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Berichterstattung zu Nahost: Die Staatsräson beeinflusst Medien
Die Berichterstattung über den Nahost-Konflikt ist in Deutschland nicht selten von Einseitigkeit geprägt, kommentiert Mehmet M. Sis.
Was Mitte September mit den Pager-Explosionen im Libanon begann, hat sich zum befürchteten Flächenbrand im Nahen Osten ausgeweitet. Während die Weltöffentlichkeit wie gelähmt zusieht und Politiker sich in bedeutungslose Phrasen flüchten, rollen israelische Panzer in den Libanon, begleitet von heftigen Bombardements, die mittlerweile auch Syrien und den Jemen ins Visier nehmen.
Die vorläufige Bilanz dieser Offensive lässt erschaudern: Über 1300 Tote, Tausende Verletzte und mehr als eine Million Vertriebene. All dies geschieht unter dem altbekannten Banner der »Selbstverteidigung« – ein Begriff, der offenbar dehnbarer ist als das Völkerrecht selbst. Auf der Gegenseite feuern die Hisbollah, der Iran und weitere Gruppen Raketen auf israelisches Territorium. Die Region gleicht einem Pulverfass, das nur auf den letzten zündenden Funken wartet.
Und die deutsche Medienlandschaft? Sie reagiert nicht selten in altbekannter Manier: Die kritische Berichterstattung weicht dabei einer unkritischen Wiedergabe offizieller Regierungsangaben, als ob die deutsche Staatsräson den Takt diktieren würde. Das Mantra der israelischen Armee wird dabei nicht pauschal, doch zu oft unhinterfragt übernommen: Israel verteidigt sich gegen den Terrorismus. Und die sterbenden Zivilisten? Bedauerliche, aber unvermeidbare Kollateralschäden. Es scheint fast, als sei diese Erzählweise bei nicht wenigen Journalisten zur Norm in Deutschland erhoben worden ist.
Mehmet M. Sis studiert Politikwissenschaft und Islamische Theologie an der Universität Münster.
Besonders absurd wird es, wenn der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu von einer »präzisen Bodenoperation« im Libanon spricht – einem Krieg, der Tausende Zivilisten das Leben gekostet hat, sie zu Binnenvertriebenen macht und Stadtviertel in Schutt und Asche legt. Die Reaktionen hierzulande? Nicht genug Widerspruch. Dass die israelische Armee gezielt zivile Infrastruktur bombardiert, wird zu oft als Fußnote abgetan. Ob das mit Unwissen zu tun hat? Schwer vorstellbar.
Denn dieses journalistische Trauerspiel ist keineswegs neu. Schon in der Berichterstattung über den Gaza-Krieg wurden die Erzählungen der israelischen Regierung von großen Medienanstalten kaum hinterfragt und der Krieg dort als legitimer Selbstverteidigungsakt stilisiert – ungeachtet der über 42 000 Toten. Die fehlende Integrität dieser Medien, die solche Erzählungen kritisch beleuchten sollten, wirkt chronisch und scheint gegen jede Therapie resistent.
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Statt nämlich aus vergangenen Fehlern zu lernen, bedienen sich nicht nur konservative Medien aus dem Springer-Verlag, sondern auch die Öffentlich-Rechtlichen allzu oft des gleichen, altbewährten Musters: Die »guten« Verteidiger stehen den »bösen« Angreifern gegenüber. Diese Berichterstattung bildet den fruchtbaren Boden, auf dem künftige Kriege als »alternativlos« verkauft werden können.
Was jetzt mehr denn je gebraucht wird, ist ein Journalismus, der die Dinge beim Namen nennt, der Tote nicht als »Kollateralschäden« verharmlost, sondern sie als das zeigt, was sie sind: Menschen. Ein Journalismus, der die Mächtigen in die Mangel nimmt und den Unterdrückten eine Stimme gibt. Alles andere ist ein Verrat an der Wahrheit – und daran, was Journalismus in einer demokratischen Gesellschaft leisten sollte.
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