- Ratgeber
- Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts
Bürgergeld: Was gilt jetzt und was könnte noch alles folgen?
Was kann aufgrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe beim Bürgergeld überhaupt noch geändert werden?
Sollen Arbeitslose einen weit entfernten Job annehmen müssen? Sollen die Sozialleistung stark gekürzt oder gar ganz gestrichen werden, wenn eine zumutbare Arbeit abgelehnt wird?
Wer kann überhaupt Bürgergeld in Deutschland bekommen?
Erwerbsfähige und leistungsberechtigte Bürgerinnen und Bürger können Bürgergeld erhalten, wenn sie hilfsbedürftig sind, das heißt, dass sie mit dem eigenen Einkommen unter dem Existenzminimum liegen und ihren Lebensunterhalt nicht ausreichend bestreiten können. Sie müssen mindestens 15 Jahre alt und noch nicht im Rentenalter sein, in Deutschland wohnen und mindestens drei Stunden täglich arbeiten können. Auch wer nicht erwerbsfähig ist, kann Bürgergeld bekommen, wenn er oder sie mit einem Erwerbsfähigen in einer sogenannten Bedarfsgemeinschaft lebt.
Darf das Bürgergeld beliebig gekürzt werden?
Nein. In einem Grundsatzurteil verwies das Bundesverfassungsgericht 2019 auf das Grundgesetz: Die Ausgestaltung der Grundsicherung ergibt sich demnach aus dem Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum. Denn staatliche Verpflichtung ist es, die Würde des Menschen zu achten und zu schützen. Der Staat hat folglich den Auftrag, die Voraussetzungen für ein eigenverantwortliches Leben zu schaffen. Seine sozialen Leistungen darf er daran knüpfen, dass Menschen ihre Existenz nicht selbst sichern können, und an aktive Mitwirkung. Auch Sanktionen sind erlaubt. Aber: Der Staat muss laut Grundsatzurteil strenge Anforderungen der Verhältnismäßigkeit beachten. Nicht zu beanstanden ist nach dem Karlsruher Urteil eine Leistungsminderung von 30 Prozent, bis ein Betroffener wieder mitwirkt.
Darf das Bürgergeld vollständig gestrichen werden?
Das Bundesverfassungsgericht setzt dem enge Grenzen. Der vollständige Wegfall ist »auf Grundlage der derzeitigen Erkenntnisse mit den verfassungsrechtlichen Maßgaben nicht vereinbar«, heißt es im Urteil. »Es liegen keine tragfähigen Erkenntnisse vor, aus denen sich ergibt, dass ein völliger Wegfall von existenzsichernden Leistungen geeignet wäre, das Ziel der Mitwirkung an der Überwindung der eigenen Hilfebedürftigkeit und letztlich der Aufnahme von Erwerbsarbeit zu fördern.«
Welche Mitwirkungspflichten gibt es?
Den Antrag auf Bürgergeld muss man persönlich stellen. Alle Angaben müssen korrekt gemacht, Urkunden und Bescheinigungen vorgelegt, Änderungen mitgeteilt werden. Wird man krank, muss man am dritten Tag ein Attest vorlegen. Die Hilfebedürftigen müssen an Maßnahmen zur Eingliederung in Arbeit mitwirken und sich auf Verlangen bewerben. Es gilt die Verpflichtung, jede zumutbare Arbeit anzunehmen, zu der man in der Lage ist.
Welche konkreten Sanktionsmöglichkeiten bestehen?
Bei Pflichtverletzungen werden die Leistungen gekürzt, und zwar in Schritten um bis zu 30 Prozent. Jobcenter sollen Arbeitslosen das Bürgergeld für maximal zwei Monate auch komplett streichen können, wenn die Betroffenen die Aufnahme einer Arbeit nachhaltig verweigern. Dies gilt seit März und war zur Schließung von Finanzierungslücken so beschlossen worden.
Wie viel dürfte durch die jüngsten strengeren Beschlüsse tatsächlich eingespart werden?
Durch stärkere Sanktionen für »Totalverweigerer« werden Minderausgaben von 150 Millionen Euro erwartet. Gleichzeitig wurden 500 Millionen Euro beim Bürgergeld weniger veranschlagt als ursprünglich geplant, weil Geflüchtete durch den sogenannten »Job-Turbo« schneller in Arbeit finden sollen. Vergangenes Jahr gab Deutschland etwa 42,6 Milliarden Euro für Bürgergeld aus, im Vorjahr waren es 36,6 Milliarden Euro.
Auf welche Verschärfungen hat sich die Ampel inzwischen geeinigt?
Eine tägliche Pendelzeit zur Arbeit von 2,5 Stunden bei einer Arbeitszeit von bis zu sechs Stunden und von drei Stunden bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs Stunden soll als zumutbar gelten. Für Fälle von Ablehnung einer zumutbaren Arbeit soll eine einheitliche Sanktionshöhe und -dauer von 30 Prozent für drei Monate eingeführt werden, bei Meldeversäumnis für einen Monat. Bei Schwarzarbeit soll die Leistung um 30 Prozent gekürzt werden können. Verschärft werden sollen auch Regelungen für das Schonvermögen. Bisher müssen die Jobcenter im ersten Jahr des Bürgergeldbezugs nur erhebliches Vermögen berücksichtigen. Diese Karenzzeit soll auf ein halbes Jahr verkürzt werden. Totalverweigerer sollen verstärkt Arbeitsgelegenheiten (Ein-Euro-Jobs) annehmen müssen.
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Steigt das Bürgergeld künftig weiter an?
Nein. Anfang 2024 war es um 12 Prozent gestiegen. Danach bekommen Alleinstehende 563 Euro im Monat, das sind 61 Euro mehr. 2025 wird es eine Nullrunde geben.
Inwieweit lohnt Arbeit angesichts von Bürgergeldbezug überhaupt?
Gutachten der Institute Ifo (München) und ZEW (Leipzig) zeigen einen geringen Vorteil von Mehrarbeit für eine alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern. Beim Arbeitslohn von 1000 Euro kommt sie auf 2823 Euro, bei einem Arbeitslohn von 1500 Euro brutto sind es 2907 Euro. dpa/nd
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