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BVG-Busfahrer in Berlin: Keine Zeit für den Toilettengang

Unter der BVG-Krise leidet auch das Fahrpersonal

Verspätungen hat das Fahrpersonal selten verschuldet, muss sie aber jedes Mal ausbaden.
Verspätungen hat das Fahrpersonal selten verschuldet, muss sie aber jedes Mal ausbaden.

Die Berliner Verkehrbetriebe stecken in einer handfesten Krise. Regelmäßig wird ein neuer Notfahrplan präsentiert, der das Angebot eindampft, sodass sich die Anfahrhäufigkeit veringert. Trotzdem fallen immer mehr Züge aus. Konnte die BVG im Jahr 2022 noch 99,2 Prozent aller geplanten U-Bahn-Fahrten anbieten, waren es bis August dieses Jahres 93 Prozent. Jede 15. U-Bahnfahrt fiel aus.

Auch das Busangebot nimmt entgegen der Aussage von BVG-Vorstand Henrik Falk kontinuierlich ab. Falk hatte im August behauptet, das reale Busangebot der BVG sei so groß wie nie. Einer Analyse des Centers Nahverkehr Berlin zufolge, auf den sich ein RBB-Bericht beruft, sank die Fahrleistung der BVG-Busse von angebotenen 94,5 Millionen Fahrkilometern 2021 mittlerweile auf 90,2 Millionen Fahrkilometer – in etwa so viel wie 2016. So die Prognose. Bestellt habe das Land Berlin eigentlich 97,9 Millionen Kilometer. Für 2030 sind 101 Millionen Buskilometer vereinbart. Dass sie erreicht werden, während Vorstandschef Falk ein Wachstum innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahre ausschließt, ist fraglich.

Die Krise spüren nicht nur die Fahrgäste. Gerade die Beschäftigten sind tagtäglich mit dem eingeschränkten Betrieb der landeseigenen Verkehrsbetriebe konfrontiert. Dabei scheint der Mangel an tauglichen Fahrzeugen und Personal nur ein Aspekt zu sein, der zu einer erhöhten Arbeitsbelastung führt. Umgekehrt scheinen, wenn man den Beschäftigten glaubt, die Arbeitsbedingungen ein Grund dafür zu sein, dass Kolleg*innen ihr Arbeitsverhältnis beenden.

Jan Förster fährt seit 18 Jahren für die BVG. Exemplarisch schildert er »nd« eine Fahrt von vergangener Woche auf der Linie 265 von Schöneweide zum Märkischen Museum: »Statt 7,58 geplanter Stunden, hatte ich am Ende 8,45 Stunden gearbeitet und dabei nur einen Bruchteil meiner Pausen genommen.« Am Ende habe er ensprechend Verspätung gesammelt, die er an den nächsten Kollegen übergeben habe. Sie fahre regelmäßig dem Fahrplan hinterher, sagt Försters Kollegin Petra Roth. Sowohl Roth als auch Förster sind Mitglieder im Personalrat der BVG. »Wenn du 20 Minuten hinterherhängst, drückst du dir schonmal einen Toilettengang weg. Ich versuche dann trotzdem eine kleine Pause zu machen, meine Stulle zu essen und eine Zigarette zu rauchen«, sagt Roth. Mittlerweile habe die BVG die Fahrzeiten für die einzelnen Strecken zwar verlängert, gleichzeitig aber die Ein- und Ausfahrten zu den Betriebshöfen verkürzt, sagt Roth.

»Manchmal komme ich mir vor, als müssten wir an vorderster Front die Prügel einstecken für das, was andere zu verschulden haben.«

Petra Roth Busfahrerin

Von ganz jung bis ganz alt würden die Fahrgäste zudem immer respektloser, wie Roth sagt. »Dann bekomme ich einen Spruch gedrückt und werde sitzen gelassen, ohne dass ich antworten kann«, sagt sie. »So was nimmst du den Arbeitstag über mit.« Ihr Kollege pflichtet ihr bei. Er sei eigentlich ein leidenschaftlicher Busfahrer, sagt Förster. »Mittlerweile ist aber das, was man als Busfahrer innerhalb wie außerhalb des Busses erlebt, die Hölle.« Die auf das Hauptstadtimage gemünzten Werbekampagnen der BVG hätten geradezu dazu eingeladen, sich in den Fahrzeugen gehen zu lassen. Damit zurück blieben aber die Fahrer, sagt Förster. Auch die Verkehrssituation habe sich verändert. Es gehe rücksichtsloser und aggressiver zu. »Manchmal komme ich mir vor«, sagt Roth, »als müssten wir an vorderster Front die Prügel einstecken für das, was andere zu verschulden haben.« Roth meint, vorprogrammierte Ansagen des Unternehmens könnten dazu führen, dass das Fahrpersonal nicht persönlich den Kopf hinhalten muss, wenn es darum geht, Probleme zu kommunizieren.

Förster spricht davon, dass die BVG ihre digitales Potenzial nicht ausschöpfe. »Warum muss ich, wenn selbst die Fahrzeiten jedes Fahrzeugs in Echtzeit eingesehen werden können, Vorfälle, die sich während der Fahrt ereignen, auf Zetteln dokumentieren«, fragt er.

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Doch nicht für alles sei das Unternehmen verantwortlich. Die Verkehrspolitik trage entschieden dazu bei, dass nicht die volle Leistung erbracht werden könne. »Es hat mit der Personalsituation erstmal nichts zu tun, wenn die Vorrangschaltung der Ampeln nicht funktioniert, wenn Bezirke unabgesprochen voneinander verzögernde Baustellen gewähren.« Und dann sei da noch der Faktor Geld: Der BVG stünden für das, was der Senat mit ihr will, zu wenig Mittel zur Verfügung, sagt Förster.

Stichwort Geld: Das sei ein Ansatzpunkt, die Belastung zu kompensieren und den Beruf attraktiver zu machen, sagt Försters Kollegin Roth. Die alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern müsse inzwischen über 100 Euro für einen Wochenendeinkauf aufbringen. Auch Miete und Energie seien teurer geworden. Nächstes Jahr steht die Tarifrunde zum Entgelt bei der BVG an.

Förster plädiert mit Blick auf den hohen Krankenstand für mehr Regenerationszeit in Form von längeren Wendezeiten und mehr Urlaub. Elemente, die eigentlich im Manteltarifvertrag geregelt werden, der erst dieses Jahr erneuert wurde. Vor einigen Jahren hat Förster seine Arbeitswoche von 37,5 auf 31 Stunden reduziert. Ihm seien während der Fahrten durch die große Belastung immer mehr Fehler unterlaufen. »Ich habe dann eigenständig die Reißleine gezogen.«

Roth vermisst auch den innerbetrieblichen, »fast schon familiären Zusammenhalt«, den sie zu Beginn kennengelernt habe. Damals habe sie gewusst, wer vor ihr fährt und wer hinter ihr. Man habe sich verabredet, um die Heimwege teilweise gemeinsam zu verbringen. Heutzutage sei das anders.

Sicher liege es an der hohen Fluktuation, vielleicht auch an der heutigen Generation und zunehmenden Sprachbarrieren oder daran, dass jede*r mehr auf sich schaue, sagt Roth. »Früher gab es ein Verständnis davon, dass wir zusammen stark sind.« Noch sei es so, dass ein Kern von Mitarbeiter*innen vor den Arbeitskämpfen die Kolleg*innen durch ihren Enthusiasmus mitreißen könnte. »Darauf hoffe ich auch für die anstehende Tarifrunde. Dennoch wird die gewerkschaftliche Kultur immer weniger weitergegeben.«

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