Kühles Nass in der Klimakrise

Zunehmende Extremwetterereignisse bringen auch die Wasserversorgung in Deutschland an ihre Grenzen

Blick auf die Rappbodetalsperre in Sachsen-Anhalt und den Stausee – die Anlage dient auch zur Trinkwasserversorgung.
Blick auf die Rappbodetalsperre in Sachsen-Anhalt und den Stausee – die Anlage dient auch zur Trinkwasserversorgung.

Bei extremen Hochwassern und Überflutungen kann, so paradox das klingt, Wasser knapp werden – dann nämlich, wenn Trinkwasserbrunnen überflutet werden oder der Dreck der Städte in Flüsse gespült und das Grundwasser verunreinigt wird. Wenn es wie derzeit in den überfluteten Gebieten im östlichen Mitteleuropa um Leib und Leben geht, zählen ausgefallene Trinkwassersysteme nicht zu den akutesten Problemen. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass infolge von Starkregen in diesem Jahr bereits in mehreren Orten Sachsens, Bayerns und Baden-Württembergs die Versorgung mit Trinkwasser vorübergehend ausfiel oder abgestellt werden musste.

Wie resilient, also widerstandsfähig, die Wasserversorgung in Deutschland in der Klimakrise ist und noch werden muss, darüber diskutierte in dieser Woche der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfachs (DVGW) auf seinem Jahreskongress in Berlin. Der Verein vertritt nach eigenen Angaben rund 1800 Wasserversorger, die drei Viertel des hierzulande genutzten Trinkwasser bereitstellen.

Die größte Herausforderung für unser Trinkwasser sei der fortschreitende Klimawandel, stellte DVGW-Vorstand Wolf Merkel bei einer Pressekonferenz fest. Die Wasserversorgung müsse sich auf zunehmende Hitzephasen und Extremwetter einstellen, sagte er. So sei in diesem Jahr der August zwar von hohen Temperaturen, viele andere Monaten aber von lokal extremen Niederschlägen gekennzeichnet gewesen.

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Trotz beschleunigten Klimawandels hält der Spitzenverein die Wasserversorgung in Deutschland langfristig für gesichert, in der Hauptsache wegen des sinkenden Bedarfs. Dieser soll nach den Angaben selbst bei relativ starker Erderwärmung hierzulande von jährlich 20,6 Milliarden Kubikmetern im Jahr 2019 auf 14,8 Milliarden Kubikmeter im Jahr 2100 sinken. Der Verbrauch von Haushalten und Kleingewerbe soll dabei nur leicht zulegen, wegen der zunehmenden Bewässerung der von der Landwirtschaft hingegen stärker. Für die Industrie erwartet der DVGW dagegen einen künftig deutlich geringeren Wasserbedarf.

In der Energiebranche soll sich dieser sogar mehr als halbieren und von rund neun Milliarden Kubikmetern 2019 auf unter vier Milliarden an der Wende zum nächsten Jahrhundert zurückgehen. Der Rückgang resultiert vor allem aus dem Ausstieg aus der Kohleverstromung. »Wesentliche Ursache ist der Rückgang des Kühlwasserbedarfs thermischer Kraftwerke«, formuliert es Merkel. Daran ändert laut der DVGW-Prognose auch der steigende Wasserbedarf zur Herstellung grünen Wasserstoff nichts. Die dafür nötige Wassermenge werde in etwa dem Verbrauch einer mittleren Stadt entsprechen, heißt es. Der Verband nimmt ohnehin an, dass Deutschland die Hälfte seines künftig benötigten Wasserstoffs importiert.

Die sich abzeichnende Entspannung beim Trinkwasser schließt zugleich große regionale Unterschiede in Deutschland nicht aus. In Ballungsräumen, wo die Bevölkerungszahl wachse oder sich Industrie und Gewerbe neu ansiedelten, könnte der Bedarf laut dem Verband deutlich zunehmen.

Hitze wie auch Extremniederschläge sind für Merkel zwei Seiten derselben Medaille. »Wir sehen seit langem, wie die Extreme zunehmen, und müssen uns zunehmend auf Trockenperioden, aber auch auf starken Regen einstellen«, erläutert er. Dann stoße Deutschland mit der bisherigen Technik und den bestehenden Vorkehrungen zwar häufig an Grenzen. Solange die Probleme aber regional begrenzt blieben, seien sie zu bewältigen, ist sich der DVGW-Vorstand sicher.

Auch Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) will das Land wappnen angesichts häufigeren Starkregens und Hochwassers. »Wir müssen unseren Flüssen mehr Platz geben. Intakte Auen und Deichrückverlegungen helfen, uns vor den Folgen von Hochwassern zu schützen«, betonte sie. Dem diene auch die in Arbeit befindliche Novelle des Hochwasserschutzgesetzes, darunter mit Regelungen für beschleunigte Maßnahmen. Konkrete Vorschläge dafür würden zurzeit geprüft. Ziel sei, das Gesetz noch dieses Jahr im Kabinett zu verabschieden.

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