Campino: Der Anti-Anti-Punk

Die Toten Hosen erhalten den Staatspreis Nordrhein-Westphalen, mit Würdigung von Hendrik Wüst. Mehr Punk geht nicht, findet Julian Daum. Oder nicht.

Staatspreis – Campino: Der Anti-Anti-Punk

Wann Punk gestorben ist, weiß niemand wirklich. Wahrscheinlich schon 1977 mit dem kommerziellen Erfolg der Sex Pistols. Da gab es Die Toten Hosen noch nicht mal. Dass also Sänger Campino heute nicht mehr Punk ist, wie ihm allerorten vorgeworfen wird, kann man ihm also streng genommen gar nicht anlasten.

Doch nun soll es für ihn und die Band auch noch den Staatspreis Nordrhein-Westphalens geben, überreicht vom Ministerpräsidenten Hendrik Wüst. Der Gipfel der Angepasstheit! Doch was soll Wüst auch annehmen von Deutschlands einst bekanntestem Wehrdienstverweigerer, der das heute »wahrscheinlich nicht mehr tun« würde? Schmerzen in den Ohren richtiger Punks dürfte auch die Würdigung vonseiten des CDU-Politikers kommen, der wissen will, dass niemand den deutschen Punkrock so geprägt habe wie die Hosen.

Nun war Campino selbst nie nihilistisch wie Sid Vicious oder revolutionär wie Joe Strummer. Ob er den britischen Royals als junger Bühnengröler in den 80ern aber nicht doch in die Suppe gerotzt hätte? Man weiß es nicht. Vergangenes Jahr jedenfalls verbeugte er sich brav im Frack vor Prince Charles und Familie beim Bankett. Leute, die die Sex Pistole noch als »Fascist Regime« bezeichneten. Campino hat jedenfalls schon lange keine Berührungsängste mit dem Establishment mehr. Vielleicht ist das auch nötig für sein bürgerliches Engagement für soziale Belange, gegen Armut und Rechtsextremismus. Haltungswandel statt Systemwandel also.

Vielleicht ist es aber auch gerade Punk, wenn man es schafft, dass sich die ganze Nation seit 20 Jahren darüber fetzt, ob Campino denn überhaupt noch Punk ist.

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.