachten in Sachsen eine Koalition zustande kommt. Das heißt, dass Demokratie-Förderrichtlinien für das nächste Jahr frühestens danach verhandelt werden – da werden wir also erstmal gar nichts bekommen. Wir müssen jetzt dafür kämpfen, dass der Vogtlandkreis die »Demokratie leben!«-Fördergelder vom Bund beantragt, denn daran hängen viele tolle Projekte hier. Wir sind bundesweit und regional gut vernetzt. Wir kämpfen um das Demokratiefest, das jedes Jahr am 3. Oktober hier im Dreiländereck Sachsen-Thüringen-Bayern stattfindet und nun einer AfD-Veranstaltung weichen soll. Wir müssen den Resilienz-Muskel jeden Tag ein wenig stärken.

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