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Tod eines Outlaws
Kris Kristofferson machte Country zur Literatur
»Freedom’s just another word for nothing left to lose« – was für eine Zeile! In einer Zeit, da sich die (vermeintlichen?) Erfolge von Musiker*innen nach Hits und Klickzahlen bemessen, fällt es schwer, sich zu vergegenwärtigen, welchen Einfluss Musiker*innen in den 1960er und 70er Jahren hatten, welche Bedeutung ein Song, ein Album, eine Persönlichkeit für das Bewusstsein der Zuhörer*innen hatte.
Ich werde den Moment nie vergessen, als ich das erste Mal »Me and Bobby McGee« von Janis Joplin mit dieser wunderbaren und Herz öffnenden Zeile hörte. Klar war das hippiesk und utopisch – aber gerade deswegen war es eine Aussage, die wir unseren an Leistung und Konsum orientierten Wirtschaftswunder-Eltern mit Leidenschaft entgegenschleudern konnten. »Feeling good was good enough for me and my Bobby McGee«. Sein statt Schein …
Das Janis Joplin-Album lief in meiner Teenager-Bude und später in den WGs rauf und runter, und noch heute halte ich inne, wenn dieser Song zu hören ist. Diese Geschichte von Zweien, die sich beim Trampen kennenlernen, mit dem Lkw-Fahrer alle Songs singen, die der kennt (es wird also jede Menge Country und eventuell auch ein wenig Blues gewesen sein) und die auf der Fahrt von den Kohleminen Kentuckys bis zur Sonne Kaliforniens die Geheimnisse ihrer Seelen teilen und sich gegenseitig vor der Kälte schützen. Dann verlieren sie sich eines Tages fast zufällig, »I let him slip away«, und es bleibt nur die Erinnerung an eine Amour Fou.
Erst viele Jahre später wurde mir klar, dass nicht Janis Joplin diesen Song geschrieben hatte, sondern Kris Kristofferson (und »Mercedes Benz« war von Bob Neuwirth). Der Kris Kristofferson, den ich auch schon in etlichen tollen Filmen gesehen hatte: In Dennis Hoppers »The Last Movie«, in Sam Peckinpahs »Pat Garrett and Billy the Kid« und »Convoy«, in Martin Scorseses »Alice lebt hier nicht mehr« oder in »A Star is Born« neben Barbra Streisand.
Der Enkel schwedischer Einwanderer wurde 1936 in Brownsville im Süden von Texas geboren. Er studierte mit einem Stipendium für Hochbegabte in Oxford und plante, Schriftsteller zu werden, was misslang. Also lernte er bei der US-Army, Hubschrauber zu fliegen (er war auch in Bad Kreuznach stationiert) und arbeitete später als Hubschrauberpilot auf einer Ölplattform. Als Johnny Cash auf ein Demotape von Kristofferson nicht reagierte, landete er mit einem Hubschrauber auf Cashs Anwesen, um zu sehen, was Cash von seinem Song hielt. Gute Anekdote natürlich, nur wird meistens nicht miterzählt, dass Cash gar nicht zu Hause war, die Aktion also schlicht verpuffte.
Wie auch immer, Johnny Cash landete 1971 mit einem Kristofferson-Song einen großen Hit: »Sunday Morning Coming Down«, ein Song gegen das »Happy America«, das Nashville so gerne verklärte. Bei Kristofferson ist der Sonntag der Tag der Einsamkeit, des Katers nach einer trunkseligen Nacht, des Kopfwehs, das eben nicht nur von all den Drinks, sondern auch von den Verhältnissen verursacht wird. Kristofferson wurde zu einem der legendären Outlaws der Country-Musik, zu einem der bedeutendsten Singer/Songwriter Amerikas, und er verkörpert wie nur wenige den Geist und das Lebensgefühl der amerikanischen Arbeiterklasse im 20. Jahrhundert: Diese hart arbeitenden, mitunter auch mal hart zuschlagenden, vom »Schicksal« gebeutelten Leute im eher ländlichen Amerika, die trotz alledem und alledem das Herz auf dem rechten Fleck haben, wie man so sagt. Zusammen mit Johnny Cash, Willie Nelson und Waylon Jennings spielte er seit Mitte der 1980er Jahre in der Gruppe The Highwaymen den »Blues des weißen Mannes«, Country eben. Er setzte sich gegen den Vietnam-Krieg sowie für die Freiheitskämpfe in Nicaragua oder El Salvador ein. Kris Kristofferson starb am Samstag auf Hawaii mit 88 Jahren. Ein engagierter Künstler und faszinierender Mensch – oder umgekehrt: »But I’d trade all of my tomorrows, for one single yesterday.«
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