Berliner Quereinstieg: Ex-Rüstungsprofi plant Friedensstatue

Die Friedensstatue in Mitte soll weichen – bei einem möglichen Nachfolgeprojekt zeigen sich fragwürdige Verbindungen

  • Jule Meier
  • Lesedauer: 8 Min.
Noch gibt es sie: Die Friedensstatue in Moabit.
Noch gibt es sie: Die Friedensstatue in Moabit.

Aris Tage sind gezählt. Die Duldung für das Mädchen in traditioneller koreanischer Kleidung, das die Friedensstatue im Ortsteil Moabit zeigt, läuft am 28. September aus. Seit 2020 erinnert das Denkmal an die Geschichte der sogenannten Trostfrauen, die in Korea unter japanischer Kolonialherrschaft während des Zweiten Weltkriegs als Zwangsprostituierte versklavt wurden. Der Korea-Verband hatte das Friedensdenkmal initiiert, um an sexualisierte Gewalt im Krieg zu erinnern.

Kurz bevor Ari gehen soll, ist ein neuer Akteur in der Diskussion um die Nachfolge des Mahnmals aufgetaucht: Der Berliner Verein Society against Sexual Violence in Conflict (SASVIC) hat sich bei der Kommission »Kunst im Stadtraum« des Bezirksamts darum beworben, ein eigenes Denkmal zur Erinnerung an sexualisierte Verbrechen im Krieg zu errichten. Vorsitzende der Kommission ist die Bezirksbürgermeisterin von Mitte, Stefanie Remlinger (Grüne).

SASVIC ist laut Vereinsregister und Aussagen von Vereinsschatzmeisterin Ines Rölekes gegenüber »nd« am 21. Juni gegründet worden. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) bereits angekündigt, die Friedensstatue »verändern« zu wollen. Die Website des Vereins ist noch im Aufbau, lediglich Informationen zu den Vorständen lassen sich dort derzeit finden.

Sowohl Schatzmeisterin Röleke als auch der erste Vorsitzende Daniel Walther arbeiten für Higgins, eine Consulting-Firma, deren Anliegen es ist, »die Geschäfte westeuropäischer Firmen im Osten zu erweitern«. Walther selbst war vier Jahre lang beim Rüstungskonzern Cassidian Eads tätig, der mittlerweile zu Airbus Defence and Space gehört. Er war darüber hinaus bei der Jungen Union (JU). Während seiner Amtszeit als Schatzmeister im Bundesvorstand der JU sollen Spenden aus einer in der »arabischen Welt« tätigen Firma, in der Walther damals im Beirat gesessen haben soll, an die Junge Union geflossen sein. Diese soll im Gegenzug Kontakte zur Bundesregierung an jene Firma vermittelt haben. Das geht aus der Berichterstattung der »Taz« von 2014 hervor.

Tilo Fuchs ist der zweite Vorsitzende von SASVIC. Fuchs gilt als Vertreter des Realo-Flügels der Grünen im Bezirk Mitte. Ingrid Bertermann, Bezirksverordnete für Die Linke in Mitte, wundert es nicht, »dass ein altbekannter Akteur des grünen Realo-Flügels in Mitte nun in diese Geschichte involviert ist«. Sie versichert dem »nd«, dass Bezirksbürgermeisterin Remlinger, die ebenfalls seit langer Zeit Teil des Realo-Flügels der Grünen ist, und Tilo Fuchs einander kennen.

Die Schatzmeisterin des Vereins SASVIC zählt gegenüber »nd« eine Vielzahl an Opfergruppen auf, an die das neue Denkmal erinnern will. Zu den 16 verschiedenen Gruppen, die auf der Statue mit einem Symbol vertreten sein sollen, zählen etwa Jesiden, Ruander oder Ukrainer. Auffallend ist, dass der Verein südkoreanische Überlebende listet, dabei war Korea im Zweiten Weltkrieg nicht geteilt, wenngleich ein Großteil der »Trostfrauen« wegen der geografischen Nähe zu Japan aus dem Süden Koreas stammte. Auch russische Opfer sind nicht gelistet.

