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Selenskyj in den USA: Ein Plan, der nicht aufgehen kann
Wolodymyr Selenskyj will in den USA seinen Weg zum Sieg über Russland präsentieren
Die Prioritäten sind gesetzt. Noch bevor Wolodymyr Selenskyj bei der nach eigenen Aussagen entscheidenden Reise in die USA vor der Uno sprechen wird, besuchte der ukrainische Präsident Scranton in Pennsylvania, um zu sehen, wie dort Artilleriemunition für sein Land produziert wird.
Noch im Flugzeug hatte Selenskyj zuvor in einem Video angekündigt, Politikern in den USA seinen »Siegesplan« vorzustellen. »Der Präsident der Vereinigten Staaten wird ihn als erster vollständig sehen«, sagte Selenskyj. Auch die beiden Bewerber um die Nachfolge von Amtsinhaber Joe Biden, Kamala Harris und Donald Trump, sollen einbezogen werden. Selenskyj soll seinen Plan »Trump-sicher« gestaltet haben, um sicherzugehen, dass er auch im Fall eines Wahlsieges des Populisten weiter unterstützt wird.
Kiew will in Kursk weiterkämpfen
Am Montag veröffentlichte die britische »Times« die vier wichtigsten Punkte von Selenskyjs »Siegesplan«. Neben finanzieller Unterstützung für den Wiederaufbau und die Lieferung »bestimmter« moderner Waffen fordert der ukrainische Präsident die Nato-Bündnisfallklausel für sein Land und die Fortsetzung der Kämpfe im russischen Gebiet Kursk als territoriales Ass im Ärmel.
Selenskyjs Abkehr vom stets aggressiv geforderten Beitritt zum westlichen Kriegsbündnis ist dabei nur scheinbar eine Überraschung. US-Medienberichten zufolge soll es innerhalb der Nato schon länger Zweifel geben, die Ukraine aufzunehmen.
Von Gesprächen ist keine Rede
Moskau reagierte am Montag zunächst zurückhaltend auf den Selenskyj-Plan. Der Kreml werde den Plan prüfen, sobald er in offiziellen Quellen bekanntgegeben wird. Die entsprechenden Medienberichte seien mit Vorsicht zu genießen, sagte Regierungssprecher Dmitri Peskow. Allerdings braucht es wenig Fantasie, um sich die Antwort vorzustellen. Direkt nach dem Einmarsch ukrainischer Truppen in das Gebiet Kursk hieß es aus dem Kreml, dass man mit Kiew nichts mehr zu besprechen habe.
Reden will auch Selenskyj nicht, er will Russland »besiegen« und so an den Verhandlungstisch zwingen. Wie genau das vonstattengehen und ab wann sich Moskau verhandlungsbereit zeigen soll, dazu gibt es keine Antworten.
Kursk weckt keine guten Erinnerungen
Entgegen der Einschätzung vieler Militärexperten auch in der Nato, Russland sei auf dem Schlachtfeld nicht zu besiegen, propagiert Selenskyj genau das. Den Herbst hat Selenskyj auf dem Weg in die USA zur »entscheidenden« Phase des zweieinhalb Jahre andauernden Krieges ausgerufen, angesichts eines möglichen dritten schwierigen Kriegswinters durchaus logisch. Dafür will Selenskyj unbedingt mit westlichen Raketen ins russische Hinterland schießen. Bisher halten sich die Geberstaaten mit der Erlaubnis jedoch zurück. Auch Joe Biden soll, entgegen einem Medienbericht, nicht seine Zustimmung gegeben haben.
Dass Selenskyj zur Eile mahnt, liegt nicht nur am Winter und an der US-Wahl. Trotz der durchaus erfolgreichen Offensive in Kursk könnte das Ablenkungsmanöver Kiew teuer zu stehen kommen. In der Ukraine wird das Vorgehen in Kursk bereits mit dem monatelangen Sturm auf das Donbass-Dorf Robotyne während der Gegenoffensive 2023 verglichen. Kiew konzentriert eine große Zahl gut ausgebildeter Soldaten auf russischem Gebiet. Über die Verluste wird offiziell geschwiegen, nicht überprüfbare Berichte legen derweil nah, dass die Armee dabei zumindest sehr viel Technik verloren hat.
Der Preis könnte der Donbass sein
Und es könnte schlimmer kommen. Im Donbass rückt die russische Armee immer weiter vor, ist dabei, strategisch wichtige Orte einzukesseln. »Kursk war eine gute Idee, es hat Russland schwächer gezeigt, als viele dachten. Aber wir zahlen dafür«, zitiert die »Financial Times« einen ukrainischen Kommandeur. Auch aus der Politik kommt Kritik. Auf Facebook griff Marjana Besuhla, bis vor wenigen Tagen noch stellvertretende Vorsitzende des parlamentarischen Verteidigungskomitees, Selenskyj wegen der Situation in der Ostukraine an. Die Menschen sollten sich auf die Evakuierung vorbereiten, heißt es an anderer Stelle.
Der Präsident lässt Kritik an seiner Kriegsführung aber bisher nicht gelten. Vielmehr kündigte er einen »Plan B« an, sollte Biden die Bombardierung Russlands nicht genehmigen. Danach will Kiew weiterkämpfen wie bisher, bis man einen neuen Plan vorlegen kann. Er soll bereits in Vorbereitung sein.
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