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Sicherheit durch Entrechtung
Erste Beratung zu Asylrechtsverschärfungen der Ampel im Bundestag: Ablehnung nur von links
Fast alle Politiker, die am Donnerstag im Bundestag zu Wort kamen, erklärten mehr Abschottung und Repressalien gegen Geflüchtete zu sinnvollen Maßnahmen zur Verbesserung des Schutzes vor Terror und Gewalt. Anlass der Einlassungen unter anderem von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und Justizminister Marco Buschmann (FDP) war die erste Beratung des Gesetzespakets der Ampel-Koalition zur »Verbesserung der inneren Sicherheit und des Asylsystems«.
Dass die Bundesregierung nach diversen Asylrechtsverschärfungen nun weitere Gesetze ändern will, begründet sie mit dem mutmaßlich islamistischen Anschlag von Solingen im August, bei dem ein Syrer drei Menschen tötete und acht weitere verletzte. Der 26-Jährige sitzt in Untersuchungshaft. Er hätte eigentlich 2023 nach Bulgarien abgeschoben werden sollen, was aber scheiterte.
Die CDU/CSU-Fraktion brachte am Donnerstag noch einen eigenen Antrag in den Bundestag ein, mit dem sie erneut noch mehr Zurückweisungen Schutzsuchender an den deutschen Grenzen forderte, die die Ampel nach juristischer Prüfung als rechtswidrig einschätzt. Sie verwies auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Der Unionsantrag wurde vorerst in den zuständigen Ausschuss verwiesen.
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CDU-Chef Friedrich Merz schlug dennoch vor, die Zurückweisungen – die auch in den Nachbarländern auf erheblichen Widerstand stoßen dürften – zunächst für drei Monate zu »testen«. Allein die »Signalwirkung« dieser Maßnahme werde den Zustrom nach Deutschland in kürzester Zeit stark reduzieren, betonte der CDU-Chef gegenüber den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Am Dienstag waren gemeinsame Gespräche von Ampel und Union zum Thema Migrationsabwehr gescheitert, weil CDU und CSU die genannte Forderung von der Regierung nicht ausreichend berücksichtigt sahen.
Faeser sagte bei der Einbringung ihrer Vorschläge ins Parlament, man ziehe damit die »notwendigen Konsequenzen« aus der Gewalttat von Solingen. Man agiere dabei mit »Augenmaß« und zugleich mit der »notwendigen Härte«.
Die beiden Gesetzentwürfe der Regierung sehen Messerverbote etwa bei Volksfesten und im Fernverkehr sowie an Orten mit »hoher Kriminalitätsbelastung«, nochmals erweiterte Ermittlungsbefugnisse für die Behörden in der Terrorismusbekämpfung und die Streichung von Sozialleistungen für Menschen vor, für deren Asylverfahren ein anderer Staat zuständig ist und deren Abschiebung bereits angeordnet ist.
Faeser lobte zugleich die konstruktiven Gespräche mit der Union und betonte, die Tür für deren Fortsetzung sei »jederzeit offen«. Unions-Parlamentsgeschäftsführer Thorsten Frei (CDU) sagte im Anschluss an Faesers Rede, die Ampel-Gesetzentwürfe enthielten »viele vernünftige Maßnahmen, die wir durchaus unterstützen können«. Die Union habe »ein Interesse, dass die Teile, die wirklich für mehr Sicherheit in Deutschland sorgen, zügig durchs Parlament gehen«. Es sei aber notwendig, »die illegale Migration nach Deutschland möglichst zu stoppen«, so Frei. Dafür seien umfängliche Zurückweisungen »das einzige probate Mittel«.
Auch die Bundesregierung will die Zahl der Zurückweisungen Geflüchteter an der Grenze deutlich erhöhen, von denen es seit dem vergangenen Oktober mehr als 30 000 gab. Dazu hatte Faeser eine Ausweitung stationärer Grenzkontrollen auf alle deutschen Landgrenzen ab dem kommenden Montag angekündigt.
Die einzige Rede gegen das Gesetzespaket der Ampel hielt am Donnerstag die scheidende Vorsitzende der Linken, Janine Wissler. Damit sei »der feuchte Traum eines jeden AfDlers zu Regierungshandeln geworden«, sagte sie. Indem man die Forderungen der rechten Partei übernehme, schwäche man diese nicht, im Gegenteil: »Diesen Wettbewerb der Schäbigkeit werden Sie nicht gewinnen.« Vielmehr schaffe man »den Nährboden für Autoritarismus und Faschismus«, warnte die Linke-Politikerin.
Die Maßnahmen seien zudem teure Symbolpolitik, die kein Problem lösten. »Verbessern Sie die Lebensverhältnisse aller, statt Sündenbockdebatten zu führen«, rief Wissler den anwesenden Regierungsmitgliedern zu. Und fügte hinzu: »Natürlich müssen wir in einer Einwanderungsgesellschaft über Migration sprechen, aber ohne zu entmenschlichen, ohne Rassismus zu befeuern und ohne Migranten zum Sicherheitsrisiko zu erklären.«
Mit den geplanten Grenzkontrollen spiele man zudem Schleppern in die Hände, weil man Menschen zwinge, über die »grüne Grenze« zu gehen. »Man sollte nie versuchen, das Stinktier zu überstinken«, mahnte Wissler mit Blick auf die AfD. Dafür bekam sie eine Rüge von Bundestagspräsidentin Bärbel Bas.
Im Gegensatz dazu befand sich Jessica Tatti vom Bündnis Sahra Wagenknecht auf einer Linie mit der Union. Auch das BSW fordert die faktische Zurückweisung aller Ausländer an den Grenzen. Zusätzlich will es, dass alle, die unbemerkt ins Land gekommen sind, nachweisen sollen, dass sie nicht über einen sicheren Drittstaat eingereist sind. Generell tue die Regierung viel zu wenig: »Dem deutschen Staat kann man auf der Nase herumtanzen, und die Ampel ist nicht willens, daran etwas zu ändern.«
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