Schatzmeisterin Röleke erklärt, dass der SASVIC-Vorsitzende Daniel Walther »in seiner Funktion als Chairman der International Young Democrat Union (IYDU)« häufig in Konfliktgebieten unterwegs gewesen sei. »Kurdistan-Irak nach dem Irak-Krieg, Südkorea-Nordkorea, Terror in Kolumbien, diverse Konfliktgebiete in Afrika, die Straße von Taiwan und mehr hat er seitdem bereist«, sagt Röleke. Das Anliegen des Vereins sei es, eine temporäre Skulptur im Bezirk Mitte aufzustellen, »die einen allgemeinen und globalen Ansatz verfolgt, frei von Abgrenzungsproblematiken und einseitigen Adressaten«. Dem Thema sexualisierte Gewalt in Konflikten wolle man inklusiv begegnen. Dafür kooperiere man mit einer Vielzahl an Initiativen, unter anderem dem Verein »Justice for Lai Dai Han«, der laut eigener Website der Kinder vietnamesischer Frauen gedenkt, die während des Vietnamkrieges von südkoreanischen Soldaten vergewaltigt wurden.

Im Vorstand des Vereins Justice for Lai Dai Han sitzt unter anderem Rebecca Hawkins. Die Künstlerin soll das Denkmal gestalten, mit dem sich der Verein beim Bezirk Mitte bewirbt. Das bestätigte dem »nd« die Künstlerin selbst. Die Vorsitzende des Korea-Verbands, Nataly Jung-Hwa Han, sagte »nd«, dass der Korea-Verband den Verein Justice for Lai Dai Han nach seiner Gründung kontaktiert habe, die Anfrage jedoch unbeantwortet blieb, wenngleich sich der Korea-Verband kritisch mit den Kriegsverbrechen koreanischer Soldaten auseinandersetzen würde.

»Petrified Survivors« (Versteinerte Überlebende) lautet der Titel des Kunstwerks von Hawkins, das das neue Mahnmal gegen sexualisierte Gewalt im Krieg werden könnte. Das Denkmal sei »keiner spezifischen Überlebendengruppe gewidmet, sondern für alle Gruppen weltweit« sagt Hawkins dem »nd«. Dafür habe sie verschiedene Gruppen konsultiert, unter anderem die Gruppe Comfort Women Action for Redress & Education, die sich laut Website ebenfalls der Erinnerung an die Trostfrauen annimmt. Das Denkmal Hawkins’ soll laut eigener Aussagen unweit vom Antikriegsmuseum im Wedding errichtet werden, sofern das Bezirksamt den Antrag des Vereins zustimmt.

Hawkins sagt, die Statue sei völlig unabhängig von der »koreanischen Friedensstatue und den Bemühungen, diese zu entfernen«. Zu einer weiteren Arbeit der Künstlerin gehört laut ihrer Website das Gurkha-Denkmal, das Soldaten im Einsatz des britischen Militärs gedenkt: Es zeigt einen Soldaten in Uniform mit Maschinenpistole und steht im englischen Folkestone. »Zum Zeitpunkt der Fertigstellung zeigte die Skulptur die modernste Militärausrüstung, die bei Feldzügen im Irak und in Afghanistan getragen wurde«, schreibt die Künstlerin auf ihrer Website.

Am 19. Juli, drei Tage nachdem der Verein SASVIC beim zuständigen Bau- und Grünflächenamt beantragt hatte, das Denkmal zu errichten, kam es zu einem Treffen zwischen Bezirksbürgermeisterin Remlinger und dem Korea-Verband. Anwesend waren neben der Verbandsvorsitzenden Han auch Michiko Kajimura von der AG Trostfrauen und die Wissenschaftlerin Jana Schäfer, die zu sexueller Gewalt forscht. Aus dem Bezirksamt heißt es, dass es um eine mögliche Zusammenarbeit zwischen dem Korea-Verband und der Initiative um Rebecca Hawkins ging, Frau Remlinger aber noch nicht über den eingereichten Antrag des Verein SASVIC Bescheid gewusst habe. Die anderen Gesprächsteilnehmerinnen streiten dies allerdings ab. »Im Gespräch sagte Frau Remlinger, dass es bereits einen Antrag auf ein temporäres Denkmal gebe, das im April 2025 errichtet wird«, sagt Schäfer »nd«. Demnach soll Remlinger auch gesagt haben, dass das neue Mahnmal nicht am alten Standort der Friedensstatue errichtet werden soll.

