Umstrittener Bürokratieabbau

Bundestag beschließt Entlastungsgesetz, Kritiker warnen vor Freibrief für Steuerbetrug

Die Bürgerbewegung Finanzwende warnt auch mit Blick auf das neue Bürokratieentlastungsgesetz vor Straffreiheit im Fall der Cum-Ex und Cum-Cum-Steuerskandale.
Die Bürgerbewegung Finanzwende warnt auch mit Blick auf das neue Bürokratieentlastungsgesetz vor Straffreiheit im Fall der Cum-Ex und Cum-Cum-Steuerskandale.

Die meisten Punkte des neuen Bürokratieentlastungsgesetzes IV (BEG), das am Donnerstag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen sowie der Union verabschiedet wurde, dürften wenig kontrovers sein: Die Hotelmeldepflicht wird abgeschafft und die Hürden für die Digitalisierung werden gesenkt. Viele Rechtsgeschäfte können künftig digital abgewickelt werden, darunter auch die Betriebskostenabrechnung sowie die Option, bei der Flugabfertigung Reisepässe digital auszulesen.

Doch eine Regelung sorgt für heftige Kritik: Die Aufbewahrungsfrist für Buchungsbelege im Handels- und Steuerrecht wird von zehn auf acht Jahre verkürzt. Die Bürgerbewegung Finanzwende (BF) warnt vor dramatischen Konsequenzen. Im Fall von Steuerbetrug könnten künftig »legal Beweismittel vernichtet« werden, obwohl die Täter rechtlich noch haftbar wären, heißt es. Die Verjährungsfrist für schwere Steuerhinterziehung liegt bei 15 Jahren.

»Es ist unsinnig, dass die Aufbewahrungsfristen kürzer sind als die Verjährungsfristen«, sagte Anne Brorhilker, Geschäftsführerin der Nichtregierungsorganisation, gegenüber dpa. Die ehemalige Oberstaatsanwältin leitete über Jahre die Ermittlungen im Steuerskandal rund um sogenannte Cum-Ex und Cum-Cum-Geschäfte, bevor sie zu BF wechselte. Banker, Anwälte und Investoren hatten von 2001 bis 2016 den Staat mit Steuertricks bei Aktiengeschäften um knapp 30 Milliarden Euro betrogen. Während einige Täter schuldig gesprochen wurden, laufen etliche Ermittlungsverfahren noch. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz war in den Fokus der Untersuchungen geraten.

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Brorhilker befürchtet, dass die Ermittlungen in bislang nicht verjährten Fällen sowie die Verfolgung künftiger Betrugsmaschen erschwert werden. »Die Täter wissen sehr genau, welchen juristischen Sprengstoff sie in ihren Kellern und auf ihren Servern haben«, sagt sie. »Sobald das Gesetz in Kraft ist, werfen die ihre Schredder an.« Statt die Fristen zu verkürzen, sei eine Verlängerung auf 15 Jahre nötig, fordert sie.

Unternehmervertreter begrüßen die Regelung dagegen. Im Interview mit Deutschlandfunk sagte Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), am Donnerstag: Wenn man Unternehmen nach ihren Problemen befrage, sei »Überbürokratisierung immer noch die Nummer eins.« Die kürzeren Aufbewahrungspflichten und Erleichterungen bei der Digitalisierung seien gut. Doch das Gesetz gehe nicht weit genug, weil immer weitere Vorgaben »aus Berlin und Brüssel« kämen.

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) gab in der Bundestagsdebatte selbstkritisch zu, dass die Ampel-Regierung auch Bürokratie aufgebaut habe. »Aber alle haben ihren Anteil daran«, verteidigte er sich und verwies auf die Verantwortung der Unternehmen. Die hätten etwa im Fall des Lieferkettengesetzes mit ihrem Widerstand gegen rechtsverbindliche Klagewege zusätzlichen Berichtspflichten Vorschub geleistet, kritisiert er.

Die Linke und das Bündnis Sahra Wagenknecht stimmten gegen das Gesetz, die AfD enthielt sich.

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