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Vorsaisonale Erkältungswelle
AOK untersucht Fehlzeiten und sieht für 2024 neue Höchststände bei Krankschreibungen
Trotz teils sehr milder Temperaturen wird allerorten geniest, geschnauft, gehustet – noch vor dem Beginn der eigentlichen Grippesaison. Der aktuelle Bericht des Robert-Koch-Instituts zu den Atemwegserkrankungen stellt fest, dass weiterhin vergleichsweise viele Menschen betroffen sind. Die Infekte hängen momentan vor allem mit Rhino- und Coronaviren zusammen, mehr als ein Fünftel mit den zuletzt genannten. Die 7,3 Millionen akuten Atemwegserkrankungen Ende September passen in den Trend des Gesamtjahres.
Denn schon im bisherigen Verlauf bis August erreichten die Krankenstände erneut »historisches Niveau«, stellte jetzt auch die AOK fest. Bei der Vorstellung des Fehlzeitenreports, den das AOK-Institut Wido jährlich erarbeitet, blieb in Berlin auch das Podium der Fachleute nicht von Erkältungssymptomen verschont.
Im vergangenen Jahr gab es mit 225 Arbeitsunfähigkeitsfällen je 100 erwerbstätige AOK-Mitglieder schon einen Spitzenwert. Dieser wurde aber 2024 bereits in den ersten acht Monaten erneut erreicht – und die Erkältungssaison, wie schon gesagt, steht erst noch bevor. Im Schnitt war also jedes dieser AOK-Mitglieder in diesem Jahr schon mindestens zweimal krankgeschrieben. Zum Vergleich: Im Durchschnitt der Jahre 2014 bis 2021 waren nur knapp 160 Fälle je 100 Mitglieder zu verzeichnen.
Bei der Frage nach den Ursachen der insgesamt höheren AU-Fallzahl werden vom Wido die Atemwegserkrankungen als wesentliche Treiber der Entwicklung genannt. »Der Krankenstand liegt höchstwahrscheinlich aufgrund einer erhöhten Empfänglichkeit für Infektionen und aufgrund der neuen, zusätzlichen viralen Erkrankungen der letzten Jahre insgesamt höher«, sagt Wido-Expertin Johanna Baumgardt. Weitere Faktoren kommen vermutlich hinzu, darunter auch die Einführung der elektronischen Krankmeldungen. Das könnte zu einer vollständigeren Erfassung der AU-Bescheinigungen beigetragen haben, weil zuvor laut Baumgardt nicht alle Versicherten die entsprechenden Scheine bei ihrer Kasse eingereicht hatten.
Dass der höhere Krankenstand mit der Möglichkeit der telefonischen Krankschreibung zusammenhängen könnte, wie kürzlich Finanzminister Christian Lindner (FDP) suggerierte, kann man sich bei der AOK hingegen nicht vorstellen. Im Gegenteil: Mit der in der Pandemie eingeführten Möglichkeit sei verantwortungsvoll umgegangen worden. Diesen Schluss ließen auch Wido-Auswertungen zu Fehlzeiten zu. Weder 2020 noch 2021 seien im Zusammenhang mit der damals neu eingeführten Option höhere Krankenstände zu sehen gewesen. »Warum sollte das ausgerechnet nach drei Jahren eintreten, und nicht schon früher?«, fragt AOK-Vorstandsvorsitzende Carola Reimann. Sie betont noch einmal den Nutzen der telefonischen Krankschreibung: »Arztpraxen werden in Infektionswellen entlastet und die Kontakte mit erkrankten Menschen reduziert.« Der Gemeinsame Bundesausschuss für das Gesundheitswesen hatte die Beibehaltung dieser Möglichkeit im Dezember 2023 dauerhaft beschlossen.
Für die hohen Krankenstände insgesamt sind laut dem Report die weiter ansteigenden Fehlzeiten durch psychische Erkrankungen mitverantwortlich. Unter anderem haben die AU-Tage aufgrund psychischer Erkrankungen seit 2014 um knapp 47 Prozent zugenommen, Stand August 2024. Besonders betroffen sind von diesen Erkrankungen schon seit Jahren Menschen, die in Gesundheits- und Sozialwesen sowie im Bildungssystem arbeiten. Zugleich besteht in Teilen des Sektors ein besonders starker Fachkräftemangel, darunter in der Pflege.
Im aktuellen Fehlzeitenreport wurde nun ausführlich untersucht, mit welchen unter anderem gesundheitsfördernden Maßnahmen Unternehmen hier gegensteuern können, auch um neue Beschäftigte zu finden und vorhandene Belegschaften zu binden. Unter anderem wurden Pflegende zu Wechselabsichten befragt, und es zeigte sich, dass zwar die Mehrheit in den jeweiligen Unternehmen bleiben will, aber immerhin 30 Prozent sich einen Wechsel in den nächsten fünf Jahren vorstellen konnten, teils sogar in andere Berufe. Unter den jüngeren Befragten wollte schon ein Drittel im nächsten Jahr wechseln.
Laut Vorstandsfrau Reimann hat betriebliches Gesundheitsmanagement ein großes Potenzial, Beschäftigte zu binden. Insgesamt über alle Kassen sind die Ausgaben unter anderem für Yoga- oder Walking-Kurse zwischen 2010 und 2020 um 40 Prozent gestiegen. Es zeigt sich jedoch, dass die Angebote von vielen Angestellten gar nicht in Anspruch genommen werden. Laut Wido könnte das daran liegen, dass zuvor nicht gut genug analysiert wurde, welche Probleme es konkret im Unternehmen gibt. Für die Beschäftigten spiele außerdem eine große Rolle, wie ernst es Führungskräfte wirklich mit diesen Angeboten meinen, etwa, ob im Arbeitsalltag auch Zeit dafür ist oder sogar freigestellt wird.
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