Nicht nur die Künstlerin Rebecca Hawkins, sondern auch der Verein SASVIC und die Bezirksbürgermeisterin Remlinger argumentieren für ein Mahnmal, das mehr Universalität mit sich bringe, als es Ari derzeit täte. Remlinger sagte dem »nd«, sie möge die Friedensstatue. Sie habe sie inspiriert, sich für ein Bundesdenkmal gegen sexualisierte Gewalt in Kriegen einzusetzen. »Dieses müsste dann allerdings auch mehr als ausschließlich den koreanisch-japanischen Konflikt behandeln«, sagt sie. Bisher ist es in der deutschen Erinnerungskultur durchaus üblich, dass spezifischer Opfergruppen des Zweiten Weltkriegs gedacht wird. Warum dies in diesem Fall nicht möglich sein soll, ist durchaus fragwürdig.

»Es ist nicht nur in unserem Interesse, sondern im Interesse so vieler Bürger*innen in Berlin und weltweit, dass dieses aufrichtige Mahnmal an sexualisierte Gewalt im Krieg bleibt.«

Nataly Jung-Hwa Han Vorsitzende des Korea-Verbands

Nataly Jung-Hwa Han, Vorsitzende des Korea-Verbands, ist irritiert vom Auftauchen der Bewerber*innen. Die Vorstandsmitglieder von SASVIC kenne sie nicht. Sie ist verwundert, dass Remlinger bereits am 19. Juli von dem Kunstwerk Hawkins’ und seiner Einweihung im Frühjahr 2025 gesprochen haben soll, obwohl von der Kommission Kunst im Stadtraum bisher keine Entscheidung vorliegt. Auch habe das Bezirksamt den Eingang eines Antrags des Korea-Verbands, die Friedensstatue länger zu erhalten, bislang nicht bestätigt. Dass der Antrag ohne Eingangsbestätigung vorliegt, bestätigt auch das Linke-BVV-Mitglied Ingrid Bertermann. Bezirksbürgermeisterin Remlinger sagte »nd« jedoch, dass nur ein Antrag beim Bezirksamt eingegangen sei – und zwar der vom Verein SASVIC mit der Künstlerin Rebecca Hawkins.

Grundsätzlich begrüße der Korea-Verband, wenn das Thema sexualisierte Gewalt im Krieg mehr diskutiert werde. Verbandsvorsitzende Han will das Werk Hawkins’ nicht mit der Friedensstatue vergleichen. »Aber meine Erfahrung mit Ari ist: Viele Menschen können sich mit dieser Statue identifizieren.« Der leere Stuhl neben Ari gebe Raum für diverse Betroffene, so steht es auch im Manifest zur Friedensstatue.

Ari zeige die Stärke, nicht aufgeben zu wollen, sagt Nataly Jung-Hwa Han. Auch sie will nicht aufgeben und hofft auf viel Unterstützung vor dem Rathaus Mitte in der Karl-Marx-Allee am 19. September anlässlich der letzten Bezirksverordnetenversammlung vor der geplanten Demontage der Friedensstatue. Zu der Sitzung hat die Linksfraktion eine Anfrage gestellt, um das Antragsverfahren von Kunst im Stadtraum transparent zu machen.

Innerhalb der letzten Monate hat der Korea-Verband 3000 Unterschriften gesammelt, um für den Erhalt der Friedensstatue zu werben. »Es ist nicht nur in unserem Interesse, sondern im Interesse so vieler Bürger*innen in Berlin und weltweit, dass dieses aufrichtige Mahnmal an sexualisierte Gewalt im Krieg bleibt«, heißt es in dem Aufruf.